Schrott-Logistik : Wie LogServ voestalpine „schrottreif“ macht
Der heimische Stahlerzeuger voestalpine hat mit „greentec steel“ einen Stufenplan für die grüne Stahlproduktion entwickelt, in dessen ersten Schritt je ein Elektrolichtbogenofen (EAF) in Linz und Donawitz errichtet wird. Mit dem teilweisen Umstieg von der Hochofen- auf die Elektrostahlroute können bereits ab 2027 die CO2-Emissionen um bis zu 30 % reduziert werden, was knapp 4 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr entspricht – das sind fast 5 % der CO2-Emissionen Österreichs. Damit ist greentec steel das größte Klimaschutzprogramm in Österreich. Neben dem Strom sollen diese EAFs auch mit Schrott betrieben werden. „Damit verändert sich der Rohstoffmix; zusätzlich zu Kohle und Erzen wird nun mehr Schrott an den Standort gebracht. Das führt zu einer starken Veränderung des gesamten Transportes hier am Standort und in der Zuführung“, erklärt Christian Janecek. Der gesamte Schrottverkehr wird dabei zukünftig über die Schiene abgewickelt.
Neben der voestalpine streben auch andere europäische Stahlwerke die Umstellung auf eine grüne Stahlproduktion an. Daher werde zukünftig der Schrottbedarf in Europa insgesamt stark wachsen und es gehe darum, auch langfristig den Schrottbedarf zu sichern, erklärt Markus Schinko, der als Geschäftsführer der LogServ-Tochter CargoServ auch für den Gütertransport auf der Schiene zuständig ist. „Wir haben das Schrott-Sourcing auf drei Säulen aufgebaut: Einerseits kaufen wir den Schrott direkt von unseren Kunden aus der Automobilindustrie in einem Closed-Loop-Konzept, das ist der klassische Paketschrott. Die zweite Säule sind die klassischen Schrott-Händler wie etwa Eisen Neumüller in Ennsdorf oder die Scholz-Gruppe, an der die voestalpine auch beteiligt ist. Die dritte Säule betrifft unseren Eigenschrottanteil. So wollen wir den Schrottbedarf sicherstellen – daraus entstehen aber auch unterschiedliche Logistikanforderungen“, erklärt Schinko.
Standort Ennsdorf soll zum modernsten Schrott-Hub Europas werden
Etwa 20 Kilometer vom Werksgelände der voestalpine entfernt, in Ennsdorf, soll der erste Schrott-Hub entstehen, der als Pilotprojekt für weitere solche Hubs fungiert. „Als Schrott-Hub bezeichnen wir einen Lagerplatz für Schrott, wo Schrott vorsortiert und direkt auf der Bahn in Ganzzügen zum Werk zugefahren wird“, so Markus Schinko. Über vorerst zwei Gleise wird dabei zukünftig ein enormer Umschlag stattfinden: Im Endausbau wird pro Standort rund eine Million Tonnen Schrott jeweils im Ein- und Ausgang über den neuen Hub abgewickelt werden. Bisher bewegt sich die benötigte Menge bei jeweils rund 200.000 Tonnen.
LogServ hat angesichts dieser enormen Mengensteigerung gemeinsam mit Eisen Neumüller, der Rail Cargo Group, der voestalpine Rohstoffbeschaffungs GmbH und weiteren Beteiligten die Entwicklung des Standorts Ennsdorf frühzeitig begonnen: Kapazitätserhöhung der Anschlussbahn, umfangreiche Projekte rund um Infrastruktur und Waggonmanagement sowie digitale Prozesse. Für die zusätzlich errichtete Schrottumschlagsfläche wurden bereits zwei neue Gleise inklusive drei neuer Weichen gebaut. Auch Ausbaupläne für drei zusätzliche Gleise wurden vorausschauend gleich mitgedacht. Das Erweiterungspotenzial ist allerdings nicht allein auf die Gleisinfrastruktur begrenzt: Um auch zukünftig Prozessverbesserungen und innovative Möglichkeiten realisieren zu können, sind weitere hochmoderne Komponenten wie eine Visual Train Analysis und eine dynamische Gleiswaage bereits in Planung.
Derzeit, in Phase 1, wird der Schrott-Hub Ennsdorf bereits mit reduzierten Mengen betrieben. In dieser Phase ersetze man die „klassischen Einzelwagen“, wie Markus Schinko beschreibt, mit Ganzzügen. „Wir fahren direkt von Ennsdorf in einen Ganzzug zu uns auf das Werksgelände. Dazu haben wir auch neues Equipment benötigt und uns eine neue Bombardier-Lokomotive angeschafft.“ Diese zähle zu den modernsten Lokomotiven in Europa und könne etwa auch die letzte Meile ohne Oberleitung zurücklegen. „Sie hat auch einen tollen Nebeneffekt: Ich brauche nur einen Triebfahrzeugführer, der alle Aufgaben abdecken kann, das ist ein höchst anspruchsvoller Job. Und Lokführer sind heute eine sehr knappe Ressource“, so Schinko.
