Schienengüterverkehr : Wie Konsumgüter auf der Schiene transportiert werden
Erwin Ferstl, Segmentmanager, und Rene Wohlmuth, Sales-Experte bei der Rail Cargo Group (RCG), haben vor kurzem die Branche der Konsumgüter als eine dynamische und herausfordernde Branche beschrieben, die ständige Anpassung und innovative Lösungen erfordere.
Denn Konsumgüter umfassen eine breite Palette von Produkten – von Getränken und verpackten Lebensmitteln bis hin zu Non-Food-Artikeln wie Möbeln und Elektronik. Die Rail Cargo Group transportiert im Grunde alles, was man im Supermarkt finden kann, einschließlich Weiß- und Braunware wie Kühlschränke, Waschmaschinen und Hi-Fi-Geräte, aber auch Möbel oder Tiernahrung.
Dabei seien die Anforderungen beim Transport von Tiernahrung ebenso hoch wie bei verpackten Lebensmitteln: "Die Anforderungen bei der Tiernahrung sind gleich hoch wie bei der Gulaschsuppe in der Dose. Der Waggon darf zuvor keinen Abfall oder beispielsweise Düngemittel transportiert haben. Wenn doch, muss er speziell gereinigt werden. Aber das Equipment, mit dem wir fahren, ist eher typisch für Konsumgüter. Es ist Aufgabe der Kolleg:innen von der Disposition darauf zu schauen, dass die richtigen Waggons zur richtigen Zeit disponiert werden, erklärt Erwin Ferstl.
Im Lebensmittelbereich transportiere die RCG hauptsächlich Fertigware in Konserven oder Gläsern. Frische Lebensmittel wie Tomaten oder Milch sind auf der Schiene schwieriger zu transportieren, da dafür eine Kühlkette eingehalten werden muss und derzeit kein passendes Equipment vorhanden ist, ergänzt Rene Wohlmuth.
Herausforderungen im Konsumgütertransport
Die aktuelle wirtschaftliche Lage wirkt sich auf den Transport aus. Gestiegene Energiekosten, insbesondere hohe Strompreise, stellen eine besondere Herausforderung dar: "Während der Dieselpreis jetzt wieder sehr niedrig ist und auf einem Niveau vor Corona und dem Ukraine-Krieg, ist der Strompreis nach wie vor hoch", erklärt Wohlmuth. Dennoch punktet die Bahn in puncto Nachhaltigkeit. Und auch neues Equipment, das die RCG zu Jahresbeginn erhalten hat, komme bei den Kunden gut an.
Konkret handelt es sich dabei um Wechselaufbauten (WAB) mit 13,6 Metern Länge in Leichtbauweise. "Dadurch können wir sie schwerer beladen als das alte Equipment und auch schwerer als die Straße fahren: 27 statt 24 Tonnen. Gerade im Getränkesegment oder in der Nahrungsmittelbranche mit Konserven sind diese drei Tonnen Unterschied schon ausschlaggebend", so Ferstl.
Mit dem neuen Equipment entfalle auch das Umladen von Lkw auf Waggon, was das Risiko von Schäden reduziere. Das alte Equipment mit 15,5 Metern Länge wiederum bietet etwas mehr Kapazität; im Weißwarensegment können damit bis zu 30 Prozent mehr Volumen transportiert werden als mit einem Lkw.
Natürlich sei das Nachhaltigkeits-Argument ein Plus für die Schiene, das Thema werde auf Kundenseite immer wichtiger. Am Ende bleibe aber der Preis ausschlaggebend: "Viele Kunden sind bereit, etwas mehr zu zahlen, um CO2 zu sparen, aber die Preisdifferenz pro Transport darf nicht zu groß sein, insbesondere bei den Großkunden. Denn das würde sich sehr schnell zu hohen Summen aufsummieren."
Besondere Transporte über die Schiene
Ein bemerkenswerter beziehungsweise besonders spannender Transport fand 2020 statt, erinnern sich die RCG-Manager, als der Güterbahnbetreiber eine Anfrage vom Bundesministerium für Inneres erhielt, um 180 Wohn- und Sanitärcontainer für ein Flüchtlingsdorf von Leoben nach Sindos in Griechenland zu liefern.
Dabei zählen Wohncontainer ebenfalls zu Konsumgütern: "So sind sie laut NHM Nummer (Die NHM-Nummer ist eine standardisierte Kennziffer, die im internationalen Gütertransport zur Klassifikation von Waren verwendet wird, Anm.) klassifiziert", erklärt Wohlmuth. Dieser Transport sei wirklich herausfordernd gewesen, weil die Container nicht für den Bahntransport zertifiziert waren. "Das haben wir gelöst, indem wir sie in „Rübenwaggons“, also eigentlich als offene Waggons bekannt, verladen und gesichert haben. Da haben perfekt zwei hineingepasst. Bei diesem Transport mussten wir von A bis Z alles organisieren: Den Abbau – teils waren die Container noch am Wasser und Kanal angeschlossen, die Abholung mit dem Lkw und den Transport per Bahn. Hier hat sich wirklich die ganze Stärke unseres internationalen RCG-Teams gezeigt", blickt Wohlmuth zurück.
Die Zukunft der Konsumgüterlogistik
In den nächsten 15 Jahren werde die Logistik zunehmend multimodal werden, sind sich die RCG-Experten einig. Die Anforderungen an die Industrie steigen, und auch die RCG müsse sich kontinuierlich weiterentwickeln. "Auch die Elektromobilität wird eine größere Rolle spielen, daher suchen wir jetzt schon aktiv nach Partnern, die mit E-Lkw fahren. Auch temperaturgeführte Transporte sind ein Thema der Zukunft. Wir würden das gerne Mal gemeinsam mit Kunden aufsetzen und testen", so Ferstl abschließend.