Automatisierung in der Logistik : „Wir haben in der Automatisierung ein verlorenes Jahrzehnt hinter uns“

VNL-Obmann und Leiter des Logistikums, Franz Staberhofer
© Logistikum

Herr Staberhofer, das Thema Automatisierung ist in aller Munde und wird auch am Österreichischen Logistik-Tag des VNL in diesem Jahr wohl eine große Rolle spielen. Was sind hier die großen Treiber und wie weit ist die österreichische Industrie bei diesem Thema?

Franz Staberhofer
Wir haben in der Automatisierung ein verlorenes Jahrzehnt hinter uns. Einerseits hat man den Begriff verwässert, ihn mit Schlagwörtern wie Industrie 4.0 oder Digitalisierung überlagert. Damit hat man auf die notwendige Automatisierung oft vernachlässigt. Dann hat man sehr lange anstatt zu tun, darüber diskutiert, ob Automatisierung Arbeitsplätze wegnimmt – interessanterweise hat es aber nie jemanden gestört, Automatisierung für einen unangenehmen Arbeitsplatz einzusetzen. Viele geförderte Forschungsprojekte haben sich dann mit der Zusammenarbeit zwischen Robotern und Menschen befasst. Menschen haben weniger Angst vor Robotern als vor mangelnder Klarheit. Weil man sich gerne um kaum vorhandene Probleme der Menschen gekümmert hat, statt sinnvoll zu automatisieren, hat man wertvolle Zeit verschwendet, obwohl die Technologien bereits vorhanden waren. Die nun fehlenden Arbeitskräfte sind der Tribut an die fehlende Nutzung der Zeit. Womit man aber tatsächlich nicht planen konnte, war die Tatsache, dass die Menschen auch weniger arbeiten wollen. Hätten wir im letzten Jahrzehnt mehr automatisiert, mehr Geld in die Hand genommen und schlaue digitale Lösungen eingesetzt, hätten wir jetzt weniger Personalmangel. Und genau deshalb wollen wir als VNL unverändert das Thema Intralogistik mit dem Ziel exzellenter Materialfluss in Österreich kommunizieren und unterstützen. Da nun als Treiber die Kollektivvertrags-Verhandlungen, mit atemberaubenden Erhöhungen hinzugekommen sind, ist wohl Tempo und Pragmatismus bei der Umsetzung angesagt.

In welchen Bereichen gibt es bereits gute Automatisierungslösungen, wo fehlen sie noch?

Franz Staberhofer
Kennzeichen von Exzellenz in diesem Bereich ist, dass nicht spontan umgesetzte Lösung von der Stange eingesetzt werden, sondern Visionen gemeinsam mit den Technologienanbietern und Forschungsinstitutionen entstehen. Nehmen Sie die Firma Hödlmayr, die die Vision zur Dienstleistung konsequent mit Technologien umsetzt und dadurch innovative Lösungen anbieten kann. Auch einzelne Firmen machen Großartiges dabei, aber sie sind oft verschwiegen dazu. Einige Exzellente davon werden in Linz davon berichten und wesentlich, die Besucher können sich mit diesen austauschen und voneinander lernen. Auch der Austausch mit den Ausstellern ist Chance und sollte auf einer neuen Ebene der Kooperation die Umsetzungen beschleunigen.

Welche Stolpersteine sehen es bei der Umsetzung von Automatisierungsprojekten?

Franz Staberhofer
Vorweg braucht es eine Vision und ein Plan zu deren Umsetzung. Wichtig ist, dass ich Automatisierung in mein Gesamtsystem integriere. Es ist besonders gefährlich, Roboter einzubauen, die nicht integriert sind, das ist wie ein Fremdkörper im ganzen System und ist dann auch sehr gut sichtbar. Wenn die Automatisierung verteilter ist, ist diese Blindleistung nicht so transparent. Unternehmen müssen Lieferanten und Technologieanbieter wieder ernster nehmen, und man muss vor allem gemeinsam zu Lösungen kommen. Denn Sie finden etwa auch mit viel Bezahlung immer schwerer Menschen, die in einem Kühllager arbeiten. Also brauche ich Lösungen, die automatisiert bei diesen Kühlbedingungen funktionieren. Auch das gibt es nicht von der Stange. Also müssen sich die Anwender mit einem Anbieter partnerschaftlich arbeiten, um jene Lösung zu entwickeln, die sie brauchen.
Eine weitere Frage ist, ob das Unternehmen in der Lage ist, das System zu bespielen. Wenn Sie etwa eine hochtechnische Anlage wie Hochregallager brauchen, können Sie die kaufen, da sind wir mit großartigen Anbietern Weltmarktführer. Aber das ist eine derartig sensible hochtechnische Anlage, dass Sie natürlich Techniker im Dreischichtbetrieb brauchen. Sie finden die Techniker aber schon für die erste Schicht oder zweite Schicht nicht. Betriebsmöglichkeit, Betriebssicherheit und Ausfallsicherheit müssen Sie also mitdenken. Hier sehe ich immer wieder unglaublich schlaue Lösungen. Wir kümmern uns als VNL darum, dass wir solche Beispiele zeigen und diskutieren.

"Menschen haben weniger Angst vor Robotern als vor mangelnder Klarheit"
Franz Staberhofer

Der VNL Logistik-Tag 2024

Die Jahrestagung des VNL hat in diesem Jahr „Wachsamkeit“ als Leitgedanken definiert, denn das Umfeld könnte nicht dynamischer sein: Eine enorme Veränderungsgeschwindigkeit bei Technologieentwicklungen, Ökologie- und Compliance-Bedingungen oder geopolitischen Entwicklungen, eine rückläufige Nachfrage bei hohen Faktorkosten und teuren Beständen, neue Wettbewerber im globalen Umfeld, der Green Deal wirkt und zwingt zu Positionierung, zahlreiche logistische multioptionale Innovationen für ein zukunftsweisendes Logistik-Setting und den damit verbundenen Investitionen machen Entscheidungen nicht leicht.

Dazu sprechen sowohl Voestalpine-Vorstand Hubert Zajicek („Die Zeit tickt immer schneller“) und WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr („Chancen Europas in einer Welt globaler Handelskriege“) in ihren Keynote-Vorträgen.

Weitere Themen betreffen etwa Transport- und Logistikkonzepte im Wandel der Zeit, Kosten- und Ertragsoptimierung durch integriertes Supply Chain Management, Produktivitätssteigerung durch intelligente Automatisierung, moderne Handelslogistik, oder die flexible Produktion bei hoher Komplexität.

Der 31. Österreichische Logistik-Tag findet am 6. Juni im Designcenter Linz statt. Am 5. Juni geht das Logistik Future-Lab über die Bühne, am Abend desselben Tages wird der Österreichische Logistikpreis 2024 am Logistik-Sommerfest des VNL vergeben.