City-Logistik : Warum Lastenfahrrädern die Zukunft gehört
Natürlich gab es zu Beginn auch Häme. Als die ersten Post- und KEP-Dienste vor Jahren begannen, Überlegungen zum Einsatz von Lastenfahrrädern auf der Letzten Meile anzustellen, empfanden das manche eher als Witz denn als Innovation. Von Vorsintflutlichkeit war die Rede und von Ausbeutung der Mitarbeiter.
Dass dies heute anders aussieht, hat viel mit gesellschaftlichen Umbrüchen zu tun. „Die Grundeinstellung der Menschen hat sich in den letzten Jahren stark verändert“, sagt Michael Viehböck, Sprecher von DHL Express Österreich. „Es gab und gibt weiterhin einen Umbruch, der sich auch immer stärker in gesetzlichen Vorgaben niederschlägt.“ Unternehmen sähen sich daher sowohl gesellschaftlich aufgefordert als auch überzeugt davon, in diese Richtung aktiv werden zu müssen. „Natürlich ist uns allen klar, dass die Logistikbranche einen hohen Anteil am CO2-Ausstoß hat. Hier Verantwortung zu übernehmen, ist unser Anspruch.“
180 Kilogramm Last
Velove Bikes AB wurde 2015 im schwedischen Göteborg gegründet und baut Lastenfahrräder sowohl für die City-Logistik als auch den Individualverkehr. Die Fahrzeuge sind prinzipiell handgefertigt und tailormade – und nur noch mit respektablen Vorlaufzeiten zu bekommen. „Wir hatten das Glück, vier davon zu bekommen“, sagt Michael Viehböck. Mit klassischen Fahrrädern haben die Velove-Geräte hinsichtlich Ergonomie, Design und Technik nicht mehr viel zu tun. Unterstützt von einem potenten Elektroantrieb, können die Fahrer damit problemlos Lasten bis zu 180 Kilogramm transportieren. Vier der Geräte sind derzeit für DHL in Wien unterwegs. Zwei Fahrräder ersetzen dabei ungefähr die Ladung eines Transporters, laut DHL werden alleine durch den Betrieb der vier Lastenfahrräder jährlich 30 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart.
Kein Stau, kein Lärm ...
Dass Lastenfahrräder ausschließlich im urbanen Raum spannend sind, liegt auf der Hand. Dort jedoch dürfte ihre Bedeutung steigen. Der gesetzliche Druck auf die City-Logistik steigt, die Diskussionen über Dieselfahrverbote weisen immer deutlicher in diese Richtung. Lastenfahrräder entgehen der Diskussion: Sie sind deutlich flexibler einsetzbar als Lkw, dürfen auf Radwegen fahren, entgehen damit größtenteils Staus – gerade im Expressbereich ein wichtiger Punkt – und helfen auch mit, ein Problem zu verringern, das immer mehr in den ökologischen Fokus gerät: Lärmverschmutzung.
Gleichzeitig wird ihr Einsatz vom Trend getragen, die City-Logistik immer dezentraler zu organisieren. Für den Nachlauf der damit entstehenden Microhubs reicht ihre Kapazität völlig. Auch der vor kurzem in Wien eröffnete Flagship-Store von DHL wird im Nachlauf von Lastenfahrrädern bedient. Nicht zuletzt, sagt Michael Viehböck, bieten die E-Bikes auch ein starkes Mittel der Diversifizierung von KEP-Diensten.
... und kein Weg zurück
Wie andere Post- und KEP-Dienste auch, hat sich die Deutsche Post DHL den Rückweg ohnehin längst verbaut: indem sie sich öffentlich zu konkreten Zielen verpflichtet hat. Bei DHL ist es die „Mission 2050“, das Commitment, bis dahin sämtlich Emissionen als Folge der Logistik auf Null zu schrauben.
Konkret heißt das: Schon bis 2025 will DHL die Kohlenstoffeffizienz um 50 Prozent im Vergleich zu 2007 erhöhen. 70 Prozent der First- und Last-Mile-Services sollen bis dahin durch saubere Lösungen wie Fahrräder oder Elektrofahrzeuge erledigt werden. Und nicht zuletzt will das Unternehmen bis 2025 mindestens 80 Prozent der Mitarbeiter als GoGreen-Experten zertifizieren sowie Partnerschaften für das Pflanzen von einer Million Bäume pro Jahr schließen. Nebenbei bekennt sich der Konzern als erstes Logistikunternehmen überhaupt zum Parisser Klimaabkommen und zum Ziel, die Erderwärmung auf weniger als 2 °C zu begrenzen..
Dass Lastenfahrräder in diesen Überlegungen immer nur Teil der Lösung sein können, ist unbestritten. Die Dimension der E-Mobilität im Automobilbereich werden sie nicht erreichen: wie der Streetscooter etwa, den die Deutsche Post zuletzt so erfolgreich verkaufen konnte, dass sie eine zweite Fertigung eröffnen musste. Verschwinden werden sie allerdings auch nicht mehr, sagt Michael Viehböck. „Und zwar nicht, weil wir uns das einbilden, sondern weil der Markt das Umweltproblem in diesem Sinne regeln wird.“ Der nächste konkrete Schritt: Demnächst will DHL die Fahrzeuge in allen österreichischen Landeshauptstädten einsetzen. Zeit also, sich an ihren Anblick zu gewöhnen.