Intralogistik : Hat Ihre KI das chinesische Neujahr auf dem Schirm?

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Auf die Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar fiel 2022 der Jahreswechsel nach chinesischer Zeitrechnung. Nach dem Mondkalender ist das Jahr des Tigers angebrochen, das unter anderem für Mut und Kreativität steht. Beides werden Unternehmen brauchen, wenn sie die Digitalisierung nicht nur als Modetrend betreiben, sondern wirklich neuartige Mehrwerte und Prozesse realisieren wollen.

Allein 2020 wurden laut Statista Waren im Wert von je rund 117,37 und 10,15 Milliarden Euro aus China nach Deutschland und Österreich importiert. Entsprechend viele Disponenten in Industrie und Handel sind mit dem Neujahresfest vertraut: Nicht nur, dass Behörden und Unternehmen in Fernost für eine bis vier Wochen schließen – traditionell dauert das Fest 16 Tage – auch zuvor und danach wirken sich die Schließungen drastisch auf die internationalen Lieferketten aus.

Zu den gängigen Ratschlägen gehört der rechtzeitige Aufbau von (Über-)Beständen im Dezember oder Januar. Eine kostspielige, aber notwendige Maßnahme, heißt es. Dieser Lösungsvorschlag darf als veraltet gelten. Schließlich stehen viele chinesische Lieferanten unter enormem Druck, die erhöhte Nachfrage zu bedienen, und geraten an ihre Kapazitätsgrenzen. Abhilfe für diese und viele weitere Fragen des Bestandsmanagements schafft entscheidungsunterstützende Technologie auf Basis von Operations Research und künstlicher Intelligenz, zeigt die Erfahrung des Aachener Softwarehauses INFORM.

Im Kundenkreis dessen Geschäftsbereichs Inventory & Supply Chain stammen bis zu 80 Prozent der zugekauften Waren aus China. Sie alle überwinden den ewigen Spagat zwischen niedrigen Beständen und hohem Servicegrad, weil sie ihre täglichen Dispositionsentscheidungen mittels ausgefeilter Algorithmik treffen, sagt Bereichsleiter Stefan Witwicki. „Wir glauben, dass SCM heute nur noch holistisch gedacht und vernetzt gesteuert werden kann. Es gilt, Informations- und Materialflüsse miteinander in Einklang zu bringen und die Planung aller Teilbereiche – Beschaffung, Produktion, Distribution und Vertrieb – in einen Prozess zu integrieren. In diesem Brückenschlag sehe ich einen der wesentlichen Vorteile von KI und Optimierungssoftware.“

Optimierte Bestellung per Algorithmus

Das grundlegende Prinzip: Ein Add-On-System erfasst alle planungsrelevanten Daten aus einem oder mehreren ERP-Systemen und wählt dann selbstständig aus, welches Prognoseverfahren am besten geeignet ist, um für das betreffende Unternehmen einen präzisen Absatzplan oder eine optimale Bedarfsprognose zu berechnen. Es visualisiert verfügbare Kapazitäten, automatisiert dort Dispositionsentscheidungen und Bestellungen, wo alles nach Plan verläuft, und gibt Warnungen sowie Handlungsempfehlungen, wenn ein Engpass droht. Auch das Zusammenlegen von Bestellungen oder die Auswahl der effizientesten Lösung aus einem Pool von „Plan-B-Möglichkeiten“, wenn eine Störung auftritt, zählen zu den Entscheidungen, die ein solches System fällen kann.

Konkreter am Beispiel des chinesischen Neujahrs: In die täglich neu berechneten Bedarfsprognosen beziehen die Algorithmen bei einem deutschen Möbelhersteller, der jede Woche Holz- und Metallteile aus China bestellt, bereits ein halbes Jahr vorher mit ein, dass der drohende Ausfall überbrückt werden muss. Dazu analysiert das System, aus welchen Komponenten sich die Lieferzeit für jeden einzelnen Artikel zusammensetzt: (Vor-)Produktions-, Transport- und Transitzeiten. Unter Einbezug der Produktionskapazitäten des Lieferanten entsteht ein Plan, mit dem das System bereits 20 Wochen vor Neujahr beginnt, erhöhte Mengen zu bestellen, die der Lieferant noch bedienen kann, die aber die langfristige Bedarfsdeckung bei möglichst geringen Beständen garantieren.

"Es gilt, Informations- und Materialflüsse miteinander in Einklang zu bringen und die Planung aller Teilbereiche – Beschaffung, Produktion, Distribution und Vertrieb – in einen Prozess zu integrieren", meint Stefan Witwicki, Bereichsleiter Inventory & Supply Chain und Mitglied der Geschäftsleitung bei INFORM.

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Datenwertschöpfung im Supply Chain Management

„Mathematische Entscheidungsmodelle berücksichtigen sehr viel mehr Planungsparameter und Bedingungen als ein Mensch erfassen könnte. Die Disponenten könnten diesen Datenschatz allein gar nicht heben“, erklärt Witwicki. Mehr als zehn ERP-Systeme sind etwa an den 35 Standorten der Alexander Binzel Schweisstechnik GmbH & Co. KG im Einsatz. Für die Produktion stehen täglich rund 30.000 Artikel zur Disposition. Die Tochtergesellschaften disponierten früher autark, der Überblick über den gesamten Lagerbestand der Gruppe fehlte. „Wir hatten genug Bestände, aber sie lagen am falschen Ort“, fasst es Jens Nebeling, Leiter Zentrale Disposition, zusammen.

Mit der auf Absatzplanung und Bestandsoptimierung spezialisierten Software ADD*ONE von INFORM wurde die weltweite Disposition auf den Weg zur Zentralisierung gebracht. Damit ließen sich Bestände um 20 Prozent reduzieren, bei gleichzeitiger Erhöhung des Servicegrads. „Die Transparenz hat uns aber auch weitere Potenziale außerhalb der Disposition gezeigt, die bisher niemand auf dem Schirm hatte“, erinnert sich Nebeling. „Stammdatenfehler konnten identifiziert und bereinigt werden und dank der besseren standortübergreifenden Abstimmung konnten wir unsere Transportkosten reduzieren.“

In diese Richtung einer integrierten Planung müsse sich erfolgreiches SCM entwickeln, ist sich Witwicki sicher. Die Branche stehe bezüglich KI-Technologie zwar noch am Anfang, doch – das ist ihm wichtig – es sei an der Zeit, breiter von Algorithmen Gebrauch zu machen, Daten strategisch zu betrachten und ihren Einsatz kreativ zu erproben. „Langfristig kann das ganze Geschäftsmodelle transformieren“, so Witwicki. „Kurzfristig bieten auch kleinere Prozesse wie die jährliche Inventur großes Potenzial.“ Diese im Rahmen einer algorithmisch gestützten Stichprobeninventur zu vereinfachen, sei ein Anwendungsbeispiel, das so gut wie jeder Betrieb mit Lagerhaltung jetzt schon umsetzen könne. „Wir gehen von einer guten Lagerbuchführung aus, die sich per Stichprobe validieren lässt. Mit mathematisch-statistischen Methoden rechnet ein Inventursystem das Stichprobenergebnis auf den Gesamtbestand des Lagers hoch.“ In der Praxis ist das Verfahren nicht nur präziser als eine Vollinventur, sondern verursacht auch bis zu 95 Prozent weniger Kosten und Aufwand.