Donald Trumps Zollpolitik : Wie Logistikdienstleister auf Trumps Handelsstrategie reagieren

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Unsicherheit ist wohl einer der meist verwendeten Begriffe, wenn es um die aktuelle Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump geht. Die Folgen der Einführung von Zöllen – und deren Aussetzung – spüren Unternehmen weltweit. Das hat natürlich Konsequenzen für die Lieferketten.
„Die größte Herausforderung besteht in der Unvorhersehbarkeit. Niemand kann derzeit sicher sagen, wie lange Zölle in Kraft bleiben, wann sie geändert werden oder welche Produkte betroffen sein werden. Diese erratischen Entwicklungen erschweren die Planung – sowohl für uns als Logistikunternehmen als auch für unsere Kunden“, erklärt Lothar Thoma, Geschäftsführer Luft- und Seefracht bei Gebrüder Weiss.
USA ist Österreichs zweitgrößter Exportpartner
2024 sind die Vereinigten Staaten auf Platz zwei der österreichischen Exportpartner vorgerückt. Mit einem Exportwert von 16,23 Mrd. Euro – das entspricht einem Plus von 10,1 Prozent – und einem Handelsbilanzplus von 8,5 Mrd. Euro war die USA jenes Land, mit dem Österreich am stärksten im Plus lag. Der Treiber dieses Überschusses sind Maschinen und Fahrzeuge sowie ein kräftiger Anstieg bei chemischen Erzeugnissen – insbesondere medizinisch-pharmazeutischen Produkten.
Insgesamt sieht der Chefökonom der Welthandelsorganisation WTO, Ralph Ossa, in der Zollpolitik der US-Regierung einen Weckruf für Europa und die Welt. „So wichtig wie die USA auch sind, sie machen nur 13 Prozent der weltweiten Importe aus, das heißt 87 Prozent der Importe sind im Rest der Welt", so Ossa in einem Interview. "Deswegen ist es jetzt erst mal wichtig, das zu schützen und das ist auch genau das, was für Europa wichtig ist. Natürlich wollen wir nach Amerika exportieren, aber wichtig ist, dass eben auch der Rest der Welt zusammenhält.“
Die Einbrüche beim Welthandel sind dem WTO-Chefökonomen zufolge in Nordamerika, also in den USA, Kanada und Mexiko, am größten. "Da ist schon ein enormer Effekt zu verzeichnen."
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Cargo-Partner in Mexiko: „Keine radikalen Umbrüche“
Der heimische Logistiker Cargo-Partner ist in Mexiko sehr aktiv, das Land ist „ein sehr wichtiger strategischer Standort, ein Wachstumsmarkt mit hohem Potential“, wie Martin Schenzel, Managing Director Austria und Director Cluster WEU Central & Mexico, gegenüber Dispo erklärt. Mit zwei Niederlassungen – in Puebla und Mexiko-Stadt – könne Cargo-Partner nahtlose End-to-End-Lösungen zwischen Mexiko und den USA sowie Kanada anbieten, „marktbedingt Marktbedingt bieten wir klarerweise auch die verlässliche Abwicklung von Zollangelegenheiten und Grenzverkehr an.“

"Es besteht die Hoffnung, dass nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird"Martin Schenzel, Managing Director Austria und Director Cluster WEU Central & Mexico
Die Volkswirtschaften von Mexiko und den USA seien eng verzahnt und profitierten von Freihandelsabkommen, unabhängig davon, ob es um landwirtschaftliche Produkte oder die industrielle Herstellung diverser Konsumgüter geht. „Durch die US-Zollpolitik herrscht aktuell viel Verunsicherung am Markt und es besteht die Hoffnung, dass nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird“, meint Schenzel.
Die Kunden und Kundinnen seien abwartend, man erwarte eine mögliche Verlagerung bei den Absatzmärkten. „Aktuell haben wir am nordamerikanischen Markt keine signifikanten Änderungen feststellen können. Das liegt bestimmt auch daran, dass zahlreiche Kunden und Kundinnen bereits in den beiden Quartalen vor dem Jahreswechsel entsprechende vorbeugende Maßnahmen getroffen haben, beispielsweise durch den Aufbau von entsprechenden Lagerbeständen“, sagt Schenzel im Dispo-Gespräch. „Wie es nach dem Leeren dieser Bestände mit der Umsetzung von Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Services weitergeht, wird sich noch weisen.“
Unwägbarkeiten zwischen China und USA
Cargo-Partner sieht derzeit noch keine „radikalen Einbrüche“ bei Routen, Partnern oder Transportmitteln, so Schenzel auf Dispo-Anfrage. „Bekanntlich sind im Zuge der US-Handelspolitik aber die Raten und Volumina in der See- und Luftfracht auf den Transpazifischen Routen eingebrochen. Man wird abwarten müssen, worauf sich China und die USA einigen werden.“
Die WTO geht davon aus, dass der bilaterale Handel zwischen China und den USA um bis zu 80 Prozent einbrechen könnte, er mache aber nur etwa drei Prozent des Welthandels aus, so WTO-Chefökonom Ossa. Dafür werde aber China viele Waren, die es sonst in die USA exportiert hätte, nach Europa liefern. „Da ist es jetzt ganz zentral, dass man diese Umlenkungseffekte kooperativ managt, damit dieser Konflikt nicht noch weiter eskaliert“, so Ossa.
Gebrüder-Weiss-Manager Lothar Thoma gibt Einblick in operative Schwierigkeiten, die die Zölle auf Produkte haben, die von China in die USA geliefert wurden und werden: “Unternehmen müssen kurzfristig entscheiden, ob sie Waren annehmen, zurücksenden oder gegebenenfalls auf andere Märkte umlenken. Besonders problematisch sind Fälle, bei denen sich Zolländerungen während des Transports ergeben – zum Beispiel bei Containern, die China Richtung USA verlassen und während der Überfahrt von neuen Zollsätzen betroffen sind. Nehmen die Empfänger die Ware an? Oder ist sie ihnen zu teuer geworden und sie schicken sie – bestenfalls – wieder zurück? Oder bleiben die Container in den US-Häfen?“
Bis jetzt habe man noch keine gravierende Fälle, „aber das kann eventuell in nächster Zeit kommen“, so Thoma gegenüber Dispo. Im schlimmsten Fall gebe es keinen Abnehmer mehr für die Waren - und auch keinen Versender, der erreichbar sei. „Manchmal haben kleinere chinesische Firmen Ware für verschiedene Empfänger in den USA auf Schiffen, auf die nun womöglich eine Rücksendeanforderung oder eine Annahmeverweigerung durch den Käufer zukommt“, erklärt der Gebrüder-Weiss-Manager.
Hier müsse man versuchen, eine Lösung im Dialog mit Absender und Empfänger zu finden, denn der Zoