Post-Paket-Chef Umundum zu Nachhaltigkeit und Internationalisierung : Nachhaltigkeit bei der Post: „Wir verfolgen eine langfristige Strategie“

Peter Umundum Österreichische Post
© Thomas Topf

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Österreichische Post seit Jahren. Welche Schwerpunkte legen Sie in diesem Jahr und welche für Neuerungen gab es in letzter Zeit?

Peter Umundum
Wir verfolgen eine langfristige Strategie, wir haben schon 2011 mit dem Umbau der Fahrzeugflotte begonnen. Derzeit werden gerade weitere tausend E-Fahrzeuge ausgeliefert, wir werden also von insgesamt 10.000 Fahrzeugen mit Ende des Jahres 4.000 E-Fahrzeuge in Betrieb haben. Jährlich wollen wir etwa weitere 1.000 Fahrzeuge umstellen. Das braucht es auch, wenn wir 2030 auf der letzten Meile zu 100 Prozent CO2-frei sein wollen. Insgesamt investieren wir heuer rund 50 Millionen in den E-Fuhrpark.

Wird es bis dahin so viele Fahrzeuge und die nötige Infrastruktur geben?

Umundum
Es ist ein Kampf, das sage ich ganz offen. Heuer ist es gelungen, weil wir die Bestellungen gesplittet haben: Es werden 300 Mercedes Sprinter geliefert und weitere 700 Maxus, die kurzfristig lieferfähig waren. Die zweite große Herausforderung ist, dass man auch die Anschlüsse dorthin bringt, wo man sie braucht. Dabei gibt es drei Stoßrichtungen: Überall dort, wo wir neu bauen – das sind jedes Jahr bis zu 20 Standorte – bereiten wir die Lademöglichkeiten vor. Zweitens rüsten wir auch Standorte um oder nach, was eine Spur komplizierter und aufwendiger ist. Drittens haben wir das Thema der Heimfahrtgenehmigungen: Das bedeutet dass Mitarbeiter vom letzten Zustellgang mit dem Dienstfahrzeug nach Hause fahren und entweder dort ihr Fahrzeug laden oder in der Früh über eine Schnellladung in der Zustellbasis. Und wir forcieren auch eine Charge-at-home-Lösung mit intelligenten Ladekabel.

Wie sieht es mit der Stromversorgung aus?

Umundum
Wir haben frühzeitig begonnen, unseren eigenen Strom mit Photovoltaik-Dachanlagen zu produzieren. Heuer waren wir bei acht Megawatt Peak, das versuchen wir im nächsten Jahr zu verdoppeln. Wir produzieren also durchaus schon einen beträchtlichen Anteil unseres Eigenstroms. Wir beschäftigen uns auch mit Windkraft und vor allem mit dem Thema Pufferspeicher. Wir haben zum Beispiel in der Zustellbasis Bruck an der Leitha einen Pufferspeicher mit Altbatterien hochgefahren. Wir sind auch mit einem Startup im Gespräch, der Photovoltaik auf Wasserstoff überträgt. Da geht zwar viel verloren, aber es geht eindeutig in diese Richtung: Wir müssen versuchen, die Energie, die wir untertags produzieren, für die Ladung in der Nacht zu speichern.

Wie sieht die Umstellung auf nachhaltigere Antriebe im Schwerverkehr aus?

Umundum
Dort versuchen wir – auch mit Förderungen unterstützt, weil die Fahrzeuge sehr teuer sind – Elektro- und Wasserstoff-LKW einzusetzen. Wir haben auch kürzlich ein Projekt gestartet, wo wir mit dem Treibstoff HVO fahren. Das sind biologische Abfälle, die zu Treibstoffen verarbeitet werden. Dabei haben wir die Freigaben der Motorenlieferanten bekommen, was natürlich wichtig ist. Je nach Lieferant können wir damit 70 bis 90 Prozent CO2 einsparen. Da haben wir die ersten sechs LKW in Graz und in Wien im Test.

© Österreichische Post
"Wir werden die Sonntags-Zustellung sowohl über unsere Abholstationen, als auch über die Empfangsboxen in Wien testen. Parallel dazu gibt es ein Projekt mit kleineren Einheiten im sogenannten Hausschlapfen-Radius."
Peter Umundum

Auch in Sachen Verpackung will die Post auf Nachhaltigkeit setzen und hat ein Projekt mit dem Logistikum Steyr umgesetzt. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Umundum Wir haben uns grundsätzlich überlegt, wie man Verpackungen optimieren kann. Wir haben etwa versucht, bei der Originalverpackung zu bleiben, ohne Überverpackungen zu verwenden, oder auch kompostierbare Verpackungen getestet. Wir haben auch eine Maschine getestet, die das Volumen der Bestellung misst und dann die Verpackung zuschneidet. Und dann haben ab dem ersten Halbjahr 2022 mit fünf großen Versendern einen Test für wiederverwendbare Verpackungen mit unterschiedlichen Produkten durchgeführt. Für den Rückversand der leeren Verpackung faltet der Empfänger-Kunde die Verpackung zu einem Brief, kann sie fast an 17.000 Stellen wie z. B. in Briefkästen, Versandstationen einwerfen oder in Filialen und bei Post Partner aufgeben und die Verpackung wird zurückgeschickt. Die Retournierungsquoten waren mit 27 bis 70 Prozent sehr unterschiedlich - auch mit dem Hintergrund, dass wir keinen Pfand verwendet haben. Jetzt haben wir mit Drei Österreich den ersten Kunden im Regelbetrieb, wo wir auch Pfand einsetzen. Der wird bei Rücksendung auf der Rechnung gutgeschrieben. Auch mit Interspar und Intersport sind wir in sehr konkreten Gesprächen, und auch Willhaben hat Interesse an unserer Lösung.

Seit 2020 sind die Sendungsmengen stark gestiegen. Wie sieht es in diesem Jahr aus? Spürt man Inflation und steigende Lebenserhaltungskosten auch bei den Paketmengen?

Umundum In Österreich sind die Paketmengen von 2019 auf 2021 von 127 Millionen auf 184 Millionen gewachsen. Das hat sich 2022 leicht reduziert. Laut Marktstudien hat sich E-Commerce im ersten Halbjahr reduziert, auch international. Wir haben trotzdem im ersten Quartal Wachstum verzeichnet. Das liegt daran, dass das China-Geschäft wieder stärker wurde. Wir dürften uns im Vergleich zum Markt positiv entwickeln.Wie bewältigen Sie die Sendungsmengen?Umundum Die jährliche Steigerung ist nicht die große Herausforderung. Die eigentliche Challenge ist eine jährliche Steigerung in Kombination mit den saisonalen Auswirkungen wie etwa dem Weihnachtsgeschäft. Aktuell bewegen wir uns an stärkeren Tagen bei 700.000 bis 800.000 Paketen im Sommer, zu Weihnachten sind es 1,2 bis 1,3 Millionen an Spitzentagen. Das ist eine wirkliche Challenge. Wir haben in den letzten Jahren eine halbe Milliarde Euro in Logistikzentren und die Zustell-Infrastruktur investiert. Der letzte große Schritt bis dato war, dass wir die Erweiterung in Allhaming in Betrieb genommen haben. Jetzt sind wir gerade dabei, in Wien-Inzersdorf den Hochlauf durchzuziehen. Wir haben das bestehende Paketzentrum nachgerüstet und ein neues dazugestellt. Wir haben österreichweit in den letzten Jahren die Sortierleistung von 70.000 auf rund 140.000 Pakete pro Stunde erhöht. Denn nicht nur die Mengen, auch die Erwartungen der Kunden, was Geschwindigkeit und Verlässlichkeit angeht, steigen. Das betrifft die Infrastruktur – das zweite große Thema ist das Personal. Wir würden sofort gut weitere 1000 Mitarbeiter einstellen. Der Schwerpunkt sind Zusteller, aber wir suchen auch Menschen in den Logistikzentren, der Transportlogistik oder haben auch im IT-Bereich Bedarf.

Ich kann mich erinnern, dass es früher keine Zustellung an Samstagen gegeben hat. Können Sie sich vorstellen, dass die Post in Zukunft auch sonntags, also die ganze Woche, zustellt?

Umundum Wir sind gerade mit Kunden im Gespräch zu diesem Thema. Allerdings muss ich relativieren: Die Idee ist, unsere SB-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Das heißt der Kunde bestellt am Samstag, die Zustellung am Sonntag passiert aber nicht an die Haustür. Denn einerseits ist es ein zusätzlicher Aufwand, andererseits glauben wir auch, dass die Kunden es zumeist nicht wünschen, am Sonntag gestört zu werden. Da werden wir die Zustellung sowohl über unsere Abholstationen, als auch über die Empfangsboxen in Wien testen. Parallel dazu gibt es ein Projekt mit kleineren Einheiten – etwa in der Größe einer Telefonzelle - im sogenannten „Hausschlapfen-Radius“. In dieser „Box“ gibt es es 20 bis 40 Fächer, die man im Umkreis von Haustüren installieren kann.

Post-Paket-Chef Peter Umundum im Dispo Blitztalk
"Wir begleiten große Kunden aus der Türkei, sozusagen die Amazons der Türkei, nach Aserbaidschan"
Peter Umundum

Die Post ist nicht nur in Österreich tätig, sondern international aufgestellt. Gibt es hier neue Entwicklungen?

Umundum
Wir haben Paketnetzwerke in der Slowakei, in Ungarn, in Kroatien, in Bulgarien, Montenegro, Bosnien und der Türkei – hier mit unserer größten Beteiligung, der Aras Kargo. Vor rund einem Jahr haben wir mit einem Eigenaufbau auch in Slowenien die Lücke geschlossen und vor etwa drei Monaten sind wir operativ in Aserbaidschan gestartet, wo die Aras Kargo eine 75-Prozent-Beteiligung an Star Express erworben hat. Dort begleiten wir große Kunden aus der Türkei, sozusagen die Amazons der Türkei, in diese Region.

Warum setzt die Post nicht in Slowenien auf Partner – und warum schließt die Post mit Slowenien „eine Lücke“?

Umundum Wir haben auch dort versucht, ein Logistikunternehmen zu kaufen und zu integrieren. Das war aber nicht möglich, weil kein passendes am Markt war. Ein Lückenschluss ist Slowenien deshalb, weil wir bereits in den umliegenden Ländern tätig sind und die Kunden auch dorthin begleiten können. Wir nutzen dafür auch die Infrastruktur, die wir in Österreich ausgebaut haben. Kalsdorf ist zum Beispiel nur 20 Minuten von Marburg entfernt.