AMR : Agilox-CEO Schmid: „Eine der Hauptaufgaben ist die Aufklärungsarbeit“
Herr Schmid, Sie sind seit Anfang des Jahres neuer Chef von Agilox und setzen vor allem auf KMU als Zielgruppe? Warum?
Helmut Schmid Ein Großteil unserer Kunden sind heute Großkunden, wie fast überall in der Robotik. Allerdings sind 95 Prozent des Marktes weltweit KMU, und der kleine Mittelstand kämpft in Sachen Automatisierung in der Regel damit, dass er entweder die Spezialisten nicht hat oder bekommt oder es ihm zu teuer und zu aufwendig ist. Nun ist eine der großen Unterscheidungsmerkmale von Agilox die einfache Inbetriebnahme - also genau das, was für einem KMU aufs Hemd geschnitten ist. Und deswegen ist das für die Zukunft eine der Zielgruppen, wo wir uns hin entwickeln müssen, um weiter zu wachsen. Aber wir werden natürlich auch weiterhin für die weitere Entwicklung der größeren Flotten Großkonzerne haben. Aber wenn es in Richtung Wachstum geht darf man die größten Marktanteile, und das sind KMU, nicht außer Acht lassen.
Oft kommt bei KMU das Kostenargument. Was können Sie hier antworten?
Schmid Kosten sind natürlich immer einer der Haupttreiber, aber die Kostenkomponenten sind mehrere Faktoren. Es ist einmal der reine Anschaffungspreis. Aber natürlich sind es auch Ausfallzeiten von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Die Pandemie hat es vorgezeigt: Auch wenn keine Menschen mehr in die Logistik oder Fertigung dürfen: ein AMR fährt ansteckungslos durch die Umgebung, er hat keine Ausfallzeiten. Und das sehr viel wichtigere ist - das hat jetzt aber nicht mit Kosten zu tun: KMU finden ja oft die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht mehr, die für diese Tätigkeiten notwendig sind. Ich glaube Kosten ist das eine, aber man muss sich auch die kompletten Costs of Operations oder die Bediendauer für zwei, drei Jahre anschauen und nicht nur einfach das Einmalinvestment. Außerdem glaube ich, dass der Trend in Richtung Robot as a Service oder Movement as a Service Modelle geht. Man investiert also nicht einmal 100.000 Euro, sondern bezahlt nach gefahrenen Kilometern oder gehobenen Paletten, nach Losgrößen. Das ist etwas, das heute in der IT gang und gebe ist. Da ist natürlich auch die Eintrittshürde für ein KMU deutlich niedriger. Ich glaube das werden Modelle sein, die definitiv noch kommen werden, die aber zumindest in Europa noch nicht wirklich gelebt werden.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass der der Wechsel von der stationären zur mobilen Robotik ein entscheidender Punkt gewesen wäre, bei Agilox zu beginnen. Was hat das für ein Hintergrund?
Schmid Die stationäre Robotik und insbesondere die Cobots haben die letzten sechs, sieben Jahre ein komplett neues Marktsegment eröffnet. Und in einer ähnlichen Dynamik, glaube ich, wird es auch bei der mobilen Robotik weitergehen. Es hat mich bei meinem vorherigen Arbeitgeber gereizt, einen neuen Markt zu generieren, und das ist es auch bei Agilox. Man ist in dem gesamten Bereich der AMR oder mobilen Robotik noch eher am Anfang. Es reizt mich, das weiterzuentwickeln. Und es ergänzt sich, weil die stationäre Robotik und die mobile Robotik nicht im Wettbewerb stehen. Ich kann im Prinzip auf das komplette Netzwerk zurückgreifen, ohne als aktiver Wettbewerber aufzutreten, weil sich stationäre und mobile Robotik eher ergänzen.
"Ich glaube, dass der Trend in Richtung Robot as a Service oder Movement as a Service Modelle geht"Agilox-CEO Helmut Schmid
Wie sieht es mit weiteren Agilox-Niederlassungen aus – etwa in China und Deutschland?
Schmid Wenn die Pandemie nicht wäre etwas weiter. In China stehen wir kurz vor der Eröffnung, das ist mit den Lockdowns und der Zero-Covid-Strategie aber schwierig.
Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt, den wir allerdings heute aus Österreich noch recht gut betreiben können, da werden wir aber wahrscheinlich im Laufe des Jahres Niederlassungen eröffnen. Es ist nach China die zweite große Priorität, dass wir in Deutschland eine eigene Niederlassung oder eine Repräsentanz, einen Showroom oder ähnliches eröffnen.
Welche Unternehmen adressieren Sie in China?
Schmid Der erste Ansatzpunkt werden die großen europäischen Niederlassungen unserer Kunden sein, mit denen wir schon zu Hause arbeiten, sei es aus dem Automobil- oder Automobilzulieferer-Umfeld, aber auch große Tabakhersteller wie etwa Tabak China. Also in China wird die Strategie eher sein, dort mit den eingesessenen Großkunden weiter zu skalieren. Denn dafür müssen wir auch tatsächlich erst ein flächendeckendes Netz für Partner, Vertrieb, Technik und Service aufbauen. Und dort sind wir gerade erst am Anfang.
Was ist in den nächsten Jahren noch in Sachen Internationalisierung geplant?
Schmid Das nächste muss sein, dass wir uns die großen Märkte in Europa anschauen, Frankreich, Italien und Skandinavien. Wir werden unsere Vertriebs- und Technik-Mannschaft dezentralisieren, damit sie beim Kunden oder beim Partner vor Ort sind, was aber nicht zwangsläufig mit einer Niederlassung zusammenhängen muss. Es ist auch in Evaluierung, eine Niederlassung für Südeuropa und eine für Nordeuropa zu gründen. In den USA sind wir mit unserer Tochter präsent, da liegt nahe, das man auch Mexiko aus Nordamerika betreut. Und neben China sind Japan bzw. Südkorea die größten Industriemärkte, die dasselbe Thema haben wie hier: Fachkräftemangel und die Überalterung der Gesellschaft. Japan als die älteste Gesellschaft muss händeringend schauen, dass sie das durch Automatisierung ausgleichen, und dort sie sind auch sehr weit. Auch dort müssen wir mit eigenen Vertretern präsent sein.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Bereich der AMR im Gegensatz zu Cobots, für die Sie vorher verantwortlich waren?
Schmid Eine der Hauptaufgaben ist tatsächlich die Aufklärungsarbeit, aufzeigen, dass es für ein Problem eine Lösung gibt, die einfach und schnell umzusetzen ist und für die ich keine Spezialisten brauche. Und die zweite Herausforderung wird sein, dass wir in Sachen Technologie und Usability noch schneller und einfacher werden. Wir sind zwar super schnell, aber die Inbetriebnahme kostet einfach Geld, und das glaube ich wird für die Zukunft einer der Haupttreiber sein. Wie wird man noch schneller, noch einfacher, wie kriegen wir Plug and Play oder Plug and Produce hin, um die Kommunikation der Systeme untereinander noch einfacher zu gestalten.