Automatisierung : Möglichkeiten und Grenzen der Lagerautomatisierung
Die Anforderungen an die Logistik ändern sich rasant. Getrieben durch E-Commerce, Globalisierung und Relokalisierung ist es wichtig, als Unternehmen flexibel zu sein. Dabei stellt sich auch immer wieder die Frage nach der Effizienz der innerbetrieblichen Logistik. Als Allheilmittel der Effizienzsteigerung wird dabei gemeinhin die Automatisierung angesehen.
„Man kann durchaus sagen, dass der Trend zur Automatisierung gegeben ist, vor allem in der DACH-Region und den so genannten Hochlohnländern. Wir sehen auch, dass sich Unternehmen neben den klassischen Methoden - also dem automatischen Hochregal- und dem automatischen Kleinteilelager – auch verstärkt den operativen Prozessen zuwenden. Es sind die komplexeren Situationen, die nach wie vor von Menschen verrichtet werden und aktuell noch schwer automatisierbar sind. Dort gibt es verstärkt ein Zusammenspiel Mensch-Maschine: Das Picken, Herausgreifen, Aussuchen etc. aus Regalen beispielsweise. Und auch die aktuelle Covid19-Situation hat gezeigt, wie schwierig es werden kann, ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, was die Automatisierung natürlich begünstigt“, erklärt Martin Schmid, einer der Geschäftsführer des Logistikberaters Econsult, im Gespräch mit dispo.
Automatisierung ist ein Treiber für die Beschleunigung von Logistikprozessen. Doch wie sieht der aktuelle Stand in puncto Automatisierung in Unternehmen aus? Wie ausgeprägt ist das Bewusstsein für das Optimierungspotenzial und die Bereitschaft, in entsprechende Lösungen zu investieren? Und welche Gründe sprechen laut den direkten Verantwortlichen für oder gegen eine Automatisierung? Unitechnik hat diese und weitere Fragen 100 Unternehmen im Rahmen der Umfrage „Automatisierung in der Intralogistik“ gestellt.
Dabei sind die verschiedenen Prozessbereiche bei den teilnehmenden Unternehmen derzeit noch hauptsächlich manuell organisiert. Das gilt insbesondere für den Wareneingang und die Verpackung. Schlusslicht hinsichtlich der Automatisierung ist der Bereich Verladen, der in 85 Prozent der Unternehmen manuell abäuft. Der am stärksten automatisierte Bereich ist aktuell die Lagerung, mit Abstand gefolgt von Transport und Kommissionierung.
Doch auch bei der Lagerung liegt der Anteil der Vollautomatisierung lediglich bei rund 35 Prozent; zwei Drittel der Unternehmen setzen auf teilautomatisierte oder manuelle Prozesse. Das Fazit: Es herrscht Nachholbedarf.
Der Geschäftsführer der heimischen Econsult und Vizepräsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL), Jürgen Schrampf, erklärt dabei, welche Automatisierungsmöglichkeiten Unternehmen im Lager überhaupt haben: „Es gibt eine große Bandbreite möglicher Lagertechnologien, also Hochregal-, Kleinteilelager, Shuttle-Lager etc., leistungsfähige Sortiertechnologien und Sortersysteme und vielfältige Lösungen im Bereich der Kommissioniertechnologien. Bei Automatisierung geht es natürlich auch um die Anbindung der einzelnen Bereiche und den Transport, also Fördertechnik oder beispielsweise der Einsatz von automated guided vehicles (AGVs).“
Und in welchen Bereichen kommt eine Erhöhung des Automatisierungsgrades für die von Unitechnik befragten Unternehmen infrage? Die Antwort lautet: hauptsächlich in der Lagerung und der Kommissionierung, weniger bei Transport, Wareneingang und Verpacken.
Auch hier ist Automatisierung am wenigsten beim Verladen, dem aktuell am stärksten manuell geprägten Bereich, gefragt. Die Gründe für bzw. gegen eine (Teil-)Automatisierung der Prozessschritte lassen sich in Kosten und Prozesseffizienz gliedern. Die meisten Teilnehmenden sehen sie als geeignete Maßnahme, um Betriebskosten zu reduzieren, Fehlerquoten zu verringern und Lagerkapazitäten zu erhöhen. Dagegen sprechen wiederum hohe Investitionskosten und eine geringere Flexibilität.
