Unternehmensführung : So gefährlich ist Motivation am Arbeitsplatz

Sie wollen ein so produktives und erfolgreiches Unternehmen wie Google? Fühlen Sie sich erstens zu Ihren durchaus überhohen Ambitionen beglückwünscht; und fragen Sie sich zweitens, ob der Schlüssel vielleicht in der Art liegt, wie Google seine Mitarbeiter motiviert.

Denn der US-Riese ist bekannt für seine Incentives, soll heißen Anreiz-Politik. So können die Mitarbeiter beim Firmensitz in Montain View, Kalifornien, auch am Arbeitsplatz Bier trinken, Powernaps in Ruhezonen abhalten oder zwischendurch eine Runde Billard spielen.

Wenn sich das für Sie kontraproduktiv anhört, sind Sie mit dieser Meinung in Europa nicht alleine. Zwar zeigt sich da und dort vermehrt – und vor allem von Amerika inspiriert – eine Motivationspolitik auch in europäischen Unternehmen, die meint, mit mehr Spaß in der Arbeit funktioniert auch die Arbeit selbst besser; doch durchgesetzt hat sich dieses Konzept noch lange nicht. Das liegt nicht nur an einer Resistenz in den Chefetagen, sondern auch an europäischen Beratungsunternehmen, die von dieser Strategie eher abraten.

So meint etwa der ehemalige Personalmanager und Autor des Buches „Mythos Motivation“ Reinhard Sprenger, dass gute Mitarbeiter mit Motivationen eher belästigt würden und man sie lieber ungestört arbeiten lassen solle. Doch was, wenn es nicht nur herausragend gute Mitarbeiter gibt? Vielleicht lässt sich mit dem einen oder anderen Incentive die Arbeitsmoral des Gros der Belegschaft steigern, während nur ein kleiner Prozentsatz durch Massagestühle und Tischfußball mehr abgelenkt denn gefördert wird.

Hier kommt es mit Sicherheit auch auf die Zusammensetzung der Belegschaft selbst. Es mag beispielsweise nicht verwundern, dass die Unternehmen auf europäischem Boden, die in den letzten 15 Jahren auf Ruhe- und Freizeitzonen am Arbeitsplatz setzten, vor allem Jungunternehmen und Start-ups waren. Auch sagt der deutsche Wirtschaftspsychologe Florian Becker: „Die Mitarbeiter von Google sind hauptsächlich junge Männer. Und junge Männer sind noch ein bisschen verspielt.“ Da würden also Dartboards und Rutschen in die Kantine noch eine andere Wirkung erzielen als auf ältere oder weibliche Mitarbeiter.

So wie bei vielen Dingen im Leben liegt die Antwort wahrscheinlich im Finden der goldenen Mitte. Mitarbeitern so viel Freizeit und Erholung in der Arbeit zu bieten, dass Freizeit und Erholung nicht mehr außerhalb der Arbeit gesucht werden, könne leicht zu Überlastung führen, sagt die Burnout-Spezialistin und Psychotherapeutin Helen Heinemann. Der Google-Rekord eines Mitarbeiters, der den Campus nie verließ, liegt bei drei Jahren. Wenn Sie finden, dass das nicht gesund klingt, dann haben Sie damit vermutlich absolut recht.

Auf der anderen Seite – und hier befinden wir uns auf dem Weg zur goldenen Mitte – scheint Google aber etwas richtig zu machen. Beispielsweise gestattet es der Konzern seinen Angestellten, ganze 20 Prozent ihrer Arbeitszeit in Projekte eigener Wahl zu stecken. Die müssen rein gar nicht mit dem Vorgesetzten abgesprochen werden, sollen sich aber mehr oder weniger im IT-Bereich bewegen. Und tatsächlich geht ein Großteil der Google-Innovationen aus genau diesem Fünftel Arbeitszeit hervor. Das ist zwar kein Tischfußball – aber doch immerhin ein Incentive.

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