Automatisierung Anwenderbericht : So nutzt Lidl Österreich die Fläche des neuen Zentrallagers besonders effizient

Lidl-Lager Großebersdorf
© Jungheinrich

Lidl Österreich verfügt über ein Netz von mehr als 250 Filialen, die aus drei Logistikzentren beliefert werden. Erst kürzlich wurde ein Lager im niederösterreichischen Großebersdorf errichtet, hierbei übernahm Jungheinrich als Generalunternehmer die Automatisierung. Es löst ein Lager im Burgenland ab, das nicht mehr über die erforderlichen Kapazitäten verfügte. Von Großebersdorf aus werden nun mehr als 100 Filialen im Raum Wien, Niederösterreich, dem nördlichen Burgenland und dem östlichen Oberösterreich beliefert.

Den Kern des über 50.000 m2 großen Zentrallagers in Großebersdorf bildet ein teilautomatisiertes Hochregallager von 40 Metern Höhe. "Mit der teilautomatisierten Lagerung können wir die vorhandene Fläche bestmöglich nutzen“, erklärt dazu die projektverantwortliche Abteilungsleiterin von Lidl Österreich, Melanie Rehrl, gegenüber dispo.

Das Hochregallager wird über eine automatisierte Fördertechnik versorgt, Produkte über Paletten automatisch eingelagert. Insgesamt kann Lidl Österreich in Großebersdorf nun 70.000 Paletten lagern, über 50.000 davon in der Automatisierung. Damit ist es das größte Logistikzentrum von Lidl Österreich nach Palettenstellplätzen.

Kommissionierung auf zwei Ebenen

Eine weitere Besonderheit des Lagers bildet die Tunnelkommissionierung, erklärt Melanie Rehrl. „Sie ermöglicht es uns, auf zwei Ebenen gleichzeitig zu kommissionieren. Damit konnten wir die Fläche noch besser nutzen.“

Im neuen Lidl-Lager ist es nun möglich, den Nachschub automatisch zu generieren und Filialen flächendeckend zu beliefern. Außerdem arbeitet man in Großebersdorf nun auch 24/7 im Schichtbetrieb. Das war vorher nicht der Fall, so die Projektverantwortliche seitens Lidl Österreich. Ein weiterer Vorteil: Man hat, da der Platz in Müllendorf begrenzt war, Außenläger betrieben. Diese konnte sich Lidl Österreich nun einsparen.

Jungheinrich Austria als Generalunternehmer

Den Zuschlag für dieses Megaprojekt hat Jungheinrich Austria gewonnen, 2017 hat Jungheinrich den Vertrag unterschrieben, 2021 stieg man in die Testphase ein und bereits Anfang 2022 erfolgte die finale Abnahme – mit nur dreimonatiger Corona-bedingter Verzögerung.

Für Jungheinrich sei es ein „absolutes Leuchtturmprojekt“, erklärt Jungheinrich-Austria-Geschäftsführer Andreas Ausweger. Dabei spricht er nicht nur die Größenordnung des neuen Lagers an: „Jungheinrich Austria war auch Generalunternehmer. Wir haben damit nicht nur die Stapler geliefert oder die Automatisierung umgesetzt, wir haben das Projekt definiert und teilweise sogar das Gebäude mitgebaut“, so Ausweger.

So seien etwa die Kommissioniertunnel eine große Herausforderung gewesen, da sie direkt im Regal angelegt seien und demnach auch hohe Lasten – etwa jene der Stapler – tragen müssten. Zusätzlich fungieren die Wände des Hochregallagers als Außenwände.

Jungheinrich Österreich betreute Lidl Österreich aber nicht nur in der Planung und der Umsetzung. Für den Kundendienst hat Jungheinrich ein 14-köpfiges Service-Team in Großebersdorf im Einsatz, das im Schichtbetrieb 24/7 für Wartungsarbeiten und Reparatur bereitsteht. „Auch das musste organisiert werden, der Schichtbetrieb etwa war für uns absolutes Neuland. Wir arbeiten hier mit einem Springersystem. Standardtechniker, die die Stapler betreuen, haben auch die Ausbildung für Automatisierung absolviert, um im Notfall einspringen zu können. Aktuell suchen wir vier zusätzliche für den Standort Großebersdorf, damit der Betrieb weiterhin reibungslos läuft“, so der Jungheinrich-Austria-CEO.