Wo Automatisierung gefragt ist
Geschäftsführer-Kollege Schrampf ergänzt: „Zumindest wird das in vielen Projekten geprüft. In den operativen Einsatz kommen automated guided vehicles, AGV, vielleicht sie nicht so schnell, wie man vor wenigen Jahren noch geglaubt hat. Zumindest in der Versorgung, in Logistik- oder in Lagerbetrieben. Da wird genau geprüft, ob sie sich rechnen oder nicht. Es gibt noch nicht so viele Anlagen, wo wirklich die Entscheidung dafür gefallen ist.“
Vor allem aber – wie auch schon die Unitechnik- Studie zeigt – möchte man im Lager vor allem manuelle Transporte vermeiden, so Schmid. Am geringsten sei der Automatisierungsgrad beim letzten Zugriff, beim Herausnehmen des Produktes oder das in einen Karton Hineinverpacken – also den vom Menschen umgesetzten manuellen Tätigkeiten.
„Auch hier ist Automatisierung möglich, aber nur bei sehr standardisierten Produkten. Es ist zum Beispiel kein Problem, Standardkartons mit einem Roboter auf eine Palette zu schlichten, die Palette zu folieren und auf einen LKW zu laden. Das kann ich vollautomatisieren. Wenn ich aber im E-Commerce im Lebensmittelbereich verschiedene Flaschen, Tuben und Päckchen holen und kundengerecht verpacken muss, sind wir von der Automatisierung noch weit entfernt. Hier ist es eher so, dass die Produkte zu einem Packplatz, zu einem Pick-Platz gebracht werden, um die Wege zu vermeiden, aber der letzte Griff wird manuell gemacht.“
Zwei Trends erkennt Econsult in Sachen Automatisierung: Der eine sei die Erweiterbarkeit. Der große Hebel sei dabei das Nachrüsten von bestehenden Anlagen und Immobilien.
Econsult habe dabei mindestens genauso viele Projekte, wo es um das Nachrüsten und Erweitern gehe und nicht darum, auf die grüne Wiese ein neues Logistik- oder E-Commerce-Center hinzustellen. Hier gebe es mittlerweile interessante Technologien, die in bestehenden Hallen mit verschiedensten Grundrissen verschiedensten Höhen, Säulen, Rastern, nachgerüstet werden können, um eine Erweiterung der Kapazität sowohl statisch als auch dynamisch zu schaffen.
Der zweite Trend betrifft die Kollaboration Mensch und Maschine. Technologie soll dabei den Mitarbeiter besser durch die Prozesse führen und dessen Fähigkeiten nutzen. Das können spezielle Brillen oder Scangeräte sein. Produkte, die etwa mit Laserpointer anzeigen, wo der Mensch genau hingreifen muss, um sich nicht zu irren.
Vier Trends in der Entwicklung von AMR
Seit 2010 spielt KI in Systemen für die Intralogistik eine immer größere Rolle. Der autonome mobile Roboter (AMR) war geboren – und damit wandte sich das Interesse der Entwickler mehr und mehr dem Innenleben der nichtmenschlichen Helfer zu. Den Status Quo und die erwarteten Neuerungen in dem Bereich versucht der aktuelle Report "AGV & AMR Robotics 2021" von Styleintelligence einzufangen. Grundlage dafür waren Interviews, die mit verschiedenen Herstellern geführt wurden.
1. Trend: Preissenkung
„Die AMR-Technologie ist nicht mehr neu und aufregend. Jetzt geht es entweder darum, schneller und besser zu werden, um die Preise zu rechtfertigen. Oder man reduziert den Preis, weil AMR mehr und mehr zum Allerweltsprodukt werden", ist die Einschätzung eines dänischen Herstellers.
2. Trend: Mehr Sicherheit
Als Schlüsselthema in der AMR-Technologie bezeichnet der Report den Ausbau von Sicherheitsfunktionen. Schließlich bewegen sich Roboter ganz ohne Absperrung in Räumen, in denen Menschen Arbeiten und Gegenstände unerwartet den Weg versperren können. „Von Kundenseite bekommen wir immer strengere Sicherheitsvorgaben, während die anderen Charakteristika, wie etwa Kompaktheit und Performance, gleich bleiben sollen", erzählt ein Hersteller aus Deutschland.
3. Trend: AMR in Innen- und Außenräumen
Wenn sich Tätigkeiten abwechselnd drinnen und draußen abspielen, kann das für Mitarbeiter besonders unangenehm sein. Man denke an große Temperaturunterschiede oder raue Wetterverhältnisse. Komponentenentwickler arbeiten daher laut Styleintelligence bereits an Sensoren, die mit den unterschiedlichen Lichtverhältnissen klarkommen.
4. Trend: Interoperabilität
Da Kunden oftmals Systeme von verschiedenen Anbietern zukaufen, ist es wichtig, dass diese sich aufeinander abstimmen können. Sodass der Anwender oder die Anwenderin etwa festlegen kann, welcher Roboter gegenüber anderen Vorrang hat. Dem Putzroboter würde beispielsweise die niedrigste Priorität erteilt und er würde einem AMR Platz machen, dessen Beitrag zur Wertschöpfung direkter ist.