Additive Fertigung : Wie 3D-Druck die Logistik entlasten kann
Ersatzteil-Logistik ist herausfordernd: Um die Versorgung des Endkunden mit Ersatzteilen zu gewährleisten, müssen diese produziert und in der gewünschten Zeit an den entsprechenden Ort geliefert werden. Eine Ersatzteilgarantie soll den Kunden ermöglichen, über Jahre hinweg die passenden Teile für - eventuell nicht mehr produzierte – Maschinen zu erwerben.
Einerseits stärkt das die Kreislaufwirtschaft, weil die Maschinen so länger funktionstüchtig sind. Allerdings bindet eine Garantie auch viele Ressourcen – etwa in der Lagerhaltung und im Transport. Hier kommt der 3D-Druck von Ersatzteilen ins Spiel.
Zwei deutsche Unternehmen haben vor Kurzem zu dem Thema aufhorchen lassen: DB Schenker und Replique, eine Unternehmensausgründung von BASF. Beide Unternehmen bieten nun Ersatzteile aus dem 3D-Drucker an.
Das kann additive Fertigung in der Ersatzteil-Logistik leisten
Replique arbeitet mit Druckpartnern, die ihr Service möglichst nah beim Kunden anbieten. Über eine digitale Plattform können Kunden ihre Teile digital einlagern und bei Bedarf abrufen. Diese Teile werden dezentral über ein Netzwerk an Printpartnern gefertigt und versandt – Verschlüsselung und Qualitätssicherung inklusive.
DB Schenker hat das virtuelle Warenlager für Kunden aus den Märkten Maschinenbau, Automobilindustrie und Schienenverkehr in Pilotprojekten getestet und bietet das neue Produkt „On-Demand Production“ nun offiziell an. „Produkte aus unserem virtuellen Warenlager sind in kürzester Zeit verfügbar und werden direkt dort hergestellt, wo sie gebraucht werden“, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende Jochen Thewes.
Es senke die Lieferkosten, verkürze die Lieferzeiten und schone die Umwelt, so Thewes weiter. „Ziel ist es, unnötige Lagerhaltung zu vermeiden und Lieferketten noch stabiler und flexibler zu machen“, so Thewes. Man könne damit Wege verkürzen und gleichzeitig Produkte schneller und günstiger verfügbar halten. Ohne Vorproduktion und Einlagerung sinken auch die Kapitalbindungskosten.
DB Schenker hat bisher Teile wie Handgriffe, Verkleidungen und Gehäuse auf Anforderung in der Nähe des Kunden hergestellt. „Man geht ungefähr davon aus dass sechs bis zehn Prozent aller Teile druckbar sind, das wissen wir aus verschiedenen Studien, das haben auch Kunden bestätigt“, erklärt eine der Gründerinnen und COO von Replique, Henrike Wonneberger, im Gespräch mit dispo. Am Ende sei jedoch ein Vorteil im total cost of ownership entscheidend. Hier gehe es nicht so sehr um die Bauteilkosten eines einzigen Bauteils, sondern um die assoziierten Kosten: Denn oftmals würden jene Teile gedruckt, die lange Lieferzeiten hätten.
Auch die Opportunitätskosten, wenn eine fertige Maschine steht, die nur auf ein kleines Teil warte, müsse man hier berücksichtigen, so Wonneberger. Auch Mindestbestellmengen für Teile würden versteckt die Kosten hochtreiben. Denn pro Teil sei der Preis natürlich oftmals günstiger als eines aus dem 3D-Drucker. „Wenn Sie aber etwa ein Polymer-Teil im Spritzguss brauchen, dann muss man doch große Mengen fertigen, die man einlagert. Wir hören auch immer wieder, dass Millionen an Wert an solchen Bauteilen verschrottet werden, weil Polymer irgendwann altert, und es dann nicht mehr von Nutzen ist“, so Wonneberger.
DB Schenker hat für das neue Produkt auch auf die Erfahrung der Deutschen Bahn – mit bereits 80.000 via 3D-Druck hergestellten Teilen aus unterschiedlichen Materialien und Technologien - zurückgegriffen. Die virtuelle Einlagerung der Teile erfolgt dabei durch das sichere Hochladen der 3D-Baupläne in der Cloud, ebenso wie bei Replique.
Interview mit der Gründerin und Geschäftsführerin von Replique
Frau Wonneberger, was bietet Replique?
Henrike Wonneberger Wir bieten eine digitale Plattform, auf der unsere Kunden Teile digital einlagern und bei Bedarf abrufen können. Diese Teile werden dezentral global über ein Netzwerk an Printpartnern gefertigt und versandt. Das geschieht gesichert durch Verschlüsselung. Die Qualitätssicherung garantiert, dass die Teile in einer bestimmten, gleichbleibenden Qualität gedruckt werden – egal wo auf der Welt.
Wie sieht das Netzwerk an Druckpartner aus?
Wonneberger Wir sind auf allen Kontinenten mit Druckpartnern vertreten, aber der Fokus liegt ganz klar noch auf Europa. Wir sind aktuell noch Teil der BASF, und viele Kunden haben in Europa ihre Zentrale, sind aber global tätig. Sie fangen oft mit Piloten hier in der Region an und weiten dann etwa auf die USA aus. Aktuell sind es etwa 60 qualifizierte Druckpartner, wir suchen sehr genau aus, mit wem wir drucken, es ist natürlich wichtig, dass ein gewisser Qualitätsstandard herrscht. Die Möglichkeiten zu wachsen sind sehr gut, wir haben eine Liste an in Frage kommenden Partnern und sind auch stetig am Erweitern, wenn das Geschäft es erfordert.
