Resilienz der Lieferkette : Acht Hebel zur Stabilisierung der Supply Chain
Die Belastung auf die zum Zerreißen gespannten Lieferketten nimmt weiter zu. Laut einer Befragung von Helbling Business Advisors unter mittelständischen Unternehmen, welche Faktoren deren Produktion derzeit am spürbarsten beeinflussen, stellt die Materialverfügbarkeit für 80 Prozent der Befragten eine große Herausforderung dar, die damit einhergehende Preissteigerung beschäftigt mit rund 48 Prozent fast die Hälfte.
Die daraus resultierenden Nachfrageschwankungen belasten immerhin fast ein Drittel der Befragten, unzufriedenstellende Lieferantenperformance macht sogar 39 Prozent der Unternehmen zu schaffen. Es bestehen zudem Kapazitäts- (45 Prozent) und Personalengpässe (26 Prozent). Weitere 26 Prozent gaben an, die eigenen Lieferketten seien zu wenig transparent – ein Umstand, der für immerhin 32 Prozent der Befragten zu Problemen im erfolgreichen Risikomanagement führt.
„Das über viele Jahrzehnte aufgebaute Supply-Chain-Modell ist nicht mehr zweckmäßig. Lieferketten sind heute eng und komplex vernetzt. Sogenannte Black-Swan-Ereignisse können zu dramatischen Versorgungslücken bei einigen Rohstoffen und Materialien führen, wie wir heute wissen“, sagt Supply-Chain-Experte Robert Leonhardt, Mitglied der Geschäftsleitung bei Helbling Business Advisors zu den Ergebnissen der Befragung. „Bestandsaufbau als spontane Reaktion auf unvorhersehbare Ereignisse ist keine adäquate Strategie mehr, auch wenn stabile Bestände in unruhigen Zeiten zunehmend als Asset gesehen werden. Unternehmen mit Produktionsstätten in Deutschland – insbesondere der besonders anfälligen Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Metall, Chemie und Telekomunikation – sollten ihre Supply-Chain-Strategien daher zügig und ganzheitlich radikal überarbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Acht Hebel zur resilienteren Supply Chain
Helbling Business Advisors hat sowohl kurz- als auch mittelfristige Maßnahmenbündel identifiziert, um die Wertschöpfungskette auf langfristigen Erfolg und Resilienz auszurichten.
Kurzfristige Maßnahmen sind demnach etwa die finanzielle Transparenz, denn viele Unternehmen übergehen in Initiativen zur Supply-Chain-Optimierung die Finanzabteilung und das Controlling. Margen-Verluste, interne Kostentreiber und Profitabilitätsbetrachtungen beginnen allerdings genau dort. Hier muss Transparenz über alle finanziellen Angelegenheiten hergestellt werden.
Auch eine Fokussierung durch Segmentierung ist eine kurzfristige Maßnahme: Eine durchgängige Segmentierung von Lieferanten und Kunden sowie von Einkaufsmaterial und Fertigprodukten ermöglicht der Belegschaft eine klare Fokussierung. Nur so ist die Entwicklung spezifischer Beschaffungs- und Absatzstrategien möglich.
Kurzfristig lässt sich auch erreichen, bestehende Leitplanken zu hinterfragen. Denn Transformationsprojekte sollten nicht durch vermeintlich gesetzte Leitplanken in Geschäftsmodell, Fachbereichsstruktur und strategischer Ausrichtung im Keim erstickt werden. Eminent wichtig ist ein ganzheitliches Bild über die Ausgangssituation zu erhalten, um mit offenem Mindset Chancen für die Zukunft ableiten zu können, so die Unternehmensberatung.
Mittelfristige Maßnahmen betreffen etwa den Aufbau einer Projekt- und Change-Management-Organisation. Denn große Projektprogramme mit vielen Teilprojekten, welche die gesamte Organisation durchziehen, können Unternehmen auch bei der korrekten Maßnahmenwahl belasten. Deshalb muss nach Möglichkeit zeitnah ein übergreifendes, spezialisiertes Projekt- und Change-Management-Team aufgebaut werden.
Mittelfristig sind auch ein S&OP-Prozess und eine durchgängige Supply-Chain-Planung wichtig, denn sind Supply Planning und Demand Planning ideal aufeinander abgestimmt, profitiert das Unternehmen durch eine optimierte Kapazitätsauslastung, verlässliche Materialverfügbarkeit und hohe Liefertreue. Hierbei hilft die Einführung eines ganzheitlichen Planungsprozesses, der Angebot und Nachfrage ideal zusammenführt. Auch sollte man Kapazitäts- und Flexibilisierungsanforderungen in die Planung aufnehmen: Durch detaillierte Kenntnis der Kapazitäten von Mensch, Maschine und Lieferant lassen sich, gemeinsam mit einem Flexibilitätskonzept, Nachfragespitzen und -täler ausgleichen und damit operative Hektik vermeiden.
Eine langfristige Maßnahme wäre schließlich die Realisierung von Frühwarnsystemen und Stärkung des Risikomanagements, denn Disruptionen entlang der Wertschöpfungskette sind wiederkehrende Erscheinungen. Integrierte Frühwarnsysteme erlauben eine frühzeitige Erkennung von Störungen und eine schnelle Reaktion. Schließlich sollte Prozessoptimierung im Vorfeld von ERP-Transformationen erfolgen. Die Unternehmesnberatung rät, nicht auf schlecht geplante und übereilte ERP-Projekte zu setzen, sondern noch vor der ERP-Transformation die Gestaltung sauberer und harmonisierter Prozesse fokussieren. „Wer sich diese Maßnahmen zu Herzen nimmt, wird sicherstellen, dass seine Supply Chain auch in Krisenzeiten funktioniert“, ist Leonhardt überzeugt.