Intralogistik : Wie Verschieberegale höhere Lagerdichte ermöglichen
Herr Eisenhut, was sind die Vorteile eines Verschieberegals in der Praxis?
David Eisenhut Da wir nur noch eine einzige Arbeitsgasse brauchen, ergibt sich eine Platzersparnis von bis zu 45 Prozent. Im Vergleich zu statischen Regalsystemen lässt sich die Kapazität der Halle damit um mehr als 90 Prozent erhöhen, und wir erreichen eine maximale Lagerdichte. Zusätzliche Mehrwerte ergeben sich für die Effizienz der Hallenabläufe. Beispielsweise können Sie die Steuerung des Verschieberegals so programmieren, dass Sie Picking-Prozesse mit minimalen Wegezeiten erhalten. Dabei ist von Vorteil, dass sich die Gassen zwischen den Fahrwagen völlig flexibel öffnen lassen. So haben die in der Halle eingesetzten Transportsysteme immer den direkten Zugang zu allen Lagerplätzen und können Umlagerungen, wie sie in anderen verdichteten Lagersystemen durchaus üblich sind, wirksam vermeiden.
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Im Kern geht es also darum, den Platzbedarf der Anlage zu minimieren und genügend Freiheitsgrade in der Kommissionierung zu erreichen. Welche Unternehmen legen Wert auf diese Vorteile?
Unsere Kundenprojekte zeigen, dass es vor allem vier Einsatzgebiete sind, in denen der Nutzen einer Verschieberegalanlage besonders hoch ist. An erster Stelle steht sicherlich die temperaturgeführte Logistik. Wenn Sie ein Tiefkühllager betreiben, haben Sie es mit Betriebskosten zu tun, welche die bestmögliche Nutzung Ihres Lagerraums zwingend erforderlich machen. Je mehr Ladegüter in der Halle gelagert werden können, desto weniger Energie wendet man darauf, das temperaturführende Volumen zu regeln. Die daraus resultierenden Energieeinsparungen verkürzen den ROI sowohl der Regalanlage als auch der Kältetechnik. Davon abgesehen ist der Kapazitätsausbau aber auch für das Kerngeschäft interessant. Schließlich erlaubt er es Ihnen, mehr Aufträge anzunehmen und den Wertschöpfungsbeitrag Ihrer Halle zu erhöhen.
Daran müssten gerade auch Logistikdienstleister interessiert sein, richtig?
Ganz genau. Das zeigt auch die Praxis unseres Kundengeschäfts. Hier ist der Bereich der Third-Party-Logistics-Provider (3PL) übrigens besonders spannend. Denn zusätzlich zur Kapazitätsmaximierung geht es gerade auch diesen Anbietern um möglichst viel Flexibilität im Handling. Schließlich liegt die Kernkompetenz des 3PLers darin, unterschiedliche Kunden passgenau zu bedienen. Das eingesetzte Verschieberegal muss dann ausreichende Optionen bieten, um die von den Endkunden gewünschten Ladungsträger aufzunehmen. Zudem gilt es, die Kommissionierzeiten im Auge zu behalten, um die vereinbarten Service-Level zu erfüllen. Besonders spannend wird das Zusammenspiel aus Kapazitätsmaximierung und Flexibilität im Handling übrigens auch dann, wenn wir über 3PL-Tiefkühllogistiker sprechen, wie etwa über unseren niederländischen Kunden Grolleman. In Hallenumgebungen wie diesen kann die Verschieberegaltechnik ihr Nutzenpotenzial besonders gut ausspielen.
Mit der temperaturgeführten Logistik und dem 3PL-Bereich haben Sie zwei zentrale Anwendungsfelder bereits angesprochen. Wo liegen die beiden anderen?
Zum einen sind dies Hallenstandorte, die nicht mehr weiter ausgebaut werden können, sodass überlegt werden muss, wie sich der vorhandene Raum besser nutzen lässt – insbesondere Kunden in Ballungsgebieten sehen sich mit diesem Thema stark konfrontiert. Zum anderen eignet sich die Verschieberegaltechnik auch für Unternehmen aus der Fertigungsindustrie, wo es in vielen Fällen wichtiger ist, Ware platzsparend zu lagern, als sie möglichst schnell wieder umzuschlagen. Genau das ist übrigens ein Punkt, den niemand außer Acht lassen sollte, der über den Einsatz von Verschieberegalen nachdenkt. Eine solche Anlage ist in erster Linie auf die Optimierung der Lagerung ausgelegt. Wie bereits gezeigt werden natürlich auch Anforderungen aus dem Bereich der Kommissionierung berücksichtigt. Dies geschieht jedoch immer nur bis zu einem gewissen Grad. Die eigentliche Optimierungsarbeit erfolgt im Bereich der Lagerkapazität, nicht beim Umschlagsvolumen.
Ab wann in etwa rechnet sich die Investition?
Das ist sehr kundenspezifisch. Generell lässt sich dabei sagen: Je höher die Standortkosten, also allen voran die Immobilienpreise und Gewerbesteuern, desto schneller rechnet sich der Einsatz eines Verschieberegals. Gleiches gilt für die Infrastruktur- und Energiekosten. Je höher diese ausfallen, desto eher bietet es sich an, die Lagerdichte der Halle zu maximieren. Als Faustregel kann man dabei festhalten: Verschieberegalanlagen sind in etwa doppelt so teuer wie alternative statische Systeme. Ungeachtet dessen kann sich der Einsatz von Verschieberegalen, abhängig von der konkreten Hallenumgebung, sehr schnell bezahlt machen.
Lassen Sie uns nun noch einmal näher auf die Praxis schauen. Beginnen wir mit dem Thema Sicherheit. Was bietet SSI Schäfer hier an?
