Dekarbonisierung : Wieviel Energie benötigt Ihre Lieferkette?
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Das Thema Energie ist nicht erst seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ein großes Thema, aber nun natürlich ein recht drängendes – Stichwort Versorgungssicherheit. Vor allem im Bereich Transport wird der Energiehunger größer, weil Dekarbonisierungsvorhaben meist mit der Elektrifizierung des Verkehrs zusammenhängen. Denn der Verkehr ist mit über einem Drittel Anteil der bedeutendste Energieverbraucher.
Nun gebe es wenig Bewusstsein dafür, wieviel es in Kilowattstunden bedeutet, wenn wir Dinge manipulieren oder transportieren – bisher konnte man das vor allem in Liter Diesel oder in CO2 ausdrücken, meint Econsult-Geschäftsführer Jürgen Schrampf. Er und sein Team haben im Auftrag des Klimaministeriums BMK nun exemplarisch verschiedene Lieferketten auf ihren Energieverbrauch untersucht.
Anhand von fünf typischen Logistikketten vom Finalproduzenten bis zur Übergabe am Endbestimmungsort des Verkaufs oder Verbrauchs, drei davon charakteristisch für den Einzelhandel, wird in einem aktuellen Screening-Projekt aufgezeigt, wo wieviel Energie verbraucht wird und damit auch die Potenziale für Einsparungen und Optimierungen untergliedert nach den Bereichen Transport, Prozesse und Gebäude.
Insgesamt wurden Lieferketten von Fertigerzeugnissen ab der finalen Produktionsstufe mit maximal drei Transportstufen und maximal zwei Lager-/Umschlagpunkten untersucht - gestartet mit dem Transport ab Versand bzw. Übernahme bis zur Übergabe am Endbestimmungsort.
„Wir haben uns fünf exemplarische Supply Chains angeschaut – auf der einen Seite Massengüterverkehr auf der Schiene mit Salzverkehren für die kommunale Versorgung von Streusalz, auf der anderen hochwertige Produkte wie Kosmetika, die dann im Filialeinzelhandel stehen, bis hin zu technischen Ersatzteilen – also ganz unterschiedliche Produktgruppen“, erklärt Studienleiter Jürgen Schrampf. Das Ziel war gegenüberzustellen, wieviel Kilowattstunden ein Kilo Streusalz vs. ein Kilo Duschgel vs. ein Kilo technisches Equipment verbraucht. „Diese Vergleichbarkeit ist von der Methodik her schwierig, weil Kilogramm per se ja nicht unbedingt der Treiber in den Logistikketten sind - sehr viele Transporte gehen ja aufs Volumen - das heißt man muss sich die ganze Analyse von zwei Seiten anschauen - nämlich gewichtsgetrieben und volumensgetrieben“, erklärt Schrampf.
Wenig überraschend: Transport braucht die meiste Energie
Der wesentlichste Anteil des Energieverbrauchs in den Lieferketten fällt auf Transportvorgänge – hier liegt der Anteil zwischen 75 und 90 Prozent. Ein in Relation kleiner Anteil an wird an den Logistikstandorten und Hubs verbraucht. An den Standorten sind vor allem die Beleuchtung, Heizung oder Kühlung, technische Anlagen und interne Transportsysteme als wesentliche Energieträger relevant.
Transportentfernung und Energieverbrauch stehen in der Logistik über alle Verkehrsträger also in direkter Abhängigkeit. Hier liegt also einer der größten Stellhebel für eine absolute Reduktion des Energiebedarfs – nämlich durch kürzere Distanzen und effizientere Abwicklungsformen.
Der Anteil des Energieverbrauchs von Gebäuden und Prozessen liegt bei jenen untersuchten Lieferketten, die Distanzen von etwa tausend Kilometern und ein bis zwei Lager- und Umschlagpunkte aufweisen, in einer Bandbreite von zehn bis 25 Prozent. Wenn Unternehmen also in diesem Bereich Energieeinsparungen von 20 Prozent erreichen, beträgt die Reduktion auf die gesamte Lieferkette betrachtet zwei bis fünf Prozent – außer, es erfolgen gleichzeitig auch Maßnahmen im Transportbereich.
Von den 70 bis 95 Prozent Energie, für die der Transport in den Lieferketten verantwortlich ist, fällt ein Anteil von fünf bis 30 Prozent für die letzte Meile an. Im Vergleich zur Langstrecke wird hier ein entsprechend höherer Energieaufwand je Transporteinheit benötigt. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung genau für den letzten Transportabschnitt sind also sinnvoll und vor allem schnell wirksam. Es hängt aber auch hier wieder von der jeweiligen Lieferkette ab, inwieweit Einsparungen in diesem Bereich zu einer relevanten Reduktion insgesamt beitragen können
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Benchmarks für Unternehmen
Die Betrachtung über die sehr unterschiedlichen Lieferketten hinweg zeigt eine Bandbreite beim Energieverbrauch mit einem Faktor 1:4. Das heißt der Verbrauch beim Transport einer Palette über einen Kilometer inklusive aller Lager- und Umschlagvorgänge kann im Vergleich um bis zu vier Mal höher sein – etwa wenn man Lieferketten mit Bahntransporten den Lieferketten mit Einzelsendungen und Feinverteilung via LKW gegenüberstellt.
„Dieser Faktor 1:4 hat uns überrascht – wir hätten gedacht, dass dieser Wert höher ist“, sagt Schrampf. Das liege aber vor allem daran, dass der Eisenbahngüterverkehr und die Verteilung von Massengütern sehr unterschiedliche Energieausstöße haben. „Aber zwischen normalen Handelsprodukten, technischen Artikeln und Langsamdrehern über ganz Europa verteilt ist die Bandbreite gar nicht mehr so groß: Hier liegt sie bei 0,13 zu 0,20 kWh pro Palette und Kilometer“, erklärt Schrampf.
Dieses Ergebnis sei auch ein Plädoyer findet Schrampf, denn die größte Klimaschutz- oder Energieeffizienzabteilung in Handels- oder Industrieunternehmen ist oft nicht die Logistik, sondern der Einkauf. Es macht einen großen Unterschied, ob ich europäisches, regionales oder lokales Sourcing betreibe - allein diese Distanz zu reduzieren ist der größte Energiehebel, das kann ich durch Optimierungsmaßnahmen meist nicht mehr reinholen. Wir wissen, dass viel Energie in den Transport fließt, aber das muss einem scheinbar erstmal so richtig mit Zahlen bewusst werden“, so der ECONSULT-Geschäftsführer.
Unternehmen hätten nun konkrete Zahlen zur Hand und könnten sich aus der Studie Benchmarks ziehen und ihre Lieferkette mit einer der fünf exemplarischen vergleichen und grob kalkulieren. „Ich kann als Unternehmen ein Gefühl dafür bekommen und die Hebel für Energieeinsparungen identifizieren. Es macht auf jeden Fall auch Sinn sich die eigenen Standorte genauer anzusehen – vor allem weil wir gesehen haben dass in jeder Supply Chain mehrere Partner involviert sind, da sind Handlungsgrenzen gesetzt. Bei den Standorten können Unternehmen selbst rasch Optimierungsansätze umsetzen“, erklärt Schrampf.