Die Projektverantwortliche von Lidl, Melanie Rehrl, im Gespräch mit dispo-Chefredakteurin Michaela Holy-Zwickelstorfer, Jungheinrich-Austria-Geschäftsführer Andreas Ausweger und Jungheinrich-Manager Stefan Diem und Thomas Krenn.

- © Jungheinrich

„Wir haben uns in diesem Projekt weiterentwickelt“

Dispo hat im Zuge der Lager-Besichtigung mit der projektverantwortlichen Abteilungsleiterin von Lidl Österreich, Melanie Rehrl, Jungheinrich-Austria-Geschäftsführer Andreas Ausweger und dem Projektverantwortlichen von Jungheinrich Austria, Thomas Krenn, über das Projekt gesprochen.

Was war der Hintergrund für das neue Lager in Großebersdorf, Frau Rehrl?

Melanie Rehrl
Unser ehemaliges Lager in Müllendorf, im Burgenland, wurde durch das wachsende Sortiment und mehr zu beliefernde Filialen einfach zu klein. Wir haben uns nach einem neuen Standort umgesehen und uns schließlich für Großebersdorf entschieden. Hier war natürlich auch die Nähe zu Wien ein wesentlicher Punkt.

Unter welchen Gesichtspunkten wurde das neue Lager geplant?

Rehrl
Die Größe war und ist ausschlaggebend, um so viele Filialen wie möglich von hier aus beliefern zu können. Wichtig waren daher auch die zentrale Lage und die gute Anbindung des neuen Logistikzentrums. Um die Höhe optimal nutzen zu können, spielte die Tunnelkommissionierung eine wesentliche Rolle: Die Kommissionierer packen die Paletten in der Zwischenebene, sozusagen im 1. Stock. Anschließend werden die Paletten über die Automatisierung einen Stock tiefer transportiert, wo sie wieder aufgenommen und schlussendlich auf die Warenausgangsspur gestellt werden. Parallel dazu wird ebenfalls im Erdgeschoss kommissioniert. Darüber hinaus haben wir mit der Automatisierung die Möglichkeit, Paletten, die nicht sofort ausgeliefert werden müssen, rückzulagern und zur Auslieferung wieder auslagern zu lassen. Hier in Großebersdorf arbeiten wir im 24/7-Schichtbetrieb, was vorher nicht der Fall war. Um die Automatisierung im System abbilden zu können, arbeiten wir mit SAP EWM.

Warum hat sich Lidl Österreich für Jungheinrich entschieden?

Rehrl
Wir arbeiten regelmäßig mit Jungheinrich zusammen, wenn es etwa um die Abnahme von Staplern oder Kommissionier-Fahrzeugen geht. Auch beim Preisleistungsverhältnis war der Sieger ganz klar Jungheinrich. Zusätzlich war Jungheinrich der einzige Anbieter, der die Betreuung durch eigenes Servicepersonal angeboten hat. Das war für uns ein wichtiger Punkt. Auch die Planung eines weiteren, vergleichbaren Lagers in Luton, in der Nähe von London, wird mit Jungheinrich realisiert.

Herr Ausweger, Sie haben im Vorfeld gesagt, Sie hätten die Komfortzone bei diesem Projekt verlassen. Warum?

Andreas Ausweger
Unser Standardgeschäft war der Gabelstapler, Automatisierung betreiben wir seit einigen Jahren. Bei den ersten Gesprächen waren wir überzeugt, dass wir ein solches Projekt umsetzen können. Als ich dann den konkreten Plan gesehen habe, bin ich doch demütig geworden. Wir hatten Respekt vor dieser Aufgabe, und sie hat uns auch sehr gefordert. Ein Beispiel dafür ist das Service-Team, das nun hier bei Lidl Österreich arbeitet: Wir haben es bereits drei Jahre vor Echtbetrieb engagiert, um die Mitarbeiter auszubilden und sie schon vor dem Go-Live hier einsetzen zu können. Der Schichtbetrieb war dabei absolutes Neuland für uns. Wir haben uns in diesem Projekt weiterentwickelt, haben neue Strukturen geschaffen und neue Standards entwickelt. Diese Expertise können wir nun für alle anderen Projekte nutzen. Damit sind wir um einiges weiter als unsere Mitbewerber.

Wie konkret waren die Anforderungen von Lidl Österreich definiert?

Ausweger
Die Marke Lidl Österreich ist im Lebensmittelmarkt eine Größe – und vor allem ein sehr professioneller Auftraggeber. Viele Unternehmen sagen, sie wollen automatisieren, wissen aber nicht, wie. Lidl Österreich hatte ganz konkrete Vorstellungen. Das ist für einen Auftragnehmer sehr wichtig. Die professionelle Zusammenarbeit hat es ermöglich, das Projekt absolut reibungslos umzusetzen.

Herr Krenn, Sie haben das Projekt für Jungheinrich begleitet. Wie schwierig oder einfach ist es, wenn ein Kunde genau weiß, was er will?

Thomas Krenn
Es ist eine größere Herausforderung, wenn ein Kunde sagt er möchte ein automatisches Hochregallager auf der grünen Wiese. In diesem Projekt war alles definiert, so etwa auch jeder Rammschutz. Das macht die Umsetzung einerseits einfach, weil wir genau wissen, was wir umsetzen müssen. Gleichzeitig haben wir eben die Herausforderung, das genauso abzubilden. Grundsätzlich ähneln sich Automatisierungsprojekte: Ein gesteuertes Bediengerät muss genau die Leistung erbringen, die auf den Endkunden abgestimmt ist. Die Technik dahinter ist immer ähnlich. Hier in Großebersdorf war es wichtig, dass das System 24/7 in Betrieb ist, gerade in dieser Größenordnung. Bei vielen Kunden haben wir eine gewisse Reaktionszeit, die vereinbart wird. Hier haben wir ein Serviceteam vor Ort. Dabei war es eine Herausforderung, Kundendienst und Vertrieb gleichzeitig zu denken.

Wie wurde der Ablauf realisiert?

Krenn
Wir haben zuerst die vollautomatischen Regalbediengeräte, die Fördertechnik und die Steuerung und das Warehouse Management System implementiert, um im zweiten Schritt das manuelle Lager mit einem konventionellen Palettenregal und einer größeren Durchlauf-Regalanlage einzurichten.

Die Jungheinrich-Lösung für Lidl Österreich in Großebersdorf - die Hard Facts
■ Automatisches Paletten-Hochregallager (Länge ca. 150 m, Breite ca. 90 m, Höhe ca. 40 m) mit insgesamt 50.162 Palettenstellplätzen
− 3-fach tiefes Kanallager in Silobauweise mit 39.516 Palettenstellplätze in 7 Gassen und zwei unterschiedliche Temperaturzonen inkl. 2.101 Gefällerollenbahnen auf 2 Ebenen zur Kommissionierung innerhalb des Lagers
− Einfachtiefes Lager in Silobauweise mit 10.646 Palettenstellplätzen in 4 Gassen
■ Dach- und Wandverkleidung à ca. 14.000m² Panele
■ Stahlbaubühnen und Treppen
■ Regalbediengeräte: 7 Stück mit Shuttle zur Längseinlagerung der Paletten, 4 Stück mit Teleskopgabel zur Längseinlagerung der Paletten
■ Palettenfördertechnik auf 3 Ebenen zur Anbindung aller Bereiche inklusive Schnelllauftore und Brandschutztore
■ Steuerungstechnik (SPS) für Regalbediengeräte und Fördertechnik (mit komplexen Sortierlogiken für den Warenausgang)
■ Anlagenvisualisierung
■ SPS-Anbindung an bauseitiges SAP EWM