Gastbeitrag : Wie cloudbasierte Apps Logistik-Prozesse beschleunigen können
Die Zeiten, in denen Hersteller auf Vorrat produziert haben oder der Handel über große Warenbestände verfügte, sind in vielen Branchen endgültig vorbei. Die Unternehmen sind stattdessen bestrebt, on demand zu fertigen beziehungsweise Produkte kurzfristig ins Sortiment zu nehmen. Der Bedarf an Lagerkapazitäten ist entsprechend volatil. Eine mögliche Antwort liegt darin, bei Bedarf sehr kurzfristig ein temporäres Distributionszentrum zu eröffnen. Um es zu managen, erweitern Unternehmen die vorhandene, performante Logistiklösung um ein cloudbasiertes Lagerverwaltungssystem. So schaffen sie eine flexible und skalierbare IT-Architektur.
Alle Beteiligten können damit orts- und zeitunabhängig darauf zugreifen und sie quasi in Echtzeit gemäß der aktuellen Situation adaptieren. Der Nutzerkreis – und dazu können auch unternehmensfremde Personen gehören – lässt sich zudem jederzeit problemlos erweitern. Mit nur minimalem Aufwand kann das Unternehmen beispielsweise einen neuen Lohnbearbeiter/ Subcontractor in die eigenen Prozesse integrieren, ohne ihm – wie bislang – ein umfangreiches Softwarepaket zur Verfügung zu stellen oder ihm Zugriff auf das eigene ERP System gewähren zu müssen. Damit wird Transparenz für die Bearbeitungsschritte des Lohnbearbeiters geschaffen und der „Stille-Post-Effekt“, bei dem Informationen verloren gehen oder verfälscht werden, gehört endgültig der Vergangenheit an. Alle Beteiligten haben Zugriff auf die Primärinformationen.
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Dazu kommt, dass sich Ressourcen in der Cloud sehr einfach und ohne Zeitverzug skalieren lassen. Die hohe Daten- und Prozesssicherheit, die etablierte Cloudprovider gewährleisten, sind ein weiteres Plus. Der Grad der Cloudifizierung steigt in dem Maße, wie die Cloud-IT die Prozesse ausbaut. Etwa, indem nun selbst kleinere Standorte an zentrale Lagerverwaltungsprozesse angeschlossen werden. Damit ist es den Unternehmen nun unkompliziert möglich, dezentrale Lager beziehungsweise verkehrsgünstige Micro-Depots zu betreiben. Auch die Abbildung von Vendor-Managed-Inventory Szenarien, bei denen Bestandstransparenz über Cloud Apps ermöglicht wird, ist ein weiteres Beispiel.
Sogar die Wartungs- und Serviceteams können nun in Echtzeit von unterwegs aus ihre Bestände verwalten. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Monteur vor Ort beim Kunden erst umständlich prüfen musste, ob sich das für die Reparatur benötigte Ersatzteil im Wagen befindet. Stattdessen fungiert der Kofferraum als mobiles Lager. Mehr noch: Selbst die Nachschubsteuerung lässt sich automatisieren. Bei Entnahme des Ersatzteils aus dem Wagen oder einem Micro-Depot bucht der Mitarbeiter über seine App das Bauteil aus dem Lager aus. Sinkt der Bestand unter eine zuvor definierte Grenze löst die Materialdisposition automatisiert die entsprechende Nachbestellung aus.
Lagerkapazitäten auf Zeit einzurichten, dezentrale Lager zu betreiben oder den Bestand an Ersatzteilen in Reparaturfahrzeugen zu verwalten, sind nur drei der möglichen Anwendungsszenarien für innovative Logistik-Apps. Daher empfiehlt es sich, sie auf einer cloudbasierten Plattform zu bündeln. Diese lässt sich nahtlos in die vorhandenen Logistikprozesse integrieren, ist jederzeit mit neuen Anwendungen erweiterbar und lässt sich über Schnittstellen mit den Systemen Dritter, zum Beispiel externen Lieferanten, verbinden. Die Plattform bündelt verschiedene Lösungsbausteine für logistische Prozesse, integriert mobile Geräte und schafft die Grundlage für die prozessuale Verbindung von ehemals verteilten, logistischen Datenobjekten.
