Witron Logistik + Informatik GmbH : Wirtschaftliche und flexible Hochleistungslogistik

Das Verteilzentrum gilt als eine der größten und durchsatzstärksten Anlagen in Skandinavien. Zum Einsatz kommen die Logistiklösungen „Dynamic Picking System (DPS)“ für die Behälter- und „Car Picking System (CPS)“ für die Palettenkommissionierung. An einem Spitzentag können über eine Million Pickeinheiten kommissioniert werden.
In dem 53.000 m2 großen Logistikzentrum für „General Merchandise Products“ in Sipoo in der Nähe von Helsinki werden mehr als 300.000 verschiedene Artikel für die Belieferung von 1.200 Verkaufsstellen gelagert und filialgerecht kommissioniert. Das breite Sortiment umfasst unterschiedlichste Produktgruppen – von Kleidung, Kosmetik oder Sportartikeln über elektronische Geräte und DVDs bis hin zu Gartenartikeln sowie Möbeln. Bedingt durch Mode, Musikgeschmack oder Jahreszeit unterliegen die Artikel dabei einem permanenten und schnellen Wechsel. Einige hundert kommen im Schnitt jeden Tag hinzu, andere fallen wieder weg. Dies erfordert eine hochdynamische, leistungsfähige und vor allem sehr flexible logistische Struktur.
Flexibilität durch Automatisierung
Hintergrund für die Neuausrichtung der Logistik war die strategische Entscheidung von SOK, die Supply Chain im General-Merchandise-Bereich komplett neu zu strukturieren: Weg von den eher konventionell organisierten Lager- und Kommissionierprozessen mit einem hohen Cross-Docking-Anteil, hin zu einem möglichst hohen Automatisierungsgrad. Ziel war, die Lieferqualität zu den Geschäften deutlich zu steigern und damit eine noch höhere Warenverfügbarkeit für den Kunden sicherzustellen. Des Weiteren spielten die Kriterien Ergonomie und Sicherheit an den Arbeitsplätzen, Flexibilität bei gleichzeitiger Automatisierung sowie eine hohe Kommissionier-Qualität und eine hohe Anlagenverfügbarkeit eine zentrale Rolle. „Selbstverständlich hatten wir im Vorfeld auch die Möglichkeit mit zahlreichen Witron-Kunden zu sprechen, die schon länger eine Anlage in dieser Größe und mit diesem Durchsatz betreiben“, erklärt Kimmo Savolainen, Leiter des Automatisierungsprojekts bei Inex Partners. Das Liefer- und Leistungsspektrum von Witron umfasst die Konzeption und Realisierung sämtlicher Materialfluss-, IT-, Steuerungs-, Warehouse-Management- und Mechanik-Komponenten. Die Fördertechnik und Regalbediengeräte wurden von der Witron-Tochter FAS entwickelt und hergestellt. Ein Witron-On-Site-Team ist direkt vor Ort für den kompletten Service und die Wartung der Anlage verantwortlich und sorgt für eine permanent hohe Verfügbarkeit aller Logistik-Komponenten. Filialgerecht angepasst Durch eine noch schnellere, bedarfsgerechtere und bereits auf die unterschiedlichen Filialgrößen und Filialformate abgestimmte Belieferung wird nun der Servicegrad für die Kunden weiter erhöht. Und auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter in den Einzelhandelsfilialen der S Group konnte deutlich reduziert werden, weil aufwändige Umräumtätigkeiten praktisch komplett entfallen. „Darüber hinaus kann das E-Commerce-Geschäft mit dem neuen Logistikzentrum konsequent ausgebaut und auf die zukünftigen Bedürfnisse angepasst werden“, so Savolainen. „Derzeit wird unser gesamtes E-Commerce-Geschäft logistisch noch über einen externen 3PL-Dienstleister abgewickelt, bei Bedarf und wenn die Wachstumsraten weiter zunehmen, könnten wir diese Prozesse ebenso in die Funktionalitäten unseres Distributionszentrums einbinden.“ Die Flexibilität der Anlage ist hierfür die Basis.
Die Anlage ist dafür ausgelegt, dass an einem Spitzentag weit über eine Million Pickeinheiten das Logistikzentrum verlassen können. Dabei erfolgt die Belieferung der Filialen mittels Behälter, Paletten und Rollcontainer. E-Commerce-Bestellungen würden direkt in den Versandkarton kommissioniert und an die Kunden verschickt werden. In der gesamten Anlage kommen 69 Regalbediengeräte für die Einlagerung, Auslagerung und den vollautomatischen Nachschub sowie rund 10 Kilometer Fördertechnik zum Einsatz, welche von der Witron-Tochter FAS entwickelt und gebaut wurde. Die Lagerung und Kommissionierung aller behälterfähigen Artikel erfolgt im Dynamic Picking System (DPS) in einer 40-gassigen Regalanlage mit 510.000 AKL-Behälterstellplätzen und 4.200 Palettenstellplätzen. Palettenware wird in einem automatisierten 5-gassigen Palettenlager mit 8.800 Palettenstellplätzen und 16.000 Layer-Tray-Stellplätzen über das Car Picking System (CPS) mit integrierter Pick-by-Voice-Bedienerführung abgewickelt. Die konventionellen Lagerbereiche, bestehend aus insgesamt 13 Gassen und 12.000 Palettenstellplätzen, werden vor allem für das Handling von sperrigen Artikeln und das Cross-Docking-Geschäft genutzt. Auch hier wird mit Pick-by-Voice-Geräten kommissioniert.
DPS als logistisches Kernelement
Das Behälter-Kommissionier-System DPS (Dynamic Picking System) ist das logistische Kernelement des Distributionszentrums. Hier werden hochdynamisch an 120 Kommissionier-Arbeitsplätzen die Artikel von Lagerbehältern bzw. Lagerpaletten direkt in die Auftrags- / Filialbehälter kommissioniert. Die Mitarbeiter werden durch ein Pick-by-Light-System geführt. DPS arbeitet in Kombination nach dem Prinzip „Ware-zum-Mann / Mann-zur-Ware“ und ermöglicht die unmittelbare Lagerung und Kommissionierung in einem automatischen Kleinteilelager (AKL).
Die Artikel befinden sich, abhängig von der Auftragsstruktur, bedarfsgerecht in der Pickfront, wodurch diese stets optimiert ist. Die Klassifikation der Artikelstruktur wird durch DPS kontinuierlich überprüft und angepasst. Der Nachschub aus dem AKL in die direkt im Behälterlager integrierten Kommissionierzonen erfolgt ausschließlich systemgesteuert durch Regalbediengeräte. Ebenso die Rückführung aktuell nicht für die Kommissionierung benötigter Artikel. Aufgrund der automatisierten statischen und dynamischen Bereitstellung der Lagerartikel verkürzen sich die Laufwege der Mitarbeiter um bis zu 75 Prozent. Eine durchgehende Ergonomie spielt dabei an allen Umpack- und Kommissionier-Arbeitsplätzen eine große Rolle. Das Heben und Tragen wird im DPS auf ein Minimum reduziert. In Anschluss an die Kommissionierung werden die Kundenbehälter ggf. verschlossen, automatisiert filialgerecht gestapelt, auf Paletten bzw. Rollcontainer geschoben und tourengerecht für die Verladung im Versandbereich bereitgestellt.
„Eine Besonderheit bei INEX ist, dass das sogenannte auftragsbezogene Pre-Retailing, also die individuelle manuelle Aufbereitung beziehungsweise Ausgestaltung bestimmter Produkte im Rahmen eines vollintegrierten Value Added Service, an 60 Arbeitsplätzen direkt im DPS angesiedelt ist“, erklärt Josef Bauriedl, verantwortlicher Projektmanager bei Witron. „Zu diesen Tätigkeiten der Vorkonfektionierung zählen zum Beispiel das Anbringen spezieller Preisetiketten, Alarmtags für Diebstahlschutz oder das Umpacken bestimmter Kleidungsstücke von Liege- auf Hängeware inkl. der Integration von Kleiderbügeln.“ CPS kommissioniert in verschiedensten Varianten Das Logistiksystem CPS ist ein Kommissionier-System für die wegeoptimierte Kommissionierung von Handelseinheiten auf Paletten beziehungsweise Rollcontainer – unterstützt durch Pick-by-Voice oder Datenfunk. Der auftragsbezogene Nachschub in die Pickfront erfolgt dabei automatisiert durch Regalbediengeräte. Die Positionierung eines Artikels wird ebenfalls systemgesteuert an der ladenspiegelgerechten Kommissionierung ausgerichtet. Nach dem Prinzip „Mann-zur-Ware“ werden bei INEX im CPS gleichzeitig bis zu drei Aufträge parallel von einem Kommissionierer gepickt. Von Witron eigenentwickelte, ergonomische Layer-Trays sorgen dafür, dass äußerst platzsparend eine Vielzahl weiterer Artikel in der Pickfront vorgehalten werden können. Durch den Einsatz der Layer-Trays verringern sich die Fahrwege um etwa 60 %. Auch die Layer-Trays werden bedarfsgerecht durch Regalbediengeräte automatisiert in der Pickfront platziert. INEX kommissioniert seine Kundenaufträge mittels CPS sowohl von Lagerpalette als auch von Layer-Trays auf Auftragspalette oder Auftrags-Roll-Container. Ebenso wird Cross-Dock-Ware mittels Pickmobilen und Pick-by-Voice-Unterstützung kommissioniert. Auch im CPS-Bereich sind manuelle Pre-Retailing-Arbeitsplätze integriert.
