„Während ein Sturm gerade abklingt, ziehen die Wolken des nächsten schon am Horizont herauf. Gerade als wir auf das Abflauen der Omikron-Welle hofften, schlug eine weitere Welle zu – die russische Invasion in der Ukraine“, sagte Heng Swee Keat bei der Eröffnungsrede der Singapore Maritime Week.
Der Krieg in der Ukraine habe die Schifffahrt bereits stärker belastet, da die Lieferung von Luft- und Schienenfracht unterbrochen wurde, aber die "starken Fundamentaldaten" der Schifffahrtsindustrie bedeuten, dass ihre mittelfristigen Aussichten immer noch gut sind, so Heng.
Dies gelte trotz der mehr als 100 Schiffe, die derzeit aufgrund des bewaffneten Konflikts in den Häfen des Schwarzen Meeres festsäßen, und trotz potenzieller Probleme mit den Arbeitskräften, da Russland und die Ukraine 15 Prozent der weltweit in der Schifffahrt Beschäftigten ausmachten.
Auf Dispo-Anfrage antwortete Alexander Till, dass der Konflikt Russland/Ukraine natürlich spürbar sei, da sowohl russische als auch ukrainische Häfen nicht mehr von Schiffen angelaufen werden können. „Im weltweiten Geschehen spielen die Länder aber keine ausschlaggebende Rolle im Überseeverkehr. Natürlich sind wir jedoch alle über Umwege betroffen, was beispielsweise einzelne Bauteile für die Automotive-Industrie betrifft. Dies kann dazu führen, dass der Angriffskrieg auf die Ukraine am Ende des Tages doch bedeutet, dass Zigtausende TEU weniger transportiert werden, was bedeutet, dass Produkte nicht finalisiert werden können.“
Ein Insider bei einer großen Reederei erklärte kürzlich, „Russland wurde von der Karte getilgt, ist durch die Sanktionen praktisch nicht mehr existent". Selbst Buchungen, bei denen der Transport bereits zugesagt war, seien storniert worden, berichtet etwa Maersk-Sprecher Horn. Fleisch oder Früchte aus Südamerika etwa. "Kunden können gebührenfrei ein neues, alternatives Ziel für die Ladung festlegen."
Dennoch laufen die Häfen an der Nordsee voll, weil Reedereien Container zwischenlagern müssen, die sie nicht nach Russland transportieren dürfen. Davon profitieren die Containerterminals. Beim Hamburger Hafen- und Logistikkonzern sprudelt der Gewinn schon länger, weil wegen der Corona-bedingt mehrwöchigen Schiffsverspätungen Container länger im Hafen stehen, für die die HHLA Standgelder kassiert.
In russischen Häfen stehen derweil Zehntausende leere Container ungenutzt herum, die sonst von den Schiffen auf der Rückfahrt mitgenommen werden, wenn ihre Ladung gelöscht ist. Die Container werden wegen der Engpässe andernorts dringend benötigt. 50.000 entfallen allein auf die dänische Reederei Maersk. Die versucht nun, die Stahlboxen mit dem Zug aus Russland herauszuschaffen. Doch auf einen Zug passen je nach Länge 80 bis 100 Container, auf einem Schiff können es leicht 10.000 und mehr sein.
Grundsätzlich handle es sich um eine sich „gegenseitig verstärkende negative Spirale“, so Till: 90 Prozent der Schiffe sind nicht mehr im Fahrplan, speziell auf dem Trade Far East-Europe und Far East-Usa. Dies führt dazu, dass in den weltweiten Häfen die Abfertigung nur noch sehr verlangsamt durchgeführt werden kann; was wiederum dazu führt, dass der Stau vor den Häfen zunimmt.“