FTS : Outdoor-FTS: „Langsamer, aber kontinuierlicher Anstieg“
dispo: Herr Kretschmer, im Indoor-Bereich gibt es mittlerweile viele FTS zahlreicher Hersteller, und die Verkaufszahlen gehen nach oben. Wie ist die Situation bei Outdoor-Geräten?
Ronald Kretschmer: Die Nachfrage am Markt für fahrerlose Transportsysteme und automatische Transportroboter ist groß, und wir sind sicher, dass dieser Trend so anhalten wird. Die Situation bei Outdoor-Anlagen verhält sich aus unserer Sicht so, dass es sich hierbei noch um eine Nische im FTS-Markt handelt. Der prozentuale Anteil unserer Anfragen für Outdoor-Anlagen liegt unter fünf Prozent. Nichtsdestotrotz steigt die Anzahl der Anfragen langsam, aber kontinuierlich, und EK Automation liefert gerade fast 30 Fahrzeuge für den Outdoor-Bereich in verschiedenen Projekten aus. Damit liegt der Anteil am aktuellen Umsatz bereits in einem relevanten Bereich.
Wo sehen Sie denn Vor- und Nachteile von spezialisierten Transportrobotern versus Nachrüstung von „klassischen“ Fahrzeugen?
Kretschmer: Die Vorteile sehen wir in den Möglichkeiten, auf die kundenspezifischen Aufgabenstellungen der Kunden einzugehen. Die Ertüchtigung von klassischen Serienflurförderzeugen für den Außeneinsatz stellt deutlich höhere Anforderungen an die wettergeeignete Ausrüstung, sodass wir diese Option bisher nicht in Betracht gezogen haben. Die Outdoor-Fahrzeuge verfügen über an den Außenbereich angepasste Sensoren und Steuerungen sowie alternative Navigationstechnologien.
Zudem ist unsere Erfahrung, dass die Aufgabenstellungen sehr häufig so gestaltet sind, dass Serien-Flurförderzeuge für die Aufgabe nicht geeignet sind. Viele Kunden wünschen sich, dass mehrere Ladeeinheiten gleichzeitig transportiert werden, um die Anzahl der Fahrzeuge auch aus wirtschaftlichen Gründen gering zu halten. So können einige unserer Outdoor-Modelle zwei, vier, sechs oder auch mehr Ladungseinheiten auf einmal transportieren.
Schränkt die Notwendigkeit, die Ladung beim Outdoor-Einsatz gegen Umwelteinflüsse zu schützen, andere Aspekte in der Konstruktion der FTS ein?
Kretschmer: Grundsätzlich muss die Ladung nicht immer geschützt werden, aber in der Regel ist das eine wesentliche Anforderung unserer Kunden. Dadurch ergibt sich die konstruktive Anforderung, einen mechanischen Aufbau für das Fahrzeug zu entwickeln, der den geforderten Umgebungsbedingungen standhalten kann. Auch müssen oft Rolltore in die Wetterschutzkonstruktion integriert werden. Daher handelt es sich fast immer um kundenspezifische Lösungen.
Darüber hinaus realisieren wir mit unseren Kunden Projekte, in denen nicht nur vor der Witterung geschützt wird, sondern in denen auch die Temperatur im Ladungsraum kontrolliert und geregelt ist. Im Sommer wie im Winter verfügen die Fahrzeuge über eine immer gleiche, geregelte Temperatur im Fahrzeug. Das ist insbesondere beim Transport von Lebensmitteln und Pharmaprodukten eine wesentliche Anforderung.
Wie lösen Sie das Problem unterschiedlicher Navigations- und Lokalisations-Systeme beim Wechsel zwischen Indoor und Outdoor?
Kretschmer: Das ist keine tatsächliche Herausforderung. In der Regel kann das Outdoor-Navigationssystem genauso gut im Indoor-Bereich eingesetzt werden. Aktuell nutzen wir hier ein flexibles RFID-Navigationssystem, bei dem die Fahrzeuge über kleine, im Boden eingebrachte RFID-Tags ihren Fahrkurs und Standort erkennen können.
