Sicherheit in der Logistik : Wie analoge und digitale Tools für mehr Sicherheit in Lager und Transport sorgen

Two male and female employees are checking cardboard boxes in a warehouse for an export business.
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Zahl der Arbeitsunfälle in der EU und in Österreich

In der Europäischen Union kommen um die 5.500 Menschen jährlich bei der Arbeit ums Leben, eine weit größere Zahl trägt Verletzungen davon. In Österreich gab es bei Arbeitern und Angestellten im letzten Jahr fast 87.000 Arbeitsunfälle - davon entfielen laut Statistik Austria etwa 20 Prozent auf den Einsatz von Fahrzeugen, etwas mehr auf den Einsatz von Maschinen oder Handwerkzeug und 26 Prozent auf das Hantieren mit schweren Lasten.

Abgesehen von den Auswirkungen auf die verletzte Person verursachen Arbeitsunfälle europaweit allein direkte Versicherungskosten in Höhe von schätzungsweise 20 Milliarden Euro, hinzu kommen 149 Millionen verloren gegangene Arbeitstage. Wirtschaftlich gesehen sind Arbeitsunfälle ein großer Faktor, der mit mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und vor allem auch mit digitalen Lösungen reduziert werden könnte.

Vor allem die Sicherheit bei Lager- und Transportgeräten ist dabei von entscheidender Bedeutung, da diese Maschinen im Logistikalltag eine große Rolle spielen. Dies umfasst die sichere Verwendung von Gabelstaplern, Hubwagen, Förderbändern und automatisierten Systemen gleichermaßen wie etwa von LKW. Mitarbeiter müssen geschult sein, um Geräte und Fahrzeuge sicher zu bedienen, und Sicherheitsrichtlinien sollten streng eingehalten werden.

Zugangskontrollen für Fahrzeuge erhöhen Sicherheit

Powerfleet etwa hat sich mit seiner Unity Plattform das Thema Lager- und Transportsicherheit auf die Fahnen geheftet. So dürfen etwa nur jene Fahrer, die auf ein bestimmtes Fahrzeug - sei es ein Hubwagen, sei es ein Spezialfahrzeug oder ein LKW - geschult wurden, es auch benutzen. "Die Freigabe bekommt er oder sie über unser System. Das heißt, wenn etwa eine Schulung abläuft, wird das ebenfalls mitgeteilt, damit darf er oder sie das Fahrzeug nicht mehr fahren. Das ist der erste Schritt", erklärt Heinz Rothmann, Projektmanager bei Powerfleet.

Auch eine verpflichtende, abzuarbeitende Checkliste soll gewährleisten, dass das Fahrzeug keine Schäden oder Fehler hat und "tadellos funktioniert", so Rothmann. "In vielen Ländern werden bereits Checklisten verlangt, bevor der Fahrer das Fahrzeug in Betrieb nimmt. Auch das adressieren wir mit unserem Fahrzeug-Gateway." Schließlich werde der Mitarbeitende auch während der Arbeit begleitet: "Wir bauen in der Regel auf die Intralogistik-Fahrzeuge auch einen Gewaltschadensensor mit auf. Der trackt, was mit dem Fahrzeug passiert, während gearbeitet wird", erklärt Rothmann.

Dieses Powerfleet-Patent bedinge, dass man die Kategorisierung eines Ereignisses - ein Unfall oder etwa ein Anfahren an einem Regal o.ä. - sehr viel besser vornehmen könne. "War das etwa ein schwerschwerwiegendes Ereignis, wo es vielleicht eine Kaltverformung am Fahrzeug gegeben hat oder ein eher leichteres, wo man den Fahrer oder die Fahrerin eher nur verwarnt? Hier gibt es verschiedene Abstufungen", so Rothman.

Darüber hinaus ist natürlich eine regelmäßige Wartung und Inspektion von Lager- und Transportgeräten notwendig um zu gewährleisten, dass die Maschinen ordnungsgemäß funktionieren und sicher eingesetzt werden können. Mitarbeiter sollten darauf geschult sein, mögliche Anzeichen von Verschleiß oder Defekten zu erkennen und zu melden.

Fahrassistenzsysteme und andere Sicherheitsmerkmale

Wie vorhin erwähnt setzt Powerfleet auf Telematik-gestützte Sicherheitslösungen, die Daten erfassen um Vorfälle zu verhindern, auf Ereignisse zu reagieren und zu verstehen, was vor, während und nach einem Unfall passiert ist. Diese Echtzeit-Datenintelligenz kann Fahrer vor unsicheren Bedingungen warnen, Fußgänger vor Gefahrenbereichen warnen und wichtige Leistungskennzahlen für die Fahrerschulung und die Aktualisierung des Anlagenlayouts erfassen.

Toyota Material Handling wiederum etwa hat einen intelligenten Umgebungssensor entwickelt, der ein stereoskopisches Kameramodul verwendet, um Fußgänger und Objekte hinter dem Stapler zu erkennen. Das System nutzt Algorithmen zur Unterscheidung von Personen und Hindernissen, um allfällige Risiken beim Rückwärtsfahren zu erkennen. Dabei detektiert die Kameraeinheit zunächst Hindernisse im Allgemeinen und in einem zweiten Schritt unterscheidet das System Personen anhand ihrer Steh- und Laufsilhouetten, von Objekten.

Je nach Zone, Objekttyp und individueller Situation wird die Gerätegeschwindigkeit reduziert, abhängig von z. B. Fahrgeschwindigkeit, Lenkwinkeleinschlag oder der Bewegungsrichtung des Objekts. Beim Anfahren erfolgt eine Warnung des Fahrers optisch via LED in der Kabine und am Display oder auch akustisch über einen Signalton. Wird ein Objekt im Fahrweg erkannt, schränkt SEnS+ zudem die Startbewegung des Staplers beim Rückwärtsfahren ein, um die Sicherheit in der Staplerumgebung zu erhöhen.

Auch Hyster will mit zwei neuen Fahrassistenzlösungen die Aufmerksamkeit von Staplerfahrern und -fahrerinnen unterstützen. Das dynamische Fußgängerwarnsystem ist etwa für eine Reihe von Hyster Elektro- und verbrennungsmotorischen Staplern mit einer Tragfähigkeit von 1,5 bis 5,5 Tonnen erhältlich. Die kompakten blauen LEDs können an der Vorder- oder Rückseite eines Gegengewichtsstaplers montiert werden und projizieren ein stufenweise blinkendes blaues Pfeilmuster in einer geraden Linie auf den Boden. Dieses auffällige Licht zeigt deutlich an, aus welcher Richtung sich ein Stapler nähert und in welche Richtung er fährt. So können Fußgänger oder andere Fahrzeuge die Position des Staplers leicht erkennen. Diese Funktion kann die Sicherheit in bestimmten Industrielagern mit unübersichtlichen Ecken, sich kreuzenden Gängen, starkem Personenverkehr oder vielen Entladevorgängen erhöhen, bei denen die Sicht auf die eingesetzten Stapler eingeschränkt ist.

Das zum Patent angemeldete Rückwärtsgeschwindigkeitssystem ist ausgewählte 3- und 4-Rad-Staplern von Hyster mit einer Tragfähigkeit von 1,5 bis 5,5 Tonnen erhältlich. Neben dem Rückfahrhebel befindet sich am Stapler ein Sensor, der erkennt, ob sich eine Hand am Griff befindet. Ist dies der Fall, kann der Stapler mit voller Geschwindigkeit rückwärtsfahren. Ist der Sensor nicht aktiviert, wird die Rückfahrgeschwindigkeit auf zwei km/h begrenzt. Das Festhalten des Handgriffs veranlasst den Fahrer, beim Rückwärtsfahren in Fahrtrichtung zu blicken.

Fahrassistenzsysteme und Sensorik sorgen für mehr Sicherheit im Lager
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Lichtgitter für gefährliche Bereiche

Vor allem für Verpackungsmaschinen, Handarbeitsplätze, Förderbänder oder dem Materialhandling neben Robotern bieten sich als Schutzmaßnahme Lichtgitter als Zugangs- und Zugriffsabsicherung an. Pilz bietet dafür neu das browserbasierte Softwaretool „Safety Distance Calculator“ an, das eine vereinfachte und schnelle Berechnung von Sicherheitsabständen für alle marktgängigen Sicherheits-Lichtgitter verspricht.

