Interview : Was hat Architektur in der Logistik verloren?
dispo: Herr Vallaster, wieso legt ein industrieller Systembauer Wert auf Architektur?
Georg Vallaster: Es sind vor allem die Kunden, die darauf Wert legen.
Ernsthaft?
Vallaster: Ja, die wollen gute Architektur. Unterschätzen Sie die Kunden nicht! Natürlich baue ich auch selbst lieber etwas architektonisch Hochwertiges als die klassische Schuhschachtel, aber der Druck kommt vor allem von außen. Wir halten uns ja zugute, dass wir bei Goldbeck Rhomberg von der Planung über sämtliche Ingenieurleistungen bis zu Produktion und Montage alles im eigenen Haus haben – aber ohne Architektur kommen wir gar nicht bis zum Auftrag, können wir das alles nicht einsetzen. Begonnen hat dieser Fokus übrigens eindeutig in Vorarlberg, wohl auch, weil dort viele renommierte Architekten arbeiten. Wenn man dann als Baufirma mitplanen will, muss man sich auch der Qualität stellen.
Hat das auch – sorry – mit calvinistischer Ethik und alemannischem Bestemm zu tun?
Vallaster: Damit kann ich schon etwas anfangen. Eine gewisse Hartnäckigkeit steckt wohl dahinter. Übrigens auch nach innen: Eine solche Ausrichtung können Sie nicht von heute auf morgen etablieren. Dafür brauchen Sie die richtigen Mitarbeiter, Sie müssen die Architekten anstellen, Architektur im Unternehmen als Wert platzieren. Und am Ende des Tages müssen sie Geld damit verdienen. Der Weg dorthin war durchaus auch anstrengend. Geholfen haben die Inputs durch neue Mitarbeiter. Und, dass wir deren Freiheit immer zugelassen haben.
Sie arbeiten nur mit eigenen Architekten?
Vallaster: Nein, wir arbeiten je nach Kundenwunsch auch mit externen. Wichtig ist allerdings, dass die sich auf uns einlassen. Ich kann die Vorteile unserer Systembauweise nur generieren, wenn ich diese Bauweise auch zulasse. Es gibt Architekten, die sich damit schwerer tun, und es gibt solche, die das sehr gut vereinbaren können. Und das hat nichts mit der Qualität der Architektur zu tun.
Wie schwierig ist es eigentlich, sich mit Kunden auf die Architektur zu einigen?
Vallaster: Da erlebt man die komplette Bandbreite. Wenn die zündende Idee schnell kommt, kann der Prozess ganz kurz sein. Länger dauert es vor allem, wenn der Kunde den eigenen Bedarf nicht wirklich kennt, was gar nicht so selten ist. Dann muss man den Bedarf gemeinsam schärfen. So kann es passieren, dass man den bereits zehn Mal abgeänderten Erstentwurf in den Mistkübel werfen und zugeben muss, dass man ganz am Beginn steht. Das muss man wirklich lernen: die eigenen Gedanken zu löschen, auch wenn man sie schon liebgewonnen hat.
Ist gute Architektur im Systembau teurer?
Vallaster: Nicht grundsätzlich. Mehrkosten entstehen beim Einsatz besserer Materialien, aber das gilt auch für schlechte Architektur. In erster Linie geht es um eine gute Idee, nicht um Geld. Und auch bei den Materialien kann man oft mit einem kleinen Prozentsatz an der Gesamtinvestition sehr viel bewegen.
Gibt es Branchen, die auf das Thema Architektur eher anspringen als andere?
Vallaster: Sie können nur dann gute Architektur entwickeln, wenn Sie die Funktionalität des Gebäudes wirklich verstanden haben. Je mehr Know-how man also in einer Branche hat, desto eher wird man auch weitere Aufträge aus dieser Branche bekommen. Im Bereich Kunststoff-Spritzguss haben wir zum Beispiel schon so viel gebaut, dass wir ganz genau wissen, was diese Kunden benötigen. Ich würde es also nicht von der Branche abhängig machen, sondern von der Frage, wie tief Sie in deren Themen vorgedrungen sind.