Dieses System ist sehr flexibel und erinnert an die im Indoor-Bereich eingesetzte Magnetnavigation. Allerdings gibt es noch keine freien Navigationssystem, die zum Beispiel auf Laser- oder Konturennavigation basieren. Hier sind noch weitere Entwicklungsschritte erforderlich. Auch GPS-Systeme bieten noch nicht die erforderliche Genauigkeit, um Lastübergaben im Millimeter-Bereich sicher zu gewährleisten.
Gibt es beim Outdoor-Einsatz prinzipiell andere Regeln hinsichtlich Personenschutzes oder anderer Sicherheitsfeatures?
Kretschmer: Nein, die sind für den Indoor- und den Outdoor-Bereich gleich. Die Fahrzeuge müssen, sofern sie nicht in abgetrennten Sicherheitsbereichen eingesetzt werden, Personen sicher erkennen können. Dazu haben wir in der Vergangenheit taktile Schaumstoff-Bumper eingesetzt, da diese witterungsbeständig ausgeführt werden können.
Seit einigen Jahren ist auch ein Sick Outdoor-Scanner am Markt verfügbar. Durch diesen Scanner können wir unsere Fahrzeuge mit einem berührungslosen Personen- und Hinderniserkennungssystem ausrüsten, ähnlich dem, das aus dem Indoor-Bereich bekannt ist. Neben dem berührungslosen Stoppen vor Hindernissen und Personen bieten die Scanner den Vorteil, dass die Fahrzeuge mit einem dynamischen Schutzfeld auch schneller fahren können und somit eine höhere Transportleistung erbringen.
Ich habe den Eindruck, dass beim Indoor-Einsatz von FTS psychologische Vorbehalte weitgehend überwunden sind. Kann es sein, dass die „im Hof“ noch eher bestehen?
Kretschmer: Unsere Erfahrung zeigt, dass Vorbehalte, sofern sie bestehen, gleichermaßen dem Innen- wie Außeneinsatz von FTS entgegengebracht werden. Heutzutage ist das geschulte Personal unserer Kunden schnell mit Automatisierungen und auch fahrerlosen Transportsystemen vertraut. Die Besonderheit im Outdoorbereich ist, dass wir auch innerbetriebliche Straßen kreuzen, auf denen sonstige Transporte per Lkw, Pkw oder Gabelstapler erfolgen.
Gerade bei diesen Schnittstellen sind immer wieder besondere Maßnahmen erforderlich, denn externe Lkw-Fahrer sind oft nicht auf den Einsatz eines automatischen Transportsystem eingewiesen worden. Hierzu werden dann Ampelanlagen oder Schranken auf den Straßen vorgesehenen, welche die Vorfahrtsregelung mit den automatischen Transportsystem regeln – und damit sind alle Verkehrsteilnehmer vertraut.
Ist fortgeschrittene Digitalisierung des Kundenunternehmens Voraussetzung für den Einsatz von Outdoor-FTS? Ist das der Flaschenhals, der den Durchbruch verzögert?
Kretschmer: Outdoor-Systeme ersetzen häufig einfachere manuelle Transporte und verknüpfen verschiedene Bereiche. Dabei sind sie nicht so sehr in komplexe intralogistische Prozesse integriert. Nichtsdestotrotz ist auch hier die zentrale FTS-Leitsteuerung in die Kunden-IT zu integrieren und eine Kommunikationsstruktur auf Basis von WLAN und bald auch 5G aufzubauen. Und natürlich muss auch eine Transportauftragserzeugung umgesetzt werden sowie häufig auch eine Produktnachverfolgung.
Aber das sind keine besonderen technologischen Herausforderungen an die Digitalisierung. Wir befinden uns somit mit den Outdoor-Systemen in den normalen Anforderungen an die Digitalisierung der Kundenprozesse wie auch für den Indoor-Betrieb und bewerten die Kundendigitalisierung nicht als Flaschenhals.