Last Mile : So begegnet Österreich der Letzten Meile
Es ist nicht mehr die Goldgräberstimmung wie noch vor wenigen Jahren. Aber die Ausgangslage für Kurier-Express-Paketdienste (KEP) ist immer noch günstig. Online-Handel und E-Commerce wachsen weiterhin. 2018 wurden im B2C und C2C knapp 138 Millionen Pakete in Österreich zugestellt (das entspricht einem Plus von knapp 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Dennoch: Geld verdienen ist in der Branche nicht einfacher geworden. Während die Ansprüche der Kunden steigen – Stichwort: Abendzustellung, Anlieferzeitfenster, Live-Tracking – fehlt es vielfach an Personal und Logistikflächen. Online-Giganten wie Amazon verschärfen mit eigenen Zustellern den Verdrängungswettbewerb. Dazu kommt, dass viele Städte – unter dem Eindruck von Umweltschäden, Klimakrise und wachsendem Kfz-Verkehr – Maßnahmen wie Citymaut, Umweltzonen oder Diesel-Fahrverbote überlegen.
Kein Wunder also, dass die KEP-Unternehmen ständig darüber nachdenken, wie die Prozesse kostengünstiger und effizienter gestaltet werden können.
Hier fünf zukunftsträchtige Maßnahmen im Überblick.
1. Alternative Antriebssysteme
Nach wie vor kommen in Lieferwägen von KEP-Unternehmen vor allem Verbrennungsmotoren zum Einsatz. Immer häufiger jedoch greift man auf alternative Antriebssysteme zurück: Neben Elektro-Vans sind es kleine Elektrofahrzeuge, vor allem E-Transporträder, denen das größte Potenzial zugesprochen wird. Deren Vorteile (abgesehen von besserer Umweltverträglichkeit): Flottere Zustellung trotz Stau und Parkplatzmangel sowie günstige Betriebskosten. „Im urbanen Kontext haben E-Lastenräder Vorteile gegenüber anderen Verkehrsmitteln“, meint Sebastian Kummer, Vorstand am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU): „Die Akzeptanz ist bei den Kunden sehr groß, und sie lösen das Parkplatzproblem.“
Inzwischen experimentieren die meisten KEPs mit alternativen Antrieben. Und immer häufiger tauchen die neuartigen Vehikel auch im regulären Einsatz auf. Die Deutsche Post DHL hat bereits 10.000 ihrer „Streetscooter“ im Einsatz: Damit ist in Deutschland bereits jeder fünfte DHL-Transporter elektrifiziert.
US-Paket-Riese UPS nutzt in Europa laut eigenen Angaben bereits 200 elektrische Zustellfahrzeuge – überwiegend 7,5-Tonner, die von Diesel- auf E-Antrieb umgebaut wurden. Mit dem systematischen Einsatz von Lastenfahrrädern begann UPS bereits 2012 in Hamburg. Inzwischen sind sie in mehr als dreißig Städten weltweit unterwegs, heißt es auf Anfrage. In Wien fahren für UPS elf E-Cargobikes in verschiedenen Bezirken sowie im AKH.
Wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Auftrag des deutschen Bundesverkehrsministerium darlegt, sind die Potenziale alternativer Antriebssysteme gewaltig: Zumindest 23 Prozent des gesamten Wirtschaftsverkehrs könnten demnach auf E-Cargobikes verlagert werden. Im urbanen Raum ist das Potenzial noch höher.
2. Microhubs
Unverzichtbar für die Verwendung von Pedelecs und sonstigen Klein-Vehikeln: Micro- oder City-Hubs – also dezentrale Verteilzentren. „Innenstadtnahe Depots werden immer bedeutender“, bestätigt Axel Spörl, General Manager bei GLS Austria: „Sie optimieren Zustellprozesse, verkürzen Transportwege und gleichen die geringeren Reichweiten der Elektrofahrzeuge aus.“
GLS kombiniert E-Bikes und Microhubs in der Grazer Innenstadt. Konkurrent DPD ist in Österreich seit zwei Jahren mit drei City-Hubs vertreten: in der Seestadt Aspern in Wien, in Linz sowie in Salzburg, wobei in Linz mit Elektro-Vans zugestellt wird. Die Österreichische Post wiederum betreibt in Wien-Landstraße ein Pilotprojekt mitMikrohub und Cargobike-Lösung.
3. Kooperative Hubs
Teure Innenstadtlagen und begrenzter Platz sind Herausforderungen bei der Einrichtung von Micro-Hubs in Ballungsräumen. Eine Lösung könnten kooperative Ansätze darstellen, bei denen sich die KEP-Unternehmen Umschlagplätze teilen.
Aktuelles Beispiel dafür ist das Projekt „GrazLog“, das gerade unter der Leitung des Austrian Institute of Technology zusammen mit Stadt Graz, TU Graz und Verkehrsministerium verwirklicht wird. Ende 2020 soll GrazLog den Regelbetrieb aufnehmen. Der Umschlagplatz wird von einem unabhängigen Betreiber verwaltet, der auch die Touren koordiniert.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Hafen Wien mit seiner neuen Güterumschlagstelle „Hubert“. Waren werden vorübergehend in einem Gewerbe-Areal zwischengelagert, um dann gebündelt mit Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen der Wiener Lokalbahnen an B2B-Empfänger zugestellt zu werden.
Nachteile der kooperativen Hubs. Es entsteht die Notwendigkeit, die Pakete ein zweites Mal umzuschlagen. Und: die Paketdienste sind nicht unbedingt daran interessiert. DPD-Geschäftsführer Rainer Schwarz erklärt: „Die letzte Meile ist die Schnittstelle zum Endkunden. Das ist etwas, das wir ungern abgeben“
4. Digitalisierung
Im dynamischen Markt der Paketzusteller liefert die Digitalisierung immer neue Möglichkeiten. Das beginnt damit, dass Sendungen automatisch gescannt und zugeteilt werden. Automatische Sortieranlagen bzw. autonom fahrende Wechselaufbaubrücken – wie im Umschlagzentrum der Post in Wien-Inzersdorf – beschleunigen die Paket-Logistik um ein Vielfaches. Auf der letzten Meile erhöhen Tourenplanung, Daten-Verknüpfung sowie die Abstimmung mit den Kunden die Effizienz. „Das größte Problem aus Sicht des Paketdienstleisters ist es, den Empfänger nicht anzutreffen“, weiß WU-Professor Kummer: „Das verursacht hohe Kosten und ist auch ökologisch nicht gut.“
Viele KEPs haben deshalb Plattformen entwickelt, die auf frühe Einbindung des Kunden setzen, der die Sendungen verfolgen und die Übergabe selbst steuern kann. Das alles hilft dabei, die Auslastung der Fahrzeuge zu optimieren, unnötige Fahrten zu vermeiden und schon beim ersten Versuch zuzustellen.
5. Paketboxen
Roboterautos, Paketdrohnen, mobile Zustelladressen: Utopische technische Möglichkeiten verstellen mitunter die Sicht auf die einfachen Lösungen. Dabei gibt es bewährte Systeme, die den Zustellprozess für KEPs wie Kunden vereinfachen: Postkästen zum Beispiel.
„Wir haben in jedem Haus einen Briefkasten, aber selten nur Boxen, um Pakete zu hinterlegen“, bringt es Professor Kummer auf den Punkt: „Dabei werden immer weniger Briefe, und immer mehr Pakete verschickt.“ Laut Kummer sollte der Einbau von Boxen gesetzlich vorgeschrieben werden. „Wenn solche Boxen in Wohnsiedlungen sinnvoll positioniert sind, ist das eine gute Lösung, die Wege spart.“
Die Zweckmäßigkeit von Boxen-Systemen ist unter KEP-Unternehmen unbestritten. Gestritten wird allerdings darüber, wer die Einrichtung der Boxen bezahlen und wer sie nutzen darf. Während DPD-Geschäftsführer Schwarz möchte, dass „Paketboxen für alle verwendbar werden, damit sie nicht nur einem Unternehmen nützen“, ist man bei der österreichischen Post zurückhaltender.
Laut Stefan Heiglauer, Paketlogistiker der Österreichischen Post, verfüge man bereits jetzt über 55.000 Fächer in Abholstationen und mehr als 41.000 Empfangsboxen in Haushalten: „So ermöglichen wir unseren Kunden, dass sie ihre Pakete am Wohnort bekommen, auch wenn niemand Zuhause ist.“
Fazit
In einer Sache sind sich die Paketzusteller einig, wenn es bei der Paket-Logistik zu gravierenden Veränderungen etwa bei Antriebstechnik oder Micro-Hubs kommen soll, wird es ohne passende Rahmenbedingungen nicht gehen. „Letztlich ist es eine Kostenfrage“, resümiert DPD-Geschäftsführer Schwarz: „Wir bereiten uns auf den Tag vor, an dem die Restriktionen in den Städten stärker werden. Dann gibt es für uns einen ökonomischen Grund, bestehende Alternativ-Konzepte weiter auszurollen.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf Industriemagazin.at
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