Das kostenfreie digitale Berechnungstool ermittelt anhand der eingegebenen Werte deren notwendigen Sicherheitsabstand und schlägt das jeweilig passende Lichtgitter vor. Mithilfe des Calculators lassen sich Applikation für senkrechte Schutzfelder sowohl für Finger-, Hand- und Körperschutz berechnen. Ausgehend vom erforderlichen Sicherheitslevel bekommen Anwender einen passenden Produktvorschlag für ihre jeweilige Anwendung, der entweder gemäß ISO 13849 oder IEC 62061 ausgelegt ist.

Die richtige Schutzausrüstung

Auch die richtige Sicherheitsausrüstung ist bedeutend. Als persönliche Schutzausrüstung gilt jede Ausrüstung, die dazu bestimmt ist, von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen benutzt oder getragen zu werden, um sich gegen eine Gefahr für ihre Sicherheit oder Gesundheit bei der Arbeit zu schützen. Diese umfasst etwa Sicherheitsgurte, Helme, Handschuhe und andere persönliche Schutzausrüstung (PSA), die je nach Maschinentyp und Einsatzbereich erforderlich sind.

Welche Schutz­aus­rüst­ung im jeweiligen Fall auszuwählen ist, wird im Zuge einer Arbeits­platz­evaluierung festgelegt. Bei der Auswahl ist zu beachten, dass die CE-Kenn­zeich­nung angebracht und Verwenderinformationen vorhanden sind. Die PSA muss natürlich Schutz gegenüber dem jeweiligen Risiko bieten sowie für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet sein. Außerdem muss sie den ergonomischen und gesundheitlichen Erfordernissen der Anwender und Anwenderinnen entsprechen.

Ist das Tragen von PSA erforderlich, muss diese auf Kosten des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt werden. Es muss auch für Ersatz bei Be­schäd­ig­ung und für regelmäßige Wartung entsprechend der Her­stell­er­an­gab­en gesorgt werden. Auch die Reinigung muss sichergestellt sein.

Das Tragen der Schutzausrüstung stellt dabei allerdings eine zusätzliche Belastung für die be­troff­en­en ArbeitnehmerInnen dar. Daher ist es wichtig, dass die Schutz­aus­rüst­ung neben ausreichendem Schutz auch optimalen Tragekomfort ge­währ­leist­et, weshalb Unternehmen, die Schutzausrüstung anbieten, regelmäßig am Komfort arbeiten. So setzt etwa ISM Heinrich Krämer auf eine eigene Entwicklungsabteilung, die eng mit Orthopäden zusammenarbeitet, um Arbeitsschuhe sicher und bequem zu designen. Denn trotz bester Materialwahl und Schutzklasse kann eine schlechte Passform Blasen und Schwielen auslösen.

Wichtige Punkte für Sicherheit im Transport

Für den Transport von Waren auf der Straße sind ebenfalls einige wichtige Punkte zu beachten. So muss etwa sichergestellt sein, dass alle Transporter, Lkw und Fahrzeuge technisch auf dem neuesten Stand sind und regelmäßig inspiziert werden.

Gleichzeitig müssen Transportbetriebe für eine ausreichende Ladungssicherung sorgen sowie dafür, dass alle Vorrichtungen zum Be- und Entladen ordnungsgemäß funktionieren. Es ist auch wichtig, das Gewicht und das Schwerpunkt der Ladung zu berücksichtigen, um Ungleichgewichte zu vermeiden, die zu Umkippen oder unerwünschten Verschiebungen führen können.

Außerdem besteht in jedem Fahrzeug eine gewisse Brandgefahr, vor allem wenn brennbare oder leicht entzündliche Stoffe transportiert werden. Daher ist es wichtig, dass Fahrer und Fahrerinnen im Falle eines Brandes richtig reagieren können und sich Feuerlöscher und Löschdecken im Fahrzeug befinden.

Eine wichtige Voraussetzung für Sicherheit in der Transportbranche ist außerdem ein gründliches Training der Fahrer und Fahrerinnen. Kenntnisse über Arbeitssicherheit und den Umgang mit technischen Vorrichtungen sind dabei ebenso wichtig, wie das richtige Verhalten bei Gefahren. Werden etwa empfindliche oder brennbare Güter transportiert? Dann ist es notwendig, den jeweiligen Fahrer oder die Fahrerin darauf zu schulen.