Das Gleiche gilt für die Unternehmensgröße: Wir bauen sehr viel für Mittelständler, wo wir direkt mit den Eigentümern sprechen. Meist ist es übrigens der Seniorchef, der nicht mehr operativ tätig ist, sich aber um den Neubau kümmert, damit die Jungen das operative Geschäft führen können. Das ist meist eine extrem angenehme Zusammenarbeit, weil diese Menschen ihre Branche sehr tief kennen und gleichzeitig einen hohen Anspruch haben. Die bauen, als ginge es um ihr Eigenheim. Wenn Sie hier das Vertrauen gewinnen, können Sie richtig tolle Projekte umsetzen. Andererseits bauen wir auch viel für weltweit tätige Logistik-Investoren. Da gibt es ‚Stammkunden‘, die Goldbeck über ganz Europa begleitet. Für die baue ich genauso gern, aber es ist eben ganz anders.
Erleben Sie auch Kunden, denen das Aussehen des Gebäudes egal ist?
Vallaster: Ja, manchen ist es komplett egal. Das korreliert oft mit der Anforderung an das Gebäude: Wenn es nur darum geht, dass der Inhalt nicht nass werden soll, ist das Aussehen auch oft kein Thema.
Wie sehr bestimmt die Funktion des Gebäudes ihr Äußeres?
Vallaster: Natürlich muss man auf die unterschiedlichen Nutzungen eingehen. Man kann die Funktion sichtbar machen, man kann auch die Konstruktion sichtbar machen. Vor allem bei Produktionshallen ist das äußerst spannend. Am schwierigsten ist es für uns, wenn wir die Nutzung nicht kennen, weil wir für einen Finanzinvestor bauen, der das Gebäude vermietet. Dann müssen wir so multifunktional planen, dass der Investor möglichst viele Nutzer ansprechen kann. Diese Drittverwertung ist derzeit ein deutlich spürbarer Trend.
Glauben Sie eigentlich, dass architektonisch interessante Logistikgebäude das Image der Logistik heben können?
Vallaster: Da will ich unseren Einfluss nicht überschätzen. Widerstand regt sich ja meist nicht gegen die Gebäude selbst, sondern gegen den Verkehr, den ihre Errichtung nach sich zieht. So ist das eben: Jeder braucht Logistik, aber keiner will sie. Die Widerstände sind im Umland von Wien übrigens deutlich geringer als etwa in Tirol oder Vorarlberg. Auch als Planer bekommt man seinen Teil davon ab. Bauverhandlungen für Logistikimmobilien sind nicht immer angenehm. Da habe ich wirklich schon alles erlebt, das wird manchmal komplett emotional, bis hin zu den übelsten Beschimpfungen.
Aber es stimmt schon: Logistik-Anlagen benötigen die Akzeptanz der Behörden, der Raumplanung und der Anrainer – und da kann man mit guter Architektur durchaus manchmal etwas bewegen. Die Art der Architektur – und die geht ja weit über das Aussehen hinaus – hat hier schon Einfluss. Es geht ja auch um die Lage des Geländes, die Verkehrserschließung, die Relation zu den Wohngebieten. Extrem wichtig ist, die Bevölkerung einzubinden, es zu präsentieren, zu erklären. Und die Menschen nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Nur so ist es möglich, manchmal auch Wünsche der Bevölkerung zu erfüllen. Immer stärker geraten übrigens auch die Wünsche der Mitarbeiter in den Fokus.
Sie reden vom Facharbeitermangel?
Vallaster: Ja, jeder kämpft heute um Mitarbeiter. Das geht uns selbst nicht anders als unseren Kunden. Damit rückt die Qualität des Arbeitsplatzes immer mehr in den Mittelpunkt. Wir führen derzeit mit einigen Kunden genau diese Diskussion: Die investieren in Gebäudequalität, um Mitarbeiter zu gewinnen. Das ist ein wirklich großes Thema.
Müssen Sie auch Kunden ablehnen, weil Ihre Vorstellungen zu weit auseinanderliegen?
Vallaster: Wenn es so ist, zerschlägt sich das Projekt immer sehr schnell. Wenn man plant, muss einem der Kunde auch vertrauen – und umgekehrt. Stimmt die Chemie nicht, funktioniert es nicht. Was wir machen, ist hoch emotional, auch wenn es ‚nur‘ um Industrie geht. Wir verkaufen Emotionen.