„In Finnland haben wir – wie unsere Wettbewerber auch – noch immer mit den Auswirkungen der europaweiten Wirtschafts- und Finanzkrise zu kämpfen, was die Anforderungen an das logistische Handling weiter erhöht hat“, erklärt INEX-Projektleiter Kimmo Savolainen. „Die große Herausforderung derzeit ist es, die sehr hohe Anzahl unterschiedlicher Artikel aus unserem General-Merchandise-Sortiment bei gleichzeitig geringen Ordergrößen innerhalb eines Auftrages bestmöglich effizient logistisch abzuwickeln – und das bei einer sehr hohen Anzahl unterschiedlicher Lieferanten. Und hier sehen wir uns mit unserem neuen Logistikzentrum sehr gut aufgestellt“. Deshalb sei es bei der Systemauswahl sehr wichtig gewesen, solch praxiserprobte Lager- und Kommissionierlösungen wie DPS und CPS einzusetzen, die sowohl über gute Referenzen im Markt verfügen, als auch geeignet sind, die neuen, spezifischen Anforderungen von INEX wirtschaftlich, flexibel und funktionell umzusetzen. Diese Entscheidung habe sich ausgezahlt. „DPS und CPS verbinden einen hohen Grad an Standardisierung und Modularität mit dem Wunsch des Kunden nach individuellem Customizing in idealer Art und Weise“, sagt Jack Kuypers, als Vice President North West Europe bei Witron zuständig für den skandinavischen Markt. „Dies gilt neben dem Pre-Retailing bei INEX zum Beispiel für das spezifische Design der Kommissionier- und Umpack-Arbeitsstationen oder der Umsetzung einer Vielzahl ergonomischer Einzellösungen wie beispielsweise den sogenannten Layer-Trays, die Verwendung automatischer Hebefahrzeuge an den Pickplätzen oder die Leerpaletten-Rückführung zur erneuten Bereitstellung für das System.“ Zweites Großprojekt für die Lebensmitteldistribution Dass man bei INEX mit der bisherigen Zusammenarbeit mit Witron ausgesprochen zufrieden ist, zeigt nicht nur die Tatsache, dass Witron nach Inbetriebnahme auch sämtliche Maintenance- und Serviceaufgaben vor Ort für INEX mit einem eigenen finnischen On-Site-Team durchführt, sondern vor allem die mittlerweile erfolgte Beauftragung über die Planung und Realisierung eines zweiten gemeinsamen Großprojekts. Denn ab 2016 soll ein weiteres vollautomatisches Distributionszentrum von INEX für den Food-Bereich (in fünf temperaturabhängigen Ausbaustufen) in Betrieb gehen, eines der dann größten Logistikprojekte im Food Retail weltweit. Hierzu entsteht im Moment in enger Abstimmung mit Witron bereits das neue Gebäude – in unmittelbarer Nähe zum jetzt realisierten Non-Food-Distributionszentrum. Das INEX-Projekt, das von Witron ebenso als Generalunternehmer umgesetzt wird, gilt als größtes Einzelprojekt in der Historie beider Unternehmen. In Summe umfasst das Verteilzentrum dann unter anderem 108.000 Palettenstellplätze, 105.000 Behälterstellplätze und 500.000 Tray-Stellplätze. 260 Regalbediengeräte und mehrere Kilometer Fördertechnik transportieren die Waren durch das Logistikzentrum, exakt getaktet durch ein Witron-Lagerverwaltungssystem. Aus diesem neuen Verteilzentrum mit einer Größe von 132.000 m2 werden dann 1.500 Filialen täglich in ganz Finnland aus einem Vollsortiment von fast 23.000 verschiedenen Artikeln beliefert – Trockensortiment, Frischeprodukte (+2° C, +4° C, +8° C, +13° C) und Tiefkühlware (-24° C). Durch die automatisierten Lagersysteme OPM - mit insgesamt 43 COM-Maschinen, DPS, ACS und CPS, welche in den unterschiedlichen Lagerbereichen und Temperaturzonen zum Einsatz kommen, können an einem Spitzentag fast 1,2 Millionen Einheiten ergonomisch und filialgerecht auf Paletten, Rollcontainer oder in Behältern kommissioniert werden.
Für INEX beziehungsweise die S Group entstehen durch die unmittelbare Nähe der beiden Distributionszentren noch zusätzliche Synergieeffekte etwa bezogen auf das einzusetzende Personal, die Wartung und Instandhaltung der Anlage oder auch die Organisation von Schulungs- sowie Trainingsmaßnahmen.
Autor: Thomas Wöhrle, Fachjournalist, Karlsruhe