Automatisierung im Lager : Start-up Mytra will die Lagerautomatisierung neu denken

Mytra Roboter
© Eclipse Ventures

Nach zweijähriger Geheimhaltung hat ein US-amerikanisches Start-up eine neue Art der automatisierten Lagerhaltung und Materialhandhabung angekündigt, die ohne herkömmliche Gabelstapler, Hubwagen, Förderbänder und Aufzüge auskommt. Das in San Francisco ansässige Unternehmen Mytra hat dafür bereits eine Finanzierung in Höhe von 78 Millionen Dollar erhalten.

Das Unternehmen wurde von Chris Walti, der bei Tesla sieben Jahre das Team für den Materialfluss des Model 3 und das Programm für den humanoiden Roboter Tesla Bot (jetzt Optimus) leitete, und Ahmad Baitalmal, der bei Tesla und dem Elektrofahrzeughersteller Rivian für die Softwareentwicklung zuständig war, gegründet. Beide hatten die Schwierigkeiten bei der Implementierung von automatisierten Lagern und Produktionsanlagen erlebt und waren der Meinung, dass es Zeit für einen "Neuanfang" sei.

Dieser "Neuanfang" ist ein System, das mit Hilfe von Zellen, mobilen Robotern und Software jede Art von Inventar (Paletten, Behälter oder Kisten) mit einem Gewicht von bis zu 1360 Kilogramm in jede Richtung bewegen kann. Die Mytra-Lösung weist dabei viele Gemeinsamkeiten mit vertikalen Roboterlagerlösungen von Unternehmen wie Autostore auf – doch es gibt zwei wichtige Unterscheidungsmerkmale: Einerseits die Fähigkeit, schwere Nutzlasten zu bewältigen, andererseits die Dynamik, wie der Mytra-CEO Walti gegenüber Techcruns beschreibt: "Es gibt buchstäblich Billionen von verschiedenen Möglichkeiten, wie ich eine dieser Paletten oder Regale innerhalb des Systems von Punkt A nach Punkt B bewegen kann", erklärt er. "Das ist im Grunde genommen einzigartig. Es ist das kinematisch freieste System, das je erdacht wurde."

Die Roboter von Mytra haben eine Hubkapazität von über 1.300 Kilogramm und verfügen über ein patentiertes Helix-Design. Die Eckelemente des Roboters ermöglichen es ihm, innerhalb einer modularen Matrixlagerstruktur vertikal zu klettern, während seine Räder eine horizontale Bewegung ermöglichen.

- © Mytra

Software-definierter Materialfluss

Das Unternehmen geht davon aus, dass es bis zu 60 Prozent des Handling-Prozesses automatisieren kann, im Vergleich zu etwa zehn Prozent mit bestehenden Technologien. Das System besteht aus drei Schlüsselkomponenten: den Robotern, die das Material bewegen, einer einfachen, sich wiederholenden Matrixstruktur für die Lagerung und einer intelligenten Software, die die Bedienung vereinfacht, die Kosten senkt und individuelle Fehlerquellen vermeidet. Das System bewegt das Inventar von jeder Zelle zu jeder benachbarten Zelle in jeder Richtung. Es nutzt fortschrittliche Bildverarbeitungs- und Sensortechnologien für präzise Echtzeitreaktionen. Autonome KI-gesteuerte Transportroboter treffen unabhängige Entscheidungen in Echtzeit.

Die Software von Mytra optimiert die Routen der Roboter, verwaltet die Bestände, lernt und verbessert sich ständig und passt sich an die sich ändernden Kundenanforderungen an. Der Materialfluss ist softwaredefiniert und ermöglicht es, neue Anwendungen zu entwickeln und Prozesse effizienter zu gestalten: "Der Materialfluss macht den Löwenanteil der Arbeit in einem Lager aus, wird aber immer noch weitgehend auf die gleiche Weise erledigt wie vor einem Jahrhundert", betont Walti. "Das liegt daran, dass die Alternativen zu komplex sind, aus zu vielen Teilen bestehen und auf bestimmte Anwendungen zugeschnitten sind. Wir verfolgen einen radikal anderen Ansatz, indem wir die Anzahl der Teile reduzieren und den Schwerpunkt von der Hardware auf die Software verlagern. "Wir sind die erste und einzige Lösung, die in der Lage ist, viele der arbeitsintensivsten, teuersten und komplexesten Aspekte des Materialflusses universell zu automatisieren - die 'roten Blutkörperchen' eines jeden Industriebetriebs", ergänzt er.

Bisher ist Mytra öffentlich noch nicht in Erscheinung getreten, hat aber trotzdem bereits Interesse geweckt. So setzt das Start-up ein Pilotprojekt mit dem Lebensmittelgiganten Albertsons um, als auch mit "einem halben Dutzend weiterer Fortune-50-Kunden, die sich in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung befinden". "Das Automatisierungssystem von Mytra bietet eine einzigartige Flexibilität, um viele verschiedene Anwendungen mit derselben Hardware zu bedienen", sagt Mustafa Harcar, Vizepräsident für Supply Chain Automation des Unternehmens. Der stark vereinfachte Ansatz hat das Potenzial, neue Effizienzniveaus zu erreichen, mit der Gewissheit, dass das System an zukünftige Anforderungen angepasst werden kann", fügt er hinzu.

Im Sommer hat Mytra eine Serie B über 50 Millionen Dollar abgeschlossen, wodurch sich die Gesamtfinanzierung auf 78 Millionen Dollar erhöht. Neil Shah, Partner beim Hauptinvestor Greenoaks, erklärt das Investment: "Lagerhäuser sind das Rückgrat der Weltwirtschaft. Die überwiegende Mehrheit der Lagerhäuser weltweit wird jedoch immer noch manuell betrieben, und selbst die automatisierten Lagerhäuser sind zu komplex und unflexibel, um den Herausforderungen moderner Lieferketten gerecht zu werden. Durch die Entwicklung eines softwaredefinierten Automatisierungssystems überwindet Mytra den Zielkonflikt zwischen Automatisierung und Flexibilität, abstrahiert die Komplexität der Hardware, erhöht die Dichte, steigert den Durchsatz drastisch und liefert ein robustes System, das sich so schnell anpassen kann, wie sich die Bedürfnisse der Kunden ändern. Wir sind zuversichtlich, dass Chris und sein Team die nächste Generation der modernen Lagerhaltung definieren werden, indem sie erstklassige Automatisierung für jedermann zugänglich machen."