Europa : „Niemand will einen No-Deal-Brexit"

Schranke mit Zeichen "Zoll"
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Acht Tage vor dem geplanten Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU ist weiter unklar, worauf sich Österreichs Unternehmer einstellen müssen. Die Wirtschaftskammer informierte am Dienstag in einer Konferenz über mögliche Szenarien. Sowohl Österreichs Brexit-Verhandler Gregor Schusterschitz als auch Großbritanniens Botschafter in Österreich waren sich einig: "Niemand will einen No-Deal-Brexit."

Die Veranstaltung stieß auf so großes Interesse, dass sie per Video in einen zweiten Saal übertragen werden musste. Im Raum stehen nach wie vor de facto drei Möglichkeiten: Austritt mit Abkommen, Austritt ohne Abkommen oder erneute Verschiebung. "Heute wissen wir immer noch nicht mehr", sagte der Leiter der Europapolitik der Wirtschaftskammer (WKO), Christian Mandl. Daher habe man dem Titel der Tagung "Brexit - The Final Countdown" auch ein Fragezeichen gesetzt.

"Wir erwarten Störungen im Geschäftsbetrieb", sagte WKO-Vizegeneralsekretärin Mariana Kühnel. Wie stark diese sind, hänge davon ab, wie es weiter gehe. Für einige Unternehmen werde Großbritannien zum ersten Drittstaat, in den sie exportieren. Ein österreichischer Fleischproduzent beispielsweise importiere Fleisch aus Großbritannien, verarbeite dieses hierzulande zu Tiefkühlprodukten und exportiere diese wieder nach Großbritannien. "Es stellte sich die Frage, welche Zollsätze veranschlagt werden müssen", so Kühnel. Die Zollfragen beschäftigten die heimischen Unternehmer am meisten, wie sich in den Fragen der Tagungsteilnehmer zeigte.

Wie wichtig für die Wirtschaft ein Abkommen ist, machte der britische Botschafter Leigh Turner klar. Wenn es einen Deal gibt, ändere sich nach dem 31. Oktober vorerst nichts. Österreichs Brexit-Verhandler Schusterschitz erklärte, dass die Übergangsfrist bis Ende 2020 um zwei Jahre auf Ende 2022 verlängert werden kann. Großbritannien übernehme dann in diesem Zeitraum sogar neues EU-Recht. In dieser Übergangsphase sollte dann im Idealfall ein Freihandelsabkommen ausverhandelt werden, wie es hieß. Für den Fall eines No-Deal-Brexits verwies Cynthia Zimmermann auf das Brexit-Sammelgesetz, dass dann in Österreich in Kraft treten würde. Eine Übergangsphase gibt es bei einem ungeregelten Austritt jedoch nicht.

Schusterschitz sagte, das 600 Seiten lange neue Abkommen sei gar nicht so neu, sondern bis auf das Nordirlandprotokoll unverändert. "Es wurden vielleicht zehn Seiten geändert", so der Diplomat. Für Turner ist derzeit die wichtigste Frage, ob das Abkommen durch das britische Parlament kommt. Der WKO-Handelsdelegierte in London, Christian Kesberg, sagte, dass es auf diese Frage bald eine Antwort aus dem britischen Unterhaus geben werde. Für Dienstagnachmittag ist dort eine große Debatte geplant.

"Unsicherheit auf den Märkten ist Gift", skizzierte Christian Haring von AVL List das Hauptproblem aus wirtschaftlicher Sicht. Derzeit würden Projekte und Firmenentscheidungen verschoben. Deshalb sei ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Derzeit sei es schwer, im Vereinigten Königreich Lagerflächen zu bekommen, schilderte Haring. Die Lieferketten hätten sich bereits verteuert.

Dass man via Irland und Nordirland britische Zollkontrollen umgehen könnte, werde im Fall des Falles von London rasch abgedreht, erwartet die Zollexpertin Bettina Vogl-Lang im österreichischen Finanzministerium. "Das ist aber das Problem der Briten." Sie empfahl Unternehmern, sich beim Handel mit Großbritannien einen guten Spediteur zu suchen und nicht direkt an der EU-Außengrenze zu verzollen. "Die Nadelöhre sind die Häfen", so Vogl-Lang. Besser sei das sogenannte Transitverfahren.

Den Angaben zufolge sind rund 250 Firmen aus Österreich in Großbritannien investiert. Diese beschäftigen 40.000 Mitarbeiter und machen einen Umsatz von 22 Mrd. Euro. Große im Königreich aktive Firmen sind etwa Zumtobel, Wienerberger, Red Bull und Novomatic. Turner erklärte, dass 2018 an die 110 Firmen aus Österreich Interesse bekundet haben, nach Großbritannien zu exportieren - trotz Brexit. Das Land bleibe auch nach dem Brexit geografisch in Europa, "wir bleiben Freunde", so Turner. Schusterschitz äußerte die Hoffnung, dass der Artikel 50 des EU-Vertrags, der 2007 in Lissabon geschlossen wurde und den Austritt eines EU-Mitgliedsstaates regelt, künftig totes Recht sein wird. (apa/red)

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