Für den Transport entwickelt LogServ gemeinsam mit TransANT und DB Cargo einen für den Schrotttransport optimierten Neubauwagen. „Wir sind gerade dabei, zwei Prototypenwagen für den zukünftigen Schrottverkehr zu bauen“, beschreibt Schinko. Dabei handelt sich es um Standard TransANT-Plattformwagen mit einem speziellen Aufbau für den Schrott-Transport. Aufgrund der begrenzten Gleislänge werden für die Beistellung bei Be- und Entladung möglichst kurze Züge mit maximierter Zuladung benötigt. Die neuen Waggons sind daher im Vergleich sehr kurz, bieten jedoch auf gleicher Länge einen Zuladungsvorteil von etwa 30 Prozent – und beinhalten hochfeste Stähle der voestalpine.
Grenzenlose Schrottversorgung
Damit der Schrotthub Ennsdorf immer genügend Schrott auf Lager hat, werden in Kooperation mit DB Cargo in Schwandorf Schrottmengen von Schrottplätzen aus ganz Deutschland gesammelt und gemeinsam mit anderen Stahlmengen gebündelt. Derzeit fährt drei bis vier Mal pro Woche ein Shuttle-Zug von Schwandorf nach Ennsdorf. In Phase 2, ab Ende 2026/2027 mit Inbetriebnahme des Elektrolichtbogenofens, werden zwei bis drei Züge täglich den Schrottbedarf decken.
Nach der gemeinsamen Reise von Schwandorf nach Ennsdorf steht Stahl und Schrott die Trennung bevor. Im Schrott-Hub wird der Stahl aus dem gebündelten Zug ausgelagert und der Schrott entweder umgeschlagen oder die Wagen für den weiteren Transport gesammelt. Vorsortiert nach dem Bedarf des voestalpine Schrottplatzes in Linz wird im Schrott-Hub schließlich eine Pendelgarnitur zusammengestellt – immer in Paketen von 18 Wagen, der optimalen Losgröße für die Gleislänge am Schrottplatz in Linz. Optional kann die Beladung und Reihung der Waggons optimiert für die Ausladung in der voestalpine konfiguriert werden. Die Logistik wird auch in diesem Schritt bereits jetzt für die Gleiskapazitäten in Linz voroptimiert, nicht erst in der Hochphase ab 2027.
Die größten Herausforderungen am Projekt, so Markus Schinko, seien vor allem die Ressourcen wie Waggons, Lokomotiven, aber auch Personal. „Und bezogen auf Ennsdorf ist es sicherlich die Bedienung der Anschlussbahn, auch durch die örtliche Situation. Es ist aktuell schon sehr anspruchsvoll, mit den vorhandenen Ressourcen überhaupt zusätzliche Züge abzudecken.“ Christian Janecek ergänzt: „Man muss produktionsgerecht die richtigen Schrottsorten und die richtigen Schrottmengen zuführen. Das ist wie ein Uhrwerk, das ineinandergreifen muss. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir gemeinsam mit all unseren Partnern gut zusammenarbeiten. Das umfasst schon den Schrotthändler, der für die operative Beschaffung zuständig ist, den Transporteur dazwischen, der den Hub betreibt, der Transport zum Werk bis hin zur Produktion. Das ist wie ein Staffellauf: Der funktioniert dann, wenn die Übergabe gut ist und nicht, weil einer besonders schnell läuft.“
Eine „Riesenchance“ in diesem Zusammenhang sieht Markus Schinko in der Digitalisierung des gesamten, umfassenden Prozesses. „So eine Möglichkeit bekommt man nicht so schnell wieder, dass man so einen Prozess hundertprozentig digitalisieren kann. Das reicht vom Vormeldesystem über den Zulauf zum und Abrufe vom Schrotthub bis hin zur Beauftragung der Transportleistungen zum Werk. Auch das bereiten wir gerade vor.“
"Schrott ist nicht gleich Schrott"
Schrott als Kreislaufstoff verfügt über unterschiedliche Qualitäts-Eigenschaften. Der reinste Schrott ist der Paketschrott, der direkt in der Produktion der Automobilindustrie anfällt und zu Schrottwürfeln gepresst wird. Dieser hat den höchsten Reinheitsgrad. Auch Schienen sind hochwertiger Schrott, weil dieser im Wesentlichen nicht verunreinigt ist. Schrott aus dem Altstoffsammelzentrum ist sehr unrein und muss aufbereitet und sortiert werden – das passiert auch heute noch händisch. Auch Legierungsmaterial findet sich im Altschrott – dieses kann ebenfalls wiederverwertet werden.