Onlinehandel : So tickt der Kunde im E-Commerce – Teil eins von zwei
Hätten Sie gedacht, dass das an sich aufwendige Retourengeschäft auch positive Möglichkeiten für den Onlinehändler bietet? Oder dass die Briten und Franzosen sich beim Bestellen im Ausland mehr Sorgen machen als andere Europäer? Das sind keine verrückten Nebensächlichkeiten, sondern Trends, die den E-Commerce von heute und morgen prägen.
Onlinehändler müssen das wissen und verstehen, um am Markt zu bestehen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Ansprüche der Kunden steigen in etwa so schnell wie die Bestellklicks und täglichen Paketfluten. Auf dem Logistik-Großevent Deliver vor zwei Wochen in Lissabon präsentierte die KEP-Unternehmensgruppe dpd ihren aktuellen Marktbericht, der den europäischen Onlinehandel durchleuchten will.
Laut diesem Bericht bestellt der durchschnittliche Onlineshopper sieben Pakete pro Jahr – ein Paket mehr als noch 2017. Das klingt noch nicht sehr viel, doch spiegelt es auch klare Trends wider. Denn die Herausforderung für die Logistik im Lager und für die KEP-Dienste ist die Bewältigung der Bestellmengen des oberen Drittels aller Onlineshopper. Diese sogenannten Heavy Buyers machen 86 Prozent des gesamten Marktvolumens im Netz aus. Und dadurch, dass Dienstleister wie Händler immer größere Bemühungen aufbringen, den Kundenwünschen zu entsprechen, steigt auch die Kundenanzahl. Denn die Menschen machen immer positivere Erfahrungen mit der Einfachheit des digitalen Shoppens – vom hilfreichen Chatbot bis hin zu den vielen Bezahlmöglichkeiten –, erhalten ihre Bestellungen immer schneller und können auch immer öfter Produkte gratis retournieren. Ein weiterer wichtiger Faktor für die steigende Zahl nicht nur an Onlineshoppern, sondern auch an Heavy Buyers ist die größere Bandbreite an Produkten. Denn das Angebot an Möbeln, frischen Lebensmitteln und Hightech-Geräten steigt und spricht damit mehr potentielle Kunden an.
„Frische“ Kunden – ein neues Segment
Dass Angebot und Kaufbedingungen zusagen, sieht man an einer weiteren Zahl: 15 Prozent der heutigen E-Shopper sind seit weniger als zwei Jahren dabei. Doch bereits fast die Hälfte von ihnen sind bereits zu Heavy Buyers geworden. Gut ein Viertel von ihnen kauft auch schon mindestens einmal die Woche etwas im Internet. Zum Vergleich: Alle Käuferklassen zusammengenommen, tätigen 13 Prozent einmal wöchentlich oder öfter eine Onlinebestellung. Dass diesen noch „frischen“ Shoppern das Einkaufen im Netz gefällt, ist offenkundig – sie bewerten ihre Erfahrungen als sehr gut oder hervorragend, stellen aber auch höhere Ansprüche an die Sicherheit beim Bezahlen. Sie senden auch häufiger Artikel zurück als der durchschnittliche Onlinekunde – 21 Prozent im Vergleich zu zehn Prozent. Diese neue Generation an Kunden stellt also eine gänzlich eigene Gruppe dar.
Doch wofür interessieren sich die E-Shopper eigentlich genau? Mode ist nach wie vor die wichtigste Kategorie. Seit Januar 2019 haben 55 Prozent Kleidung oder Schuhe online gekauft. Doch auch Kosmetikartikel machen einen großen Teil des Marktes aus und frische Lebensmittel beziehungsweise Getränke erreichen mittlerweile 16 Prozent der Kunden. Damit wächst ein neues Segment heran, dessen Auswirkungen auf die Logistikbranche noch schwer abschätzbar sind – denn sind die Menschen zufrieden mit ihren Essensbestellungen im Netz, ist es wahrscheinlich, dass sie in Zukunft noch öfter und mehr Lebensmittel bestellen und weitere Kunden hinzukommen. Schließlich brauchen die Menschen – auch wenn sie sich nicht unbedingt so verhalten – mehr Essen als Kleidung. Gegenüber 2017 ist der Lebensmittelmarkt online bereits um zwei Prozent gestiegen, viele Kunden bestellen schon monatlich oder öfter, und unter Heavy Buyers macht das Segment schon zehn Prozent aus.
Die Zufriedenheit im Zurücksenden
Retouren – ein besonderer Mehraufwand für die Logistik – machen natürlich weiterhin vor allem Kleidungsstücke aus. Und die Rücksendungen steigen im Allgemeinen stark an – in einem Jahr zuletzt um vier Prozent. Doch gut die Hälfte der Kunden findet das Rücksenden von Artikeln einfach. Dpd ist außerdem der Meinung, dass darin nicht eine steigende Unzufriedenheit mit den Produkten zu sehen ist – im Gegenteil, die Zufriedenheit ist im Schnitt nach wie vor sehr hoch –, sondern die Möglichkeit des Retournierens einfach Teil der gesamten Experience für die Kunden ist. Die KEP-Unternehmer raten Onlinehändlern dazu, diese Umstände als eine weitere Möglichkeit zu sehen, mit ihren Kunden in Kontakt zu treten und die Kauferfahrung positiv und einfach zu gestalten.
Auch über die Verteilung in Europa lässt sich einiges ablesen. So wächst ganz allgemein die Zahl derjenigen, die mindestens einmal pro Woche online bestellen – doch vorne weg sind ganz klar vier Länder: das Vereinigte Königreich (23 Prozent gemessen an Gesamteuropa), Irland (16 Prozent), Polen und Frankreich (je 13 Prozent). Die Bestellungen werden natürlich nicht alle im Inland getätigt – knapp ein Fünftel aller Produkte überqueren während ihrer Lieferung eine Staatsgrenze. Am meisten im Ausland bestellen Kroatien, Irland und Lettland, doch starkes Wachstum wird in Rumänien und Deutschland verzeichnet.
Bestellen bei den Nachbarn
In Österreich ist ein klarer Trend erkennbar – hier werden 72 Prozent der Bestellungen auf deutschen Websites getätigt. Auch die Schweiz hält sich vor allem an seine Nachbarländer Deutschland und Frankreich. Doch insgesamt steigen nicht nur die Bestellungen ins europäische Ausland, sondern auch jene in die USA und nach China. Grund für Bestellungen im Ausland ist sehr oft der Wunsch nach größerer Auswahl, doch im Fall von China auch nach besonders günstigen Schnäppchen.
Was diese grenzüberschreitenden E-Shopper gemeinsam haben, ist, dass sie meistens sowieso schon sehr viel online kaufen und außerdem eher aus den höheren Einkommensklassen kommen. Denn für viele sind Extrakosten, die bei einer Bestellung im Ausland hinzukommen, Grund genug für einen Abbruch. Besonders Briten und Franzosen machen sich außerdem um ihre Datensicherheit bei Auslandsbestellungen Sorgen. Bei den Punkten Kosten und Sicherheit könnten Anbieter ansetzen, um mehr Kunden aus dem Ausland zu gewinnen – denn der Markt, so macht auch dpd klar, hat definitiv noch Platz zu wachsen.
Im zweiten Teil dieser Serie erfahren Sie, wie Onlinekunden mit ihren Warenkörben umgehen, welche neuen Gewohnheiten sich abzeichnen und wie wichtig der Kontakt mit den Lieferunternehmen ist.
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