LKW-Kontrolle durch den Fahrer
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Sicherheitssysteme für den Straßengüterverkehr

Mittlerweile gibt es einige Sicherheitssysteme für den Straßengüterverkehr, die den Transport sicherer machen sollen. Das sind etwa Echtzeitüberwachungssysteme, GPS-Geräte, Kameras zur Überwachung der Fahrerkabine und mehr.

Das US-Unternehmen Samsara etwa bietet als Software-as-a-Service-Unternehmen die Connected Operations Cloud an, um neben anderen Aspekten die Sicherheit in Unternehmen zu erhöhen. Die Cloud-Plattform vereint eine Vielzahl von Daten mit physischen Assets wie etwa Dashcams in LKW. "Wir bekommen viele Daten aus unserer Hardware, greifen aber auch auf OEM-Systeme zu", erklärt der Director Regional Sales für die DACH-Region bei Samsara, Jürgen Schachner. "Dabei unterscheiden wir uns von anderen Anbietern, denn wir haben die Telematik nicht erfunden, sondern wir analysieren die Daten und bringen mehr Einblicke als andere Hersteller. Wir haben jetzt etwa über 6,5 Billionen Datenpunkte", so Schachner im Gespräch mit dispo. Dabei basiere viel auf Machine Learning und künstliche Intelligenz.

So habe Samsara im letzten Jahr 110 Millionen sicherheitsrelevante Ereignisse erkannt. "Ein sicherheitsrelevantes Ereignis ist zum Beispiel, dass der Fahrer das Handy in der Hand hat, er nicht angegurtet ist oder dass er zu weit auffährt. Wir konnten dabei nicht nur 110 Millionen Ereignisse erkennen, sondern im letzten Geschäftsjahr mit unserer Technologie auch 120.000 Unfälle vermeiden", erklärt Schachner.

Die eingesetzten Dashcams haben dabei zwei Funktionen: Eine ist nach außen gerichtet und analysiert den Verkehr. Es erkennt etwa ob eine Stopp-Tafel überfahren oder der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird. Die andere Dashcam analysiert zusätzlich das Verhalten des Fahrers oder der Fahrerin. Dabei kann eingestellt werden, ob alle Ereignisse überhaupt in der Cloud abgespeichert werden oder ob etwa ein Überfahren der Stopp-Tafel gar nicht von der Kamera in die Cloud gelangt. "Hier ist uns natürlich die Datenschutz-Grundverordnung wichtig und wir halten uns auch an die Datensparsamkeit. Wir speichern keinen Livestream in die Cloud, sondern nur Ereignisse basierend auf vorab definierten Regeln", erklärt Schachner.

Grundsätzlich gebe es zwei Richtungen, aus denen Kunden auf Samsara zukämen: Einerseits seien das Unternehmen mit einem "ausgeprägten Sicherheitsbewusstsein", die proaktiv die Sicherheit erhöhen wollen. Auf der anderen - reaktiven - Seite kämen Kunden, bei denen Unfälle oder ähnliches passiert sind und darauf reagieren wollen. "Momentan stehen wir etwa bei einem Drittel, das proaktiv kommt, zwei Drittel sind aber reaktiv", erklärt Jürgen Schachner.

Die Technologie hinter Samsara biete einen "kompletten Coaching-Workflow". Der Sicherheitsmanager des Unternehmens sieht in der Cloud die jeweiligen Ereignisse und kann das mit dem Fahrer, der Fahrerin besprechen. Es gebe auch Selbstcoaching-Möglichkeiten in einer App am Handy, damit Coachings ortsunabhängig durchgeführt werden können und dem Fahrer mehr Flexibilität erlaubt. Die Plattform konsolidiert das Fahrverhalten eines Fahrers in einem "Safety-Score". "Hier bringen wir auch den Faktor Gamification mit ein. Das heißt, die Fahrer können sich untereinander vergleichen beziehungsweise lassen sich solche Scores auch für Bonussysteme nutzen. Bonussysteme basierend auf Video-Telematik sind fairer als jene, die nur reine Telematikdaten berücksichtigen", so Schachner.

Samsara habe im letzten Geschäftsjahr mit ihrer Technologie 120.000 Unfälle vermeiden, erklärt Samsara-Manager Jürgen Schachner.