Procurement : Beschaffung wird regionaler
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Umsätze oder Insolvenzentwicklung werden intensiv beobachtet. Aber was macht die Krise mit der Beschaffung?
Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich BMÖ, Stöhr Faktor Unternehmensberatung und die Münchener International School of Management haben die Einkaufsleiter deutscher und österreichischer Unternehmen nach den Auswirkungen von Covid-19 und der Digitalisierung auf das Supplier-Relationship-Management befragt. Einige Erkenntnisse aus der Studie:
- Digitalisierung (65%), Risikomanagement, Lieferantenmanagement (je 62%) sowie Prozesseffizienz (55%) sind die dringendsten Aktionsfelder der Einkaufsleiter (CPOs); es folgen mit Abstand: Liquiditätsmanagement, Sachkostenreduzierung, Nachhaltigkeit etc.
- 68% berichten von Verzögerungen in der Lieferkette, die Hälfte von Lieferausfällen; bei 46% ergaben sich Beeinträchtigungen durch Produktionstopps ihrer Lieferanten.
- 38% sahen sich mit höheren Preisen konfrontiert; 17% mussten auf Qualitätsmängel und 13% auf Lieferanteninsolvenzen reagieren.
- 43% haben vertragliche Vereinbarungen ausgesetzt; 24% unterstützen Lieferanten durch Abnahme von Produkten trotz gesunkenem Bedarf; 22% haben Vorauszahlungen geleistet.
- 28% wollen mehr Multiple Sourcing (Ordern bei „parallelen“ Quellen) betreiben.
- 64% werden weiter in bestehenden Regionen agieren; 24% wollen Regional Sourcing stärken.
- Vor allem im asiatischen Raum wird das Beschaffungsvolumen mittelfristig reduziert; etwa: China -18%, Indien -20%, Rest-Asien sowie Russland je -17% und Nordamerika -14%.
- Von der Verlagerung profitieren Europa und Osteuropa (je 16%).
- Alternativlieferanten in Europa sind im Schnitt teurer, liefern aber vergleichbare oder bessere Qualität; hierfür und für eine bessere Versorgungslage ist man bereit, mehr zu zahlen.
Virus als Katalysator
BMÖ-Vorstand Heinz Pechek erwartet, dass „in Folge von Covid-19 mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, als zunächst angenommen wurde“. Daraus erwachse für Einkauf und SCM „die dringende Aufgabe, sehr viel stärker als bisher auf finanzielle Stabilität und technologische Zukunftsfähigkeit ihrer Lieferanten zu achten. Preise sind zu relativieren. Wenn Digitalisierung im Einkauf und in der Supply Chain mancherorts durch vergleichsweise zu geringe Investitionsbudgets und dann noch zusätzlich durch festgefahrene Arbeitsweisen behindert wird, verschenken Unternehmen Zukunftspotenzial. Das Virus sollte als Katalysator dienen.“