Was kann gedruckt werden – beziehungsweise was kann eben nicht gedruckt werden?
Wonneberger Es gibt natürlich relativ einfache Überlegungen - der Bauraum eines Druckers ist entscheidend, ob ein Druck auf einem Standarddrucker zu erledigen ist. Kann ein Standarddrucker genutzt werden, ist die Reproduzierbarkeit an anderen Standorten deutlich leichter, weil diese bei vielen Partnern global verfügbar sind. Am Ende entscheidet der Businesscase, ob etwas gedruckt werden sollte oder nicht. Man geht ungefähr davon aus, dass sechs bis zehn Prozent aller Teile druckbar sind, das wissen wir aus verschiedenen Studien, das haben auch Kunden bestätigt. Am Ende ist entscheidend, ob ich einen Vorteil im total cost of ownership habe. Es geht also nicht so sehr um die Bauteilkosten eines einzigen Bauteils, sondern um die assoziierten Kosten: Häufig geht es um Teile, bei denen ich lange Lieferzeiten oder Lieferverzögerungen habe. Immer wieder kommen Teile nicht an, das verursacht Opportunitätskosten, wenn eine teure Maschine steht, nur weil ein kleines Teil fehlt. Dann sind am Ende die Kosten für das Teil weniger wichtig als das, was dem entgegensteht. Auch die Mindestbestellmenge, die man in Massenfertigungstechnologien hat, ist ein Thema, das versteckt die Kosten hochtreibt.
Ist Replique eine Antwort auf Lieferkettenengpässe?
Wonneberger Nicht primär. Es geht eher um die Idee, Daten besser zu nutzen und ortsnah zu drucken, statt immer wieder Teile hin und her zu schicken. Aber natürlich, die Lieferkettenproblematik ist über die letzten Jahre immer vielseitiger geworden. Das ist natürlich ein Trend, der voll mit reinspielt.
Wie hat sich die Nachfrage in den letzten zwei Jahren entwickelt? Merkt man die Lieferschwierigkeiten der letzten Jahre an den Umsatzzahlen?
Wonneberger Ja absolut. Allerdings bedeutet eine solcher On-demand-Druck für den Kunden natürlich auch eine Umstellung der Prozesse – und das dauert seine Zeit. Natürlich kann man den 3D-Druck nur als eine Fertigungstechnologie sehen, die man ans Lager legt wie die anderen Teile auch. Das ist ein erster Schritt, aber der größere Wertbringer ist das Dezentrale und der Just-in-Time-Gedanke. Das bedeutet aber eben auch, dass ich meine eigenen Prozesse überdenken muss. Die aktuellen Entwicklungen unterstreichen genau diesen Bedarf. Wir hören auch immer wieder, dass Kunden mit den Themen Mindestbestellmengen und Lieferzeiten Probleme haben. Gleichzeitig haben wir auch gesehen dass die Umstellung schwierig ist. Wir sehen jetzt mehr Bedarf, diese vorbereitenden Schritte zu tun, ich glaube die große Welle kommt in den nächsten Jahren.
Wie lange dauert es von der Idee, sich die Teile drucken zu lassen, bis zur wirklichen Realisierung in der Masse?
Wonneberger Das ist sehr unterschiedlich, das kommt auf die Anwendung an. Es gibt Anwendungen, die sehr einfach sind, bei manchen Kunden dauert es zwei Wochen, bis man soweit ist. Wir haben etwa Miele als großen Kunden – hier gibt es Applikationen, wo etwa Themen wie der Lebensmittelkontakt wichtig sind. Da hatten wir ein Lebensmittelkontaktbauteil, da braucht es entsprechende Tests, das muss von Institutionen überprüft werden. Das kann man nicht von heute auf morgen drucken. Grundsätzlich kommt es auch nicht auf die Industrie an, ob 3D-Druck geeignet ist – jeder, der Teile braucht, ist bei uns gut aufgehoben. Im Bahnbereich etwa spielen wieder andere Themen eine große Rolle, da haben wir etwa mit Alstom erste Serienbauteil-Entwicklungen gemacht. So hat jede Industrie spezielle Anforderungen.
Sie haben vorhin von assoziierten Kosten gesprochen. Zahlt sich ein Teil aus dem 3D-Druck wirklich aus, wenn die Teile etwa aus China vermutlich viel günstiger sind?
Wonneberger Wenn die Teile gut aus China ankommen ist das natürlich eine gute Sache, wenn sie hängen bleiben, wird es sehr schnell sehr teuer. Es gibt aber auch Bauteile, wo tatsächlich die Struktur oder die Geometrie so ist, das man es über den 3D-Druck günstiger fertigen kann – zum Beispiel weil man Material rausnehmen kann. Da ist wirklich immer die Frage, wieviel man braucht – und vor allem in welcher Zeit. Wenn Sie ein Polymer-Teil im Spritzguss brauchen, dann muss man große Mengen fertigen, die man einlagert. Wir hören auch immer wieder, dass Millionen an Wert an solchen Bauteilen verschrottet werden, weil Polymer irgendwann altert. Es geht also auch um Nachhaltigkeit: Wir möchten unseren Kunden ermöglichen, nicht nur bei der Produkteinführung Ersatzteile zu bekommen, sondern eben auch lange danach. Das ist natürlich wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger, als neu zu kaufen und zu verschrotten.