Interview : „Die weitere Konzentration ist nicht gut für den Markt“

Rainer Schwarz DPD
© DPD/Marcel Koehler

dispo: Herr Schwarz, wie ist es DPD 2019 in Österreich ergangen?

Rainer Schwarz: Wir haben im Vorjahr 52 Millionen Pakete abgewickelt, das war eine Steigerung um rund 1,5 Millionen. Das große Wachstum haben wir mit rund 18 Prozent natürlich im B2C-Bereich erlebt, allerdings auch ein Plus um zwei Prozent bei B2B. Das ist schon bemerkenswert, da sich B2B zuletzt ziemlich flach entwickelt hatte.

Woher kommt das Wachstum?

Schwarz: Die gute Konjunktur hat natürlich geholfen. Doch das Wachstum ist auch eine Folge von Veränderungen im Markt. Spätestens seit der Übernahme der DHL-Paket-Mengen legt die Österreichische Post ihren Fokus auf das Privat-Paket, denn die übernommenen Mengen sind ja reines 2C-Substrat. Der eine oder andere B2B-Kunde hatte hier möglicherweise das Gefühl, die Prioritäten der Post seien nun ein wenig andere, und hat sich daher an jene gewandt, deren Fokus auf B2B liegt.

Sie werden Ihren Fokus nicht verschieben?

Schwarz: Nein, DPD bleibt B2B-Spezialist. Drei Viertel unserer Mengen kommen aus diesem Bereich. Wir haben immer darauf geachtet, es im 2C-Bereich nicht zu übertreiben: Hier Mengen zu generieren, ist ja recht einfach. Damit auch Geld zu verdienen, ist es leider nicht. Natürlich haben Anbieter wie Amazon großes Interesse daran, dass die Dienstleister ihre Kapazitäten permanent erweitern. Wer das aber nur in Hinblick auf das 2C-Substrat tut, könnte ein Problem bekommen: Meine Vermutung ist, dass Amazon nach dem Start der Eigenzustellung in Wien auch weitere Ballungsräume in Angriff nehmen wird. Und ich will nicht eines Tages mit Kapazitäten dastehen, die ich nicht auslasten kann.

Noch einmal zu DHL: Welche Folgen hat denn der Rückzug aus dem österreichischen Paket-Geschäft für das Marktgefüge?

Schwarz: Meine persönliche Meinung ist, dass die weitere Konzentration nicht gut für den österreichischen Markt ist. Im Sinne der Konsumenten ist Anbieter-Vielfalt immer besser, doch die Post hat nun im 2C-Bereich einen Marktanteil von über 70 Prozent. Denken Sie etwa an die Etablierung eines gemeinsamen Systems von Abgabe-Boxen: Das kann ja nur ein Erfolg sein, wenn alle Dienstleister in solche Boxen liefern. Die Österreichische Post hatte nie Interesse daran, ihr Netz mit anderen Anbietern zu teilen oder an einem neuen Netz teilzunehmen. Der gestiegene Marktanteil dürfte dieses Interesse nicht gerade wecken.

Interessant finde ich allerdings, dass nun Anbieter aus ganz anderen Branchen solche Boxen etablieren wollen – A1 etwa oder die Salzburg AG. Das kam auch für uns unerwartet. Meine Hoffnung ist, dass diese Großen einen gewissen Druck der Konsumenten erzeugen können, dem sich die Post vielleicht eines Tages doch beugen muss. Daher sind wir auch bei beiden Projekten dabei.

Die Mitarbeiter der DHL wurden von der Post übernommen, also müssen Sie auf steigende Mengen mit Rekrutierung reagieren. Wie schwer tun Sie sich?

Schwarz: Für die gesamte Branche ist es definitiv schwieriger geworden, vor allem im Bereich der Zustell-Fahrer. Ich kann ja auch nicht leugnen, dass das ein anstrengender Beruf ist, wir teilen dieses Problem nicht zufällig mit Branchen wie der Gastronomie oder den Pflegeberufen. Und man muss auch offen sagen: Unsere Mitarbeiter bekommen oft den Ärger von Empfängern für Umstände ab, für die sie nichts können. Die Toleranz der Menschen ist manchmal bemerkenswert gering.

Also was tun Sie? Mehr bezahlen?

Schwarz: An der Gehalts-Schraube zu drehen, wird nicht reichen. Ich ärgere mich übrigens sehr über Begriffe wie „prekäre Arbeitsverhältnisse“ und ähnliches, das man im Zusammenhang mit Logistik immer wieder liest. Im Unterschied etwa zu Deutschland haben wir in Österreich einen Branchen-Kollektivvertrag. Und abgesehen von der Bauwirtschaft gibt es keine Branche, in der so viele behördliche Kontrollen durchgeführt werden. Als Dienstleister kann ich nur erfolgreich sein, wenn ich ausreichend Personal habe. Und das habe ich nur, wenn ich die Menschen gut behandle und gut bezahle.

Wie macht man den Job dann attraktiver?

Schwarz: Über viele Maßnahmen, die die Arbeit erleichtern. Dazu gehört etwa unser „Smart Driver“-Projekt, das die Fahrer mit einem Scanner ausstattet, über den alle mit den Paketen verknüpften Informationen ausgespielt werden können – inklusive optimierter Routen. Ein wichtiger Punkt ist in meinen Augen auch positives Feedback. Wir haben ein Bewertungssystem etabliert, über das die Empfänger den Mitarbeitern Rückmeldung geben können. Interessant ist, dass diese Bewertungen überwiegend sehr positiv ausfallen – da ergibt sich ein ganz anderes Bild als in manchen Sozialen Plattformen. Und schließlich muss man auch im Recruiting manchmal neue Wege gehen.

Zum Beispiel?

Schwarz: Wir haben in unseren Niederlassungen im Westen Österreichs – wo der Fahrermangel teils besonders stark ist – eigene Fahrer angestellt. Die sind speziell geschult, können also auch Springer-Dienste übernehmen und selbst neue Kollegen einschulen. Wir haben diese Jobangebote stark über die Social Media gespielt. Und wir erhielten Unmengen an Bewerbungen.

Apropos neue Wege: Wir haben wieder eine gewählte Regierung, und wir haben erstmals eine grüne Verkehrsministerin. Erwarten Sie Fortschritte in Ihrem Bereich?

Schwarz: Ja, die erwarte ich. Einerseits stimmt mich positiv, dass die Themen Logistik, Infrastruktur und Verkehr im Regierungsübereinkommen überhaupt so prominent vorkommen. Und andererseits nähert sich Österreich nun einmal unaufhaltsam dem Punkt, an dem es sehr teuer werden könnte, wenn wir unsere Vorgaben hinsichtlich CO2-Reduktion nicht erfüllen. Daher bewegen sich nun manche Dinge, und das finde ich sehr erfreulich. Es gibt ja eine Menge guter Ideen – wie zum Beispiel im Masterplan Logistik des Zentralverbandes Spedition & Logistik. Wichtig ist, dass solche Ideen nun auch konsequent weitergeführt wurden. Immer darauf zu warten, dass die Unternehmen von sich aus tätig werden, könnte zu wenig sein. Es bedarf auch des Inputs von staatlicher Seite. Und schön wäre auch, wenn die Vorgaben dann für alle gelten.

Die grundlegende Neustrukturierung der City-Logistik werden wir aber nicht so bald erleben?

Schwarz: Die große Innovation, der große Knaller, ist nicht in Sicht. In absehbarer Zeit geht es um kontinuierliche Weiterentwicklung von Themen wie Abgabeboxen oder City Hubs, um die Vereinfachung interner Prozesse und darum, den Empfängern das Leben leichter zu machen. Wir erweitern etwa permanent die Funktionalität unserer Paketsteuerungs-Plattform myDPD. Ich denke, das nächste wirklich große, neue Thema wird in unserer Branche das autonome Fahren werden – aber das wird noch dauern.