Zustell-Lösungen : Eingeschlossen – wenn das Paket im Spind wartet

Warum sich etwas in einen Spind irgendwo in der Stadt liefern lassen, wenn man das Paket auch zu Hause zugestellt bekommen kann?

Falsch herum gedacht. Warum daheim auf ein Paket warten, dessen Ankunftszeit man sich nicht aussuchen kann und statt welchem im schlechtesten Fall ein gelber Zettel kommt? Warum, wenn das Paket auch einfach in einem eigens dafür vorgesehenen Spind abgelegt werden kann, aus dem man es abholt, wenn es einem passt?

Auf diesen Ansatz bauen gleich mehrere europäische Unternehmen. Als da zum Beispiel wären: der Start-up Facility Lockers aus Belgien, Neopost aus Frankreich oder InPost aus Polen. Sie alle waren auf der Logistik-Konferenz Deliver in London vertreten und sie alle meinen, etwas geschaffen zu haben, was ihre Konkurrenz nie und nimmer erreicht. Doch wie unterschiedlich sind sie wirklich?

Die Idee, den Empfang einer Lieferung für den Endkunden einfacher und komfortabler zu gestalten, bringt nicht nur Start-ups auf die Bildfläche, sondern auch so manche Denkstuben etablierter Konzerne zum Kochen. Denn Fakt ist, dass immer mehr Menschen online Konsumgüter bestellen und neben einer schnellen vor allem eine komfortable Zustellung erwarten. Bei Amazon ergab dieser Druck zuletzt unter anderem die Neuerung, sich das Päckchen in den eigenen Kofferraum hinterlegen lassen zu können.

„An sich eine gute Idee, aber nicht so einfach durchzusetzen“, sagt Maxime de Caritat, Produktchef bei Facility Lockers. „Bei älteren Automodellen funktioniert das bereits nicht mehr.“ Ein anderer großer Punkt, den Facility Lockers erfüllen möchte, wäre bei den Kofferraum-Hinterlegungen sowieso undenkbar: temperatur-geregelte Schließfächer, sodass auch Lebensmittel darin aufbewahrt werden können.

Das sei zwar nicht der allererste Zweck, an den die Kunden bei den Facility Lockers denken würden, gibt de Caritat zu; dennoch würde sich die Idee gut machen – derzeit besonders in Bürohäusern, Wohnhäuser würden nun anschließen. Natürlich werden in den belgisch-basierten und nach Frankreich expandierenden Schließfächern auch Pakete abgelegt. Bei dieser einen Grundidee zu bleiben, scheint aber nicht Ding dieses Start-ups zu sein. „Als ich in Berlin sah, wie die Paketflut ständig zunimmt, hatte ich die Idee mit den Schließfächern. Mein Partner hatte dann den Einfall mit der Dienstleistungsseite.“ Denn in den Lockers können auch zu Beispiel Kleidungsstücke hinterlegt werden, die dann zur Reinigung oder Reparatur abgeholt und wieder zurückgelegt werden.

Da ist der Ansatz von Neopost dann doch ein wenig ein anderer. Das Postbearbeitungsunternehmen glaubt, dass Click and Collect die Zukunft des Handels ist – oder zumindest sein könnte. Also statt Jäger und Sammler Klicker und Sammler? „Der einzige Grund, warum Händler nicht Click and Collect anbieten, ist oft bloß ihre Angst vor diesem Investitionsschritt“, sagt Audrey Williart, Marketing Manager bei Neopost in London. Das ursprünglich französische Unternehmen ist in Großbritannien, Japan und den USA bereits mit seinem Click and Collect-System Decathlon ansässig. „Der „after-purchase“ ist einfach wahnsinnig wichtig“, so Williart. Dass der Kunde etwas gekauft hat, ist also schön und gut – doch wie sich für ihn das Entgegennehmen der Ware gestaltet, das ist von großer Bedeutung für die Zufriedenheit.

Ob diese Zufriedenheit mit Click and Collect optimiert werden kann, wird sich an anhand von 20 französischen Geschäften zeigen, die von Neopost nun mit seiner eigenen Packcity Solution ausgestattet wurden – 75 bis 150 automatisierte Schließfächer pro Laden, in die die per Klick gekauften Produkte zur Abholung bereit hinterlegt werden. Der Unterschied zu Facility Lockers erscheint klar. „Wir konzentrieren uns mehr auf die Händler, nicht auf Privatpersonen“, fasst Williart ganz nüchtern zusammen. „Auf der Produktebene werden wir immer Konkurrenz haben, aber derzeit bietet niemand End-to-End-Lösungen wie wir an.“

Als weitgehend konkurrenzlos betrachtet sich hingegen InPost. Das Unternehmen hat sich mit seinen Schließfächern von Polen aus mit Patenten von DHL bereits einigermaßen in Italien und Großbritannien – hier mit 1.200 Fächern – etabliert. Beliefert werden die „Maschinen“, wie sie hier gerne genannt werden, von verschiedenen Transporteuren, mit denen InPost kollaboriert. In Großbritannien etwa mit DHL, DX und UK Mail. Auch in Chile und Australien wird mit der örtlichen Post zusammengearbeitet. „Unsere Position ist einfach eine ganz andere als die von Neopost“, meint Olivier Binet, Head of International Markets bei InPost in London. „Neopost verkauft im Grunde nur seine Maschinen an die Händler. Wir hingegen helfen Online-Shops tatsächlich dabei, mehr zu verkaufen.“

Der Glaube, keine Konkurrenz zu haben, geht bei Binet so weit, dass er Facility Lockers nicht einmal kennt. Angesprochen auf deren Idee, Schließfächer mit Kühlfunktion für das Aufbewahren von Lebensmitteln anzubieten, wird er dann schon fast zappelig. „Doch, so etwas haben wir schon auch. Aber nicht in Großbritannien. Und überhaupt, das ist nicht das Herz unseres Models.“

Vielleicht ist das Herz des Modells dann aber doch das gleiche bei jedem der drei Unternehmen, so sehr sie auch darauf pochen, einzigartig zu sein – es ist die felsenfeste Überzeugung, dass der Kunde nicht damit zufrieden sein kann, daheim auf irgendetwas zu warten. Ob das nun der Kunde ist, der mit frischen Lebensmitteln nach Hause gehen will, oder der Kunde, der alles nur online kauft, oder bereits der kolportierte Kunde der Zukunft, der ganz und gar auf Click and Collect abfährt. Als würden diese Unternehmen eine kleine Welt in ihren Schließfächern sehen.

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