RCG-Vorstand Clemens Först : Der Problemlöser

Ähnlich wie sein gläsernes Büro, hoch über den Dächern Wiens neben dem Hauptbahnhof, strahlt RCG-Vorstandssprecher Clemens Först Transparenz aus, wenn er über seine Laufbahn und seine Aufgaben im Konzern spricht. Er wirkt wie ein Typ Manager, der sich mit seiner legeren Kleidung und dem wissenschaftlich geprägten Selbstverständnis eben dieser Transparenz etwas von anderen abhebt.

Clemens Försts Laufbahn startete in der Wissenschaft– und sollte dort auch fortgesetzt werden. „Der Plan war schon ganz klar, nach dem Doktorat in der Wissenschaft Karriere zu machen“, erklärt er gegenüber Dispo. Auf ein Lehramtsstudium der Mathematik und Chemie folgte die Promotion in theoretischer Physik und Chemie – und schließlich die Forschung am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er zwei Jahre lang auf Basis von quantenmechanischen Simulationen Materialeigenschaften berechnet.

Doch letztlich fehlte der praktische Bezug, und Först wechselte 2006 in die Beratung zu McKinsey. Dort fand er schließlich in die Logistikbranche. „In der Beratung hatte ich als Physiker mit einem sehr generischen Hintergrund die Möglichkeit, eine Breite an Industrien und funktionalen Themen kennenzulernen. Dabei bin ich relativ schnell in der Logistikbranche sozusagen hängen geblieben.“ Er beschäftigte sich etwa mit Projekten zu Heavy Haul Lines in Australien, hatte mit Luftfracht in den USA zu tun, aber auch mit der Bahnindustrie in Europa. Schließlich wurde er „auch nicht unklassisch“, wie Först beschreibt, „aus einem Beratungsprojekt heraus gefragt, ob ich die Strategie des Unternehmens mitgestalten möchte – und bin 2011 Leiter der Strategie Unternehmensentwicklung bei den ÖBB geworden.“

Dabei sei kaum eine Industrie ähnlich komplex wie die Logistikbranche, wie er aus den Einblicken, vor allem aus der Beratungstätigkeit, gewonnen habe, meint Först. Gereizt habe ihn dabei vor allem der Zusammenhang zwischen hoher Fixkostenlastigkeit, einer hohen Dynamik der Märkte und gleichzeitig einem B2B-Geschäftsmodell, „wo man sich nicht mit Marketing-Messages durchschummeln kann.“

Grundsätzlich haben aber alle bisherigen Stationen etwas gemeinsam, so Först: „Es geht darum komplexe Probleme schnell zu erfassen, zu strukturieren und einen Lösungsweg zu skizzieren.“ Dabei sei es nicht so wichtig, ob es darum geht, ein physikalisches System zu modellieren oder auf aktuelle Herausforderungen in der Logistik zu reagieren. „Man hat in allen Fällen nie das perfekte Wissen, muss Näherungen treffen und Probleme auf lösbare Aufgaben herunterbrechen“, erklärt der RCG-Vorstand seinen Zugang. Das sei in der Beratung ähnlich gewesen – und sei es immer noch in seinem täglichen Job: „Wir haben eine Wirtschaftskrise und Strompreise, die viel stärker steigen als Dieselpreise. Deswegen verlieren wir unsere Vorteile gegen die Straße. Wie reagiere ich darauf auf der Kostenseite? Wie reagiere ich darauf auf der Marktseite? Auf einer gewissen Metaebene gibt es also immer ein Problem, das man pragmatisch lösen muss – trotz eines imperfekten Wissensstands.“

Clemens Först ist als RCG-Vorstandssprecher unter anderem für die digitale Transformation der Güterverkehrsbahn zuständig – ein Thema, das für ihn strategisch auch die „größte Relevanz“ hat. „Digitalisierung hat für uns im Schienengüterverkehr prinzipiell dieselben Use-Cases wie für jede Industrie. Sie können Prozesse digitalisieren, sie können die Produktion und Instandhaltung effizienter machen und so weiter. Das tun wir natürlich auch und ist für uns auch sehr wichtig. Die große Chance aber, die Digitalisierung strategisch für uns bringt, ist den Zugang zur Schienenlogistik niederschwelliger und attraktiver zu machen.“

Neben Digitalisierung steht auch das Thema Nachhaltigkeit groß auf der Agenda – diese liegt sozusagen ohnehin in der DNA eines Unternehmens im Schienenverkehr. Die Rail Cargo Group gründete mit Clemens Först etwa die transeuropäische Initiative Rail Freight Forward mit, die er seit ihrer Gründung fünf Jahre auch leitete – im Mai übernahm DB Cargo Vorständin Dr. Sigrid Nikutta. Das Ziel: die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs in Europa durch Innovation und eine intelligente Kombination verschiedener Verkehrsmittel deutlich zu reduzieren. Das Ziel ist, den Modalanteil des Schienengüterverkehrs europaweit auf 30 Prozent bis 2030 zu erhöhen.

Zusätzlich ist Clemens Först im Beirat des Verein Netzwerk Logistik, kurz VNL, tätig. Hier gehe es auch darum, dem oft propagierten Kampf Schiene gegen Straße den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn grundsätzlich gehe es um ein Miteinander, erklärt der RCG-Vorstand: „Wie kann jeder Verkehrsträger seine Stärken ausspielen, um in der Summe einen volkswirtschaftlich optimalen Verkehrsmix zu gestalten?“ Es gehe also vor allem darum, gemeinsam verkehrspolitische Akzente zu setzen – und sich für einen nachhaltigen Verkehrsmix einzusetzen.