In erster Konsequenz geht es darum, etwaige Hindernisse in den Arbeitsgassen umgehend zu erkennen und ohne jeden Zeitverzug zu handeln. Hierzu verfügen unsere Anlagen über ein mehrstufiges Warnsystem: Der Zutrittsschutz zur aktuell geöffneten Gasse erfolgt über Lichtschranken, die vor und hinter den Verschieberegalblöcken am Boden angebracht sind. Wird ein Lichtstrahl unterbrochen, stoppt die gesamte Anlage. Weitere Lichtschranken sind auf den Längsseiten der Fahrwagen in Fußhöhe angebracht. Dieses zusätzliche Schutzsystem erkennt in Bruchteilen einer Sekunde, wenn Ware – aus welchen Gründen auch immer – in die Arbeitsgasse fällt, während ein Wagen bewegt wird. Auch in diesem Fall stoppt die Anlage sofort. Selbstverständlich erfüllen wir damit auch alle regulatorischen Auflagen. Was selbstverständlich auch für den Bereich des Brandschutzes gilt. Zudem gewährleisten wir einen gesicherten Anlagenbetrieb in erdbebengefährdeten Regionen. Hierzu liefern wir unsere Produkte in einer erdbebensicheren Ausführung aus.
>>> Sicherheit Lager
In seismisch aktiven Gebieten ist vorbeugende Instandhaltung sicherlich ein besonderes Thema. Doch abgesehen davon ist eine solche Anlage ja ohnehin schon großen Verschleißrisiken ausgesetzt. Wie begegnet SSI Schäfer diesem Umstand?
Die Frage ist absolut berechtigt. Um das tonnenschwere Verschieberegal, das unterstützende Schienensystem und den Hallenboden vor Verschleiß zu schützen, haben wir eine ganze Reihe von Faktoren berücksichtigt. Sämtliche technische Vorkehrungen hier aufzuzählen, würde den Rahmen unseres Gesprächs sprengen. Lassen Sie mich trotzdem fünf zentrale Aspekte herausgreifen. Beginnen wir mit der Lastenverteilung. Mit einem Vierrad-Fahrwerk erreichen wir, dass die auf den Boden wirkende Tragwerkslast bestmöglich im Raum verteilt wird. Gleichzeitig optimieren wir die Belastung der Räder. Jedes von ihnen verfügt über ein Rillenkugellager mit jeweils vier Laufbahnen, was einseitige Lagerbelastungen vermeidet. Zudem stellen wir mit Abstandssensoren sicher, dass die Fahrwagen entlang ihrer gesamten Breite stets parallel zueinander positioniert sind – unabhängig davon, ob sie gerade parken oder verfahren werden. Für gleichmäßige Fahrbewegungen sorgen im Übrigen auch die Elektromotoren der Regalwagen, die über zwei Getriebestufen in Direktverzahnung verfügen. Die befahrenen Schienenprofile wiederum bestehen aus hochfestem Stahl mit einem spezifischen Profil, das sich stabil in der Bodenplatte der Halle verankern lässt. All dies sorgt dafür, dass sich die Instandhaltungskosten und Ausfallzeiten der Regalanlagen minimieren lassen.
Wie stark lässt sich das System automatisieren?
Auf Wunsch ist ein vollautomatischer Betrieb möglich, bei dem sich die Anlage mit fahrerlosen Transportsystemen (FTS) synchronisiert und sämtliche Abläufe über eine vollintegrierte Lagerverwaltungssoftware rein digital gesteuert werden. Da die Software jederzeit über ein präzises Abbild der aktuellen Warenplätze verfügt, kann sie das Verschieberegal auftragsgerecht öffnen und das am besten verfügbare FTS zur Be- und Entladung leiten. Alternativ dazu ist aber auch ein teilautomatischer und auf Wunsch natürlich auch ein vollständig manueller Betrieb der Anlage möglich.
Welche Software-Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?
Aus Kundensicht zunächst einmal keine. Dank ihrer speicherprogrammierten Steuerung (SPS) sind unsere Verschieberegale immer auch als Standalone-Lösung nutzbar. Schließlich ist ja jede Position auf den Regal-Traversen mit einem Barcode versehen. Diesen Strichcode lesen die Mitarbeitenden mit ihren Handhelds aus und melden dem Lagerverwaltungssystem damit die Einlagerung oder Entnahme der Ladegüter.
Wie weit verbreitet ist diese Art der Systemintegration?
Derzeit ist sie noch der Normalfall. Gleichwohl wächst die Zahl der Anwender, die eine tiefere Integration wünschen. Ziel ist es, den Automatisierungsgrad der Halle zu erhöhen. Hierfür bieten wir einen Transportleitstand, der sich mit der Auftragssteuerung synchronisiert, ganz gleich, ob dies z.B. eine ERP-, MFS- oder WWS-Lösung ist. Der Leitstand teilt den in der Halle eingesetzten Transportsystemen mit, welche Ladegüter wo als nächstes in welcher Weise zu händeln sind. Die ausgeführten Arbeiten werden ebenfalls über den Leitstand quittiert. Ein weiterer Automatisierungsschritt kann darin liegen, die Befehle zum Öffnen und Schließen der Gassen direkt aus dem Leitstand herauszugeben.
Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz fahrerloser Transportsysteme.
Absolut. Womit wir dem vollautomatischen Betrieb der Systeme in der Halle natürlich schon sehr nahekommen. Doch ganz gleich, wie weit die Roadmaps unserer Kunden im konkreten Anwendungsfall auch reichen mögen, die eigentliche Automatisierung basiert immer auf Standardschnittstellen, die wir über unsere Lösungen mitliefern. So können sich unsere Kunden auf die Gestaltung der Hallenabläufe konzentrieren, ohne die unterstützenden IT-Systeme anpassen zu müssen.