Auch in der Logistik muss die IT dem geänderten Nutzerverhalten Rechnung tragen. Es genügt daher nicht, wenn sich die logistischen Prozesse am stationären Rechner steuern lassen. Gerade in Transportwesen und Lagerhaltung sind die Mitarbeiter viel unterwegs und müssen mobil via Smartphone die Abläufe steuern beziehungsweise kontrollieren. Doch damit nicht genug. Die Lösungen sollten ebenso reibungsfrei via Wearables oder Connected Cars funktionieren. Nutzt der Mitarbeiter im Lager beispielsweise seine Smartwatch, um Ware zu kommissionieren, spielt es weder eine Rolle, wo er sich gerade befindet, noch muss er ständig sein Smartphone zur Hand nehmen, um sich einzuloggen. Wichtig ist, dass sich die Endgeräte nicht gegenseitig ausschließen, sondern miteinander kompatibel sind.
Bei der Steuerung logistischer Prozesse fallen zudem zahlreiche Daten an – etwa Informationen über Fahrzeiten für verschiedene Verkehrsmittel oder saisonale Lastspitzen bei der benötigten Lagerkapazität. Es liegt auf der Hand, diese Daten miteinander zu verbinden, zu analysieren und mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI) innewohnende Muster zu erkennen. Zum Beispiel, wie eine durchschnittliche Fahrtdauer von der Tageszeit abhängt. Oder ob die vorhandene Gesamtkapazität an Lagerraum dem tatsächlichen Bedarf entspricht und die Standorte gleichmäßig ausgelastet sind. Auch die Prognose von benötigten Mitarbeitern an Logistikstandorten zur Schichtplanung lässt sich durch den Einsatz dieser Algorithmen verbessern. Letztendlich besteht das Ziel darin, die Abläufe bezüglich der Kosten, Zeitaufwände oder anderer Aspekte zu verbessern. Besonders im Retourenmanagement können Unternehmen enormes Optimierungspotential erschließen, indem smarte Tools die jeweils kürzesten Transportwege zwischen Endkunden und den Warenlagern bestimmen oder Rücksendungen bündeln. Ebenso kann das Unternehmen das System mit Endkunden-Apps verknüpfen, um die Kunden über Gutscheine, Rabatte oder Gaming-Elemente zu motivieren, keine oder weniger Produkte zurückzuschicken.
Indem dank KI-basierter Steuerung zahlreiche Vorgänge sowohl in der Lager- als auch Transportlogistik automatisiert ablaufen, werden die Mitarbeiter nicht mehr durch diese Aufgaben gebunden und können sich stattdessen auf andere Tätigkeiten konzentrieren. Im Hinblick auf das Fachkräfteangebot ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Nicht zu vergessen: Intuitiv bedienbare Oberflächen machen intensive Nutzerschulungen überflüssig und helfen zudem dabei, Sprachbarrieren zu überwinden.
Die Praxis hat gezeigt, dass das letzte Wegstück, von den örtlichen Verteilzentren bis zum Verbraucher, gerade in Großstädten nicht nur besonders teuer ist, sondern darüber hinaus häufig die meisten Emissionen verursacht. Eine intelligente Transport- und Lagerlogistik kann bereits jetzt die kürzesten Routen planen, Auslieferungen sinnvoll zusammenfassen und Warenlager nach ihrer Entfernung auswählen. Mittel- und langfristig geht der Trend in Richtung vernetzte Mobilität und dezentralen Prozessen mit autonomen Entscheidungen. Die IT-Logistik wird dann nicht nur eigene historische Daten auswerten, sondern externe Informationen, beispielsweise zum aktuellen Verkehrsgeschehen, in die Analyse einbeziehen.
Christoph Tieben ist Senior Manager SAP Logistics bei Arvato Systems.