Recruiting : Warum Employer Branding mit der Sicht nach innen beginnt
Das Ergebnis der Befragung war einigermaßen überraschend. Eine Fastfood-Kette wollte wissen, warum sich potenzielle Bewerber für das Unternehmen interessierten – oder eben nicht. Dabei ging es um qualifizierte Jobs: in der Administration, im Controlling, im Marketing oder der IT. Die Antworten waren nicht die angenehmsten: Viele geeignete Bewerber hielten Abstand. „Wir haben herausgefunden, dass das extrem strukturierte Arbeiten in der Systemgastronomie das Bild auslöst, in der Konzernzentrale laufe es ab wie in der Filiale: mit null Freiheitsgraden“, erzählt Herbert Kling.
Kling ist Gründer des Meinungsforschungsinstituts meinungsraum.at und konzentriert sich unter dem Label brandscore.at auf das Thema, mit dem er sich seit vielen Jahren beschäftigt: Employer Branding. Das Image einer Branche, sagt Kling, entsteht vor allem durch die Eindrücke, die man als Konsument, als Kunde oder Lieferant von ihr erhält – und das spricht nicht gerade für die Logistik. Wer abgehetzte Paketboten sieht oder sich über Lkw in der Stadt ärgert, dessen Eindrücke werden zumindest unbewusst auf die Branche an sich abfärben.
Sinn schlägt Geld
Und der Druck ist drastisch gestiegen. Ohnehin schon vom mauen Image der Branche betroffen, zwingen Fahrer- und Facharbeitermangel verstärkt auch die Unternehmen, über ihr eigenes Image nachzudenken. Geld alleine wird es nicht richten, sagt Herbert Kling. Umfragen ergeben klar, dass der Verdienst zwar wichtig, aber nicht entscheidend ist: „Für die Arbeitnehmer steht die Sinnerfüllung im Vordergrund. Sie wollen wissen, wie sich ihre Tätigkeit auf das Unternehmen auswirkt. Und sie wollen die Unternehmensstrategie kennen. Vor allem dieser Punkt wird von den meisten Firmen unterschätzt.“
Wie sehr, zeigen entsprechende Erhebungen unisono. „Die Zahlen sind schlimm“, sagt Herbert Kling: Rund ein Drittel der Mitarbeiter quer über alle Branchen arbeitet im Zustand der inneren Kündigung. Rund 15 Prozent schreiben im Job aktiv Bewerbungen. Nur weitere rund 15 Prozent können als tatsächlich hoch motiviert beschrieben werden. Und natürlich gibt es Unternehmen, in denen es noch weitaus schlimmer aussieht. Ein gefährlicher Zustand: Die Mundpropaganda bestehender Mitarbeiter ist eine der wichtigsten Quellen für das Image eines Unternehmens. Sei es über diverse Bewertungsportale, sei es ganz analog über Gespräche.
Meinungsforscher Herbert kling kann das natürlich mit Zahlen belegen: 51 Prozent der Menschen, die einen Job suchen, nutzen dafür Kontakte zu Freunden, Verwandten, Bekannten oder Branchenkollegen. Gleichzeitig empfinden 48 Prozent die üblichen Stellenanzeigen als nur durchschnittlich oder sogar wenig verständlich.
Von Mitarbeitern lernen
Der Weg zum erfolgreichen Employer Branding führt für Herbert Kling daher über die bestehenden Mitarbeiter. Konkret über anonymisierte Mitarbeiter-Befragung. Ein logischer erster Schritt, geht man davon aus, dass Employer Branding einen fundamentalen Unterschied zu Marketing oder Werbung aufweist: Gehören hier Übertreibungen und geschönte Bilder bis zu einem gewissen Grad zum Spiel, funktioniert Employer Branding nur auf der Basis von Ehrlichkeit. Unternehmen, die sich falsch darstellen, werden neue Mitarbeiter schnell wieder los, falls sie sie überhaupt bekommen.
Von den bestehenden Mitarbeitern kann man jedenfalls viel für das Recruiting lernen, sagt Herbert Kling: Sehen sie einen Sinn in ihrer Arbeit? Kennen sie die Unternehmensstrategie? Gibt es Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und damit berufliche Perspektiven? Würden sie die Firma als Arbeitgeber empfehlen? Und wenn nicht: warum nicht? Die Ehrlichkeit im Employer Branding beginnt für Kling also mit der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. „Im Wettbewerb um Arbeitskräfte werden die gewinnen, die sich trauen, sich selbst anzusehen.“ Dass die Antworten der Mitarbeiter nicht immer erfreulich sein werden, muss in Kauf genommen werden. Aber sie werden die wesentlichen Fragen beantworten: Was ist in meinem Unternehmen eigentlich los? Was motiviert oder demotiviert meine Mitarbeiter?
„Wen mache ich glücklich?“
Ein Hebel der Motivation ist für Herbert Kling etwa, die Mitarbeiter in ihren jeweiligen Lebensphasen wahrzunehmen. „Das können ganz banale Dinge wie günstigere Windeln für junge Eltern oder die kostenlose Autowäsche für Sportwagenbesitzer sein. Wenn ich weiß, wo ich die Menschen berühren kann, weiß ich auch, wie ich sie binden kann.“ Ein spezifisch österreichisches Problem ist die vergleichsweise geringe Mobilität – wozu auch die Unlust gehört, die unsichtbaren Bundesländergrenzen zu überschreiten. Auch hier können sich Unternehmen Angebote überlegen. Etwa, den Arbeitsweg als Arbeitszeit anzuerkennen oder die Netzkarte zu bezahlen.
„Die Wünsche und die Motivationslage der Mitarbeiter zu eruieren, zeigt, welche Persönlichkeitstypen ich im Unternehmen habe und welche ich glücklich oder unglücklich mache“, sagt Herbert Kling. „Und genau das kann ich für das Recruiting einsetzen: Wie kann ich Menschen dieses Typs ansprechen, und wo erreiche ich sie?“
Abenteuer Job(suche)
Für Employer Branding gibt es mittlerweile auch eine Reihe origineller Apps und Online-Tools. Herbert Kling arbeitet etwa mit MyJobAdventure.com, einem Recruiting- und Employer-Branding-Tool der niederösterreichischen Life Creator Consulting. MyJobAdventure.com macht den Recruiting-Prozess zu einem interaktiven Kennenlern-Prozess via Mobiltelefon. Über das von der Create21st century produzierte Online-Lernerlebnis erfährt sich der potenzielle Bewerber in einer typischen Arbeitssituation, wie sie im Umfeld des Unternehmens tatsächlich vorkommt. Mehrere Antwort-Möglichkeiten entscheiden darüber, wie sich die Situation weiterentwickelt. Interessenten lernen so typische Job-Situationen kennen und bekommen spielerisch ein Gefühl dafür, wie viel an Know-how und Erfahrung sie für den jeweiligen Job mitbringen. MyJobAdventure.com wird an die Arbeitswelt des jeweiligen Unternehmens angepasst und individuell produziert.