Top-Manager im Interview : SSI-Schäfer-CEO Edelmann: „Wir brauchen keine große Strategieänderung“

Peter Edelmann im Gespräch mit Michaela Holy
© KNUD DOBBERKE

Sie sind seit einem halben Jahr neuer CEO von SSI Schäfer. Wohin soll sich SSI Schäfer unter Ihrer Führung entwickeln, welche Schwerpunkte setzen Sie?
Peter Edelmann SSI Schäfer ist ein Familienunternehmen, das 85 Jahre alt ist, in dieser Zeit intensive Kundenbeziehungen aufgebaut und damit auch eine sehr eng verflochtene Geschichte mit Kunden hat – aber in den letzten zwei Jahren sehr mit sich selbst beschäftigt war. Da gab es eine Umstrukturierung, eine ERP-Einführung, die nicht reibungslos verlaufen ist, einen Cyberangriff, der uns quasi lahmgelegt hat. Dann kam der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die Inflation. Das Unternehmen hat sich durch diese Themen eben viel mit sich selbst beschäftigt – und ich ändere das einfach nur. Unsere Gestaltungsenergie muss wieder in Richtung Kunde fließen, wir wollen gemeinsam mit den Kunden Werte schaffen, am Markt arbeiten – und uns wieder auf unsere Wurzeln besinnen.

Welche Schritte setzen Sie dazu?

Da geht es viel um Kommunikation, um die richtige Wahl der Menschen, ein Erscheinen vor Ort beim Kunden. Wir brauchen keine große Strategieänderung, denn die vorhandene Technologie ist top, die Menschen, die trotz der Schwierigkeiten der letzten zwei Jahre geblieben sind, sind ausgezeichnete Mitarbeiter. Ich bin grundsätzlich auch ein sehr neugieriger Mensch, ich möchte die Dinge genau verstehen. Wenn es etwa unzufriedene Kunden gibt, höre ich genau zu und merke oft: Die haben recht mit ihrer Kritik. Damit gehe ich ins Unternehmen zurück und wir arbeiten dann gemeinsam an diesen Themen. Ich habe für Familienunternehmen verschiedenster Ausprägung gearbeitet und bei einigen auch in den Beiräten gewirkt. Daher glaube ich schon, dass Familienunternehmen eine andere Kultur haben und dort Langfristigkeit im Fokus steht; ich nenne dies gerne „enkelfähig“. Und wenn eine neue Generation übernimmt, gibt es zwar manchmal ein bisschen Geruckel, die DNA und die Kultur bleiben dennoch stabil. Das ist das Typische an Familienunternehmen, das macht sie aber auch sympathisch, verlässlich und erfolgreich.

Das Thema Fachkräftemangel macht vermutlich auch vor SSI Schäfer nicht Halt. Wie können Sie vor einem solchen Hintergrund für Innovation sorgen?

Wir haben in den letzten zwei Jahren einige gute Leute verloren. Das schmerzt natürlich, aber wir konnten den Prozess jetzt aufhalten – und ich würde ihn gerne wieder umkehren. Denn das waren teilweise sehr gute Leute, deren Herz immer noch gelb schlägt, und die SSI Schäfer wegen der Umstände verlassen haben.
Grundsätzlich habe ich selten einen Facharbeitermangel gespürt. Ich weiß, es gibt ihn. Menschen wollen heute für ein verantwortungsbewusstes Unternehmen arbeiten, eines, dessen Themen sie gut oder interessant finden. Bei uns geht es viel um Digitalisierung, um die Steuerung von komplexen Anlagen, um Künstliche Intelligenz – das sind Themen, die begeistern. Und wir befinden uns in einem wachsenden Markt. Wenn man das gut vermittelt, haben wir Attraktionspotenzial und das müssen wir nutzen. Und dann ist es auch wichtig, die starken Bindungskräfte, die vor allem Familienunternehmen auszeichnen, einzusetzen, zu pflegen und weiter zu stärken. Jetzt heißt es mehr in Bindung und in Beziehungen zu investieren, nicht in Prozessen festzustecken und aktiv an der Zukunft und am Erfolg zu arbeiten - und dies nicht nur am Standort Deutschland, sondern international.

"Jetzt heißt es mehr in Bindung und in Beziehungen zu investieren, nicht in Prozessen festzustecken und aktiv an der Zukunft und am Erfolg zu arbeiten - und dies nicht nur am Standort Deutschland, sondern international"
SSI-Schäfer CEO Peter Edelmann

Wie erfolgreich sind die verschiedenen Standorte von SSI Schäfer?
Deutschland, oder ganz generell Europa, sind aus unterschiedlichen Gründen eher etwas geschwächt. Es gibt aber andere Märkte, die sehr gut unterwegs sind und die man entsprechend unterstützen muss. Wir sehen etwa gutes Potenzial in den Regionen APAC MEA (Asia-Pacific, Middle East & Afrika), Nordamerika, auch Lateinamerika. In Südeuropa sehen wir aktuell im Verhältnis zu anderen europäischen Märkten eine gute Entwicklung, der Norden ist eher etwas gedämpft zurzeit. Wir müssen dorthin, wo die Möglichkeiten sind, und das können wir auch, da wir bei SSI Schäfer global sehr gut aufgestellt sind.

Was wird in naher Zukunft an Produkten oder Innovationen bei SSI Schäfer zu sehen sein?

Wir haben einiges in Vorbereitung und wir haben zum Beispiel eine Einheit, die sich mit großem Datenvolumen beschäftigt, um unser Preventive Maintenance Angebot zu erweitern. Wir haben Mitarbeiter, die sich mit einem SSI Schäfer-GPT auseinandersetzen – also ob man aus unseren eigenen Daten Intelligenz filtert und anwendet. Wir arbeiten in den USA mit Big-Data-Architekturen, eine Einheit in Mexiko arbeitet an einem KI-Projekt. Künstliche Intelligenz sehen wir allerdings nicht als Selbstzweck, nur weil man heute als Unternehmen KI-Projekte braucht. Wir wollen für den Kunden konkreten Nutzen schaffen, Künstliche Intelligenz nutzen wir sozusagen als Mittel zum Zweck.

Sie haben Künstliche Intelligenz auch in den Unternehmensprozessen im Einsatz, Stichwort Lieferkettengesetz. Wie weit ist SSI Schäfer im eigenen Unternehmen, was Künstliche Intelligenz angeht?

Wir entwickeln und realisieren Kundenlösungen, die viel anspruchsvoller sind als die Prozesse, die wir intern einsetzen. Da haben wir einen gewissen Nachholbedarf. Wir versuchen, unsere Daten so zusammenzuführen, dass wir viele Möglichkeiten nutzen können. Das kommt bei uns stark Mitarbeitergetrieben: Kolleginnen und Kollegen, die täglich mit diesen Themen arbeiten, entwickeln sozusagen eigene Lösungen. Das ist das Schöne: Die Dynamik, die bei unseren Mitarbeitenden herrscht. Wir versuchen das Ganze etwas zu konsolidieren, damit nicht zu viele Insellösungen entstehen. Es ist aber wichtig, diesen ‚offenen Geist‘ nach Möglichkeit nicht zu unterbinden. Das ist auch einer unserer Ansätze, mit hohem Bezug zu unseren Werten, die wir vermitteln wollen: Den Menschen die Freiheit zu geben, mitzudenken, mitzuentscheiden, sich zu äußern. Wir arbeiten an einer Art „SSI Schäfer-Wikipedia“, wo eben das gesammelte globale Wissen von SSI Schäfer liegt, damit sich nicht jemand mit etwas aufhält, das grundsätzlich schon einmal entwickelt worden ist. Früher hat man gedacht, Strategien entstehen wie Tomaten im Gewächshaus. Ich bin eher einer der sagt, Strategien entstehen wie Unkraut im Garten. Diese Grassroot-Bewegungen müssen wir fördern und vor allem über eine Sensorik verfügen, aus diesen einzelnen Projekten, die entstehen, Stränge für eine strategische Ausrichtung zu bauen. Und diese Sensorik entwickeln wir dadurch, dass wir als Führung näher ran rücken.

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Wie wird sich SSI Schäfer in Zukunft entwickeln? Soll das Wachstum organisch sein, oder planen Sie die eine oder andere Übernahme?
Ich schließe einen Unternehmenskauf nicht aus. Wir wollen aber vor allem organisch wachsen, mit Innovation wachsen, unsere Kreativität mit und bei unseren Kunden und deren Anwendungen ausschöpfen und Ideen mit Wert realisieren. Wenn wir auf diesem Weg das eine oder andere brauchen, werden wir nicht Nein sagen. Dann agieren wir mit geschickten Akquisitionen, aber das werden nicht die großen Würfe sein.

Was, würden Sie sagen, sind denn die größten Chancen und Herausforderungen im Automatisierungsmarkt?

Die große Herausforderung ist, die Geschwindigkeit darzustellen. Derzeit ist der Druck auf die Produktivität noch nicht so groß. Irgendwann wird es aber einen Tipping Point geben, wo dann sehr viele Kunden auf einmal Automatisierungslösungen brauchen. Die Herausforderung wird sein, diesen Moment abzupassen. Der Markt wird weiterwachsen, das ist die Chance, da gibt es keinen Zweifel. Eine zweite Herausforderung sehe ich darin – vor allem für Europa – wieder Zuversicht zu entwickeln. Zukunft braucht Zuversicht.