Schifffahrt : Wie weit ist die Elektromobilität im Schiffstransport?

© YouTube/ Ton van Meegen

Geht es um die Elektromobilität, wird meist an E-Autos und emissionsarme Lkw gedacht. Elektrische Antriebe sind aber in der Schifffahrt ebenso möglich, ebenso im Entstehen – und mindestens ebenso notwendig. Schließlich macht die Schifffahrt drei bis vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Mit der Verbrennung von Schweröl ist sie sogar für 15 Prozent der globalen Stickoxidemissionen und 13 Prozent der Schwefeldioxidemissionen verantwortlich – Tendenz steigend. Beispiele aus Europa zeigen, wo die E-Schifffahrt derzeit steht – und wo ihre Grenzen liegen.

Besondere Aufmerksamkeit erhält momentan die Yara Birkeland, ein vollkommen elektrisch betriebenes und emissionsfreies Containerschiff aus Norwegen, das aller Voraussicht nach nächstes Jahr in See sticht. Wenn es wie geplant bis 2022 auch noch vollautonom fährt, wäre es ein absoluter Pionier auf dem Gebiet.

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Selbstständig navigierende Schiffe haben zwei offensichtliche Vorteile – fehlt die Mannschaft, gibt es erstens niedrigere laufende Kosten, und zweitens mehr Platz. Platz, der für Ladegut verwendet werden kann. Die Yara Birkeland soll mit ihren 80 mal 15 Metern und 3.200 Tonnen Eigengewicht 120 Standardcontainer tragen.

Weniger Menschen, mehr Platz am Containerschiff

Ein wenig weiter südlich spricht man von größeren Zahlen. Die niederländische Reederei-Initiative Port-Liner hat den EC110 fertigentwickelt – das erste vollelektronische Containerschiff der Welt, das auch bereits autonom fahren könnte. Hier sollen – dank Wegfallens von Menschen und großem Maschinenraum – sogar 280 Container Platz finden. Die Ladefläche der 110 mal 11,4 Meter großen Schiffe ist achtmal größer als bei einem durchschnittlichen Containerschiff. Sobald auch die Ladeinfrastruktur fertiggestellt ist, soll die Produktion beginnen.

Ob die Schiffe auch wirklich autonom fahren werden, nur weil sie könnten, ist eine andere Geschichte. Die Software – von Port-Liner selbst entwickelt – gibt es, doch nach aktuellem Stand muss immer noch ein Mensch an Bord sein und den Betrieb überwachen. Denn es fehlt einfach noch an den gesetzlichen Regelungen für autonomes Fahren zu Wasser. Ton van Meegen, Geschäftsführer von Port-Liner, glaubt sogar, dass es bis dahin noc 15 Jahre dauern könnte. Ob im Endeffekt EC110 aus den Niederlanden oder Yara Birkeland aus Norwegen das erste selbstfahrende E-Containerschiff der Welt wird, lässt sich also noch nicht sagen. Was bei diesem Problem etwas bizarr ist: Beide Vorreiter auf dem Gebiet sind für die Binnenschifffahrt vorgesehen. „Autonomes Fahren in der Binnenschifffahrt ist kein Hexenwerk“, so van Meegen. „Anders als auf hoher See haben sie hier nicht mit schwierigen Bedingungen wie rauem Seegang oder riesigen Distanzen zu kämpfen.“ Autonom fahrende Autos und Lkw haben derweil schon mit weniger gesetzlichen Problemen zu kämpfen. Fast ironisch, werden die Containerschiffe von Port-Liner doch aufgrund ihres Antriebs auch Tesla-Schiffe genannt. Der Autohersteller hat aber mit dem Projekt freilich nichts zu tun. Den Einsatz der Schiffe plant das Logistikunternehmen GVT über den Wilhelmina-Kanal zwischen Rotterdam und dem Industriegebiet Tilburg. Zwischen den Niederlanden und Belgien soll außerdem ein kleinerer Typ verkehren, der 24 Container und 425 Tonnen Schüttgut tragen kann.

