Logistikimmobilien : „Systemlösungen werden zum Standard“
dispo: Herr Vallaster, Sie setzen bei Logistikimmobilien auf Systembau. Kann man das mit Fertigteilhäusern vergleichen?
Georg Vallaster: Nicht ganz. Im privaten Bereich handelt es sich um Modulbauweise – man fertigt also im Prinzip ganze Zimmer und stellt sie auf der Baustelle nur noch nebeneinander. Systembau bedeutet, dass man möglichst alle einzelnen Elemente eines Gebäudes systematisiert, als Bauteile in der Fabrik fertigt und auf der Baustelle montiert. Und zwar nach den individuellen Anforderungen des Kunden. Unter dem Strich macht uns das wesentlich flexibler.
Und das ist zu hundert Prozent möglich?
Vallaster: Wenn sich der Kunde auf diese Systeme einlässt, erreichen wir nahezu die hundert Prozent. Es ist eigentlich nur eine Frage der Planung: Wenn Systembau von der ersten Minute an mitgedacht wird, kann man die Systeme im Prinzip ohne Einschränkung einsetzen.
Die klassische Schuhschachtel funktioniert doch auch ohne Systembau ganz gut.
Vallaster: Das stimmt schon, doch die wird immer seltener. Moderne Logistikimmobilien unterliegen ständig wechselnden und wachsenden Anforderungen. Die klassische Lagerhalle auf dem Hof der Transportfirma, in die eben etwas hinein gelagert wird, weicht zunehmend modernen Immobilien, die möglichst groß und stützenfrei sind, mit möglichst vielen Überladebrücken, mit ausgereiftem Sprinklerschutz und vielem mehr – und hier bieten Systemlösungen ganz einfach Zeit- und auch finanzielle Vorteile. Und werden damit immer mehr zum Standard.
Damit steigt aber auch die Individualisierung. Ist das nicht eine Einschränkung?
Vallaster: Nein, diese Systeme sind multifunktionell einsetzbar, das ist ganz einfach Spezialisierung. Natürlich müssen wir immer wieder Neues entwickeln. Das ist ein laufender Prozess, getriggert von Ökologisierung, von neuen Transportsystemen, auch von vollautomatischen Lösungen wie dem mannlosen Beladen von Lkw. Und da der Lkw ja immer noch die Basis des Transports ist, muss derzeit noch alles auf die Lkw-Lösung abgestimmt sein.
Ob wir Einzelanforderungen von Kunden letztlich standardisieren, hängt immer davon ab, ob man Ähnliches in Zukunft mehrfach wird einsetzen können. Und wir versuchen natürlich immer, um eine Einzelanforderung herum möglichst viele unserer Systembauteile zu verwenden.
Systembau klingt verdächtig nach IT. Woher nehmen Sie die entsprechenden Skills?
Vallaster: Unsere deutsche Mutterfirma hat zum Beispiel mehrere Mitarbeiter im Silicon Valley, die sitzen dort direkt neben den großen Playern der IT-Branche. Sie können sich vorstellen, dass hier entsprechende Entwicklungen sehr früh aufgenommen werden. Wir haben etwa sämtliche Bauleiter mit Tablets ausgestattet, damit sie interaktiv mit BIM 360 arbeiten können.
BIM hat wohl sehr viele Entwicklungen befruchtet?
Vallaster: Das kann man wohl sagen. Zudem haben wir ja den Vorteil, im geschlossenen BIM zu arbeiten. Wir können also die für uns ideale Lösung ausarbeiten und sehr schnell umsetzen, da wir keine Rücksicht auf andere Player nehmen müssen. Das gibt uns eine viel höhere Geschwindigkeit in der Entwicklung.
Das klassische Bild des Bauleiters beinhaltet ja interessanterweise immer noch kein Tablet. Ich nehme an, Ihre Teams verändern sich?
Vallaster: Das tun sie in der Tat. Mir ist wichtig zu betonen: Der klassische Bauleiter, der in Gummistiefeln auf der Baustelle steht und das komplette handwerkliche Know-how hat, bleibt enorm wichtig. Er bekommt aber zunehmend Kollegen mit Tablet und IT-Know-how. Die tragen übrigens ebenfalls Gummistiefel. Wir brauchen ganz einfach beide.
Und die beiden sind immer kompatibel?
Vallaster: Zugegeben nicht immer ganz problemlos, das sind ja oft völlig verschiedene Menschentypen. Letztlich verändert sich die gesamte Arbeitsweise: Die klassische Baubesprechung etwa lässt nach, stattdessen gibt es mehr Chats und virtuelle Meetings. Die Covid19-Krise hat das natürlich massiv beschleunigt. Unsere Mitarbeiter müssen neben dem fachlichen Know-how auch selbstverständlich mit der IT umgehen. Diese Entwicklung zu steuern, ist nicht immer ganz einfach.
Sie finden die Leute, die Sie benötigen?
Vallaster: Bei weitem nicht in ausreichender Zahl. ‚Am Bau‘ zu arbeiten, klingt immer noch etwas altmodisch, obwohl es das überhaupt nicht mehr ist. Deshalb kooperieren wir mit Universitäten und anderen Hochschulen und zeigen auf, was wir tun. Außerdem loben immer wieder Stipendien aus und kommen über diese Schiene auch an sehr gute Mitarbeiter. Aber es ist ein langwieriger Prozess. Daher haben wir ja auch den Goldbeck Campus, wo wir unsere Mitarbeiter gezielt auf unsere Anforderungen hin weiterbilden können.
Wie reagieren denn die Architekten auf den Systembau-Ansatz? Goldbeck Rhomberg steht ja auch für die Kombination von Logistik und Architektur – entsteht hier nicht ein Widerspruch?
Vallaster: Der entsteht keineswegs. Wenn Architekten die Bedingungen des Systembaus bereits im Entwurf berücksichtigen, gibt es keinerlei Einschränkungen. Wer die Systeme nicht kennt, wird seine Gedanken aber auch nicht im System umsetzen können. Daher ist es wichtig, das Gebäude vom ersten Strich weg im System zu entwerfen – und dann kann auch sehr hochwertige Architektur entstehen. Die Sorge, Systembau schränke die Kreativität ein, haben nur jene Architekten, die sich mit dem System nicht auseinandersetzen wollen.
Ihre Branche steht auch unter dem Druck gestiegener Anforderungen an Nachhaltigkeit. Ist Systembau nachhaltiger?
Vallaster: Ja, und zwar belegbar. Vor allem können wir damit Verschwendung fast auf Null minimieren. Waren Sie schon einmal auf einer Baustelle?
Ja.
Vallaster: Dann haben Sie bestimmt gesehen, dass in fast jeder Ecke ein Kubikmeter Beton herumliegt, der am Ende des Betonierens eben übrig blieb. Indem wir Beton-Fertigteile im Werk produzieren, optimieren wir den Materialeinsatz. Und das bedeutet immer auch optimierten Energieeinsatz. Hinzu kommt die Betrachtung des Lebenszyklus: Wir arbeiten etwa im Dachtragwerk immer mit einem leichten Stahlfachwerk, und Stahl kann bekanntlich mehrmals zu 100 Prozent rezykliert werden.
Nicht zuletzt verändert Systembau auch die Arbeitsbedingungen, Systematisierung optimiert den Arbeitsalltag. Und da rund 80 Prozent der Produktion in der Halle geschehen, müssen unsere Mitarbeiter viel weniger Zeit bei widrigen Bedingungen im Freien verbringen.
Und was bringt Systembau den Auftraggebern?
Vallaster: Vor allem entfällt die Unsicherheit, was sie am Ende eigentlich bekommen. Sie haben deutlich höhere Kostensicherheit, und beide Seiten sparen Zeit. Da wir selbst Kosten einsparen, können wir einen Teil davon natürlich an unsere Kunden weitergeben.
Ich höre seit Jahren, dass jetzt aber wirklich bald eine völlig neue City-Logistik entstehen wird. Mit Midi-Hubs und Mini-Hubs und emissionsfreier Feinverteilung. Ist das in Ihrem Systembau-Konzept abgebildet?
Vallaster: Das passiert tatsächlich nicht in dem Tempo und dem Ausmaß, wie es immer wieder angekündigt wird. Die Bedingungen in den Städten sind aber auch nicht ganz einfach – vor allem, was Flächen und ihre Preise betrifft.
Im Prinzip ist Systembau aber unabhängig von der Größe, es geht ja um die Systematisierung des Details. Wir haben Lösungen für diese neue City-Logistik, wir stehen hier Gewehr bei Fuß. Ich glaube tatsächlich, dass der Schritt in die Stadt der nächste sein wird, aber noch sind es eher einzelne Projekte. Für die Österreichische Post zum Beispiel haben wir bereits klassische Paketverteilzentren in Systembauweise umgesetzt. Im Moment kümmert man sich allerdings immer noch in erster Linie um das große Verteilzentrum vor der Stadt.