Welches wird das erste selbstfahrende E-Schiff?

Wie sind diese Projekte nun aber möglich – technisch wie finanziell? Die Batterien der Yara Birkeland treiben zwei Propellergondeln an. Sie schafft eine Höchstgeschwindigkeit von 13 Knoten oder 24 km/h, was ungefähr der Leistung eines Hochseefrachters entspricht – so gesehen wird also nichts eingebüßt. Die reguläre Reisegeschwindigkeit soll bei bis zu sieben Knoten, etwa 13 km/h, liegen. Mit einem Hochseefrachter muss das E-Schiff aber gar nicht verglichen werden, denn für einen solchen Einsatz wären die Batterien nicht langlebig genug. In den ruhigen Binnengewässern hingegen geht sich eine 35-Stunden-Fahrt aus.

So verhält es sich auch bei den „Tesla-Schiffen“ von Port-Liner. Vier Akkus mit einer Kapazität von insgesamt 72 Megawattstunden an Bord reichen für 35 Stunden. Im Hafen von Rotterdam beziehungsweise Antwerpen werden dann die Akkus ausgetauscht, ihre Ladezeit beträgt vier Stunden. Ein Akku-Antrieb müsste aber nicht sein, auch Brennstoffzellen wären möglich, so Ton van Meegen von der Reederei. Für fünf kleine und sechs große dieser Schiffe, sowie die Ladeinfrastruktur werden 100 Millionen Euro investiert. Die EU zahlt steuert sieben Millionen bei. Das Projekt in Norwegen – weitaus kleiner angelegt, da eigentlich „nur“ das Vorhaben des Unternehmens Yara, um Düngemittel Diesel-sparend zu transportieren – kostet hingegen 40 Millionen Euro. Der norwegische Staat übernimmt etwa ein Drittel. Bei der Entwicklung half das Offshore-Technik-Unternehmen Kongsberg, bei der Produktion die Reederei Vard. Nur der Rumpf kommt aus Rumänien, sonst bleibt alles in norwegischer Hand.

„Kein Hexenwerk“

Ein Thema bei der Entwicklung von E-Schiffen, besonders, wenn sie auch autonom fahren sollen, ist die Sicherheit. Auf der einen Seite, wie die gewährleistet werden soll; auf der anderen, ob die Schifffahrt nicht sogar zur Verkehrssicherheit auf den Straßen beiträgt. Im Fall der norwegischen Yara Birkeland kommt ein Automatic Identification System zum Einsatz. Es soll nicht nur andere Schiffe, sondern durch die Genauigkeit der Kamera sogar Bojen und Möwen rechtzeitig erkennen. Ob dem Schiff beigebracht wird, Möwen auszzuweichen, ist eine andere Geschichte. Wird es leichter, billiger und umweltschonender, den Transport zunehmend aufs Wasser zu verlegen, entlastet das die Straßen. Und kann den selbstfahrenden Systemen Vertrauen geschenkt werden, könnten sogar weniger Schiffsunfälle passieren – so wie es immer der Fall ist, wenn Menschen und damit menschliches Versagen nicht mehr im Spiel sind. Die größte Art von Sicherheit geht bei diesen und allen anderen Projekten der E-Mobilität aber wahrscheinlich wirklich vom Umweltschutz aus. Der Einsatz erneuerbarer Ressourcen, kein CO2-Ausstoß, keine Stickoxide, kein Schwefel – das klingt nach einem Deal, der zumindest für die Binnenschifffahrt zu einem absoluten Muss werden könnte. Sie gilt jetzt schon als weniger umweltschädlich als der Lkw-Transport und macht trotzdem nur etwa ein Zehntel des Aufwands im Güterverkehr aus. Eine absolute Emissionsfreiheit könnte hier zu einer löblichen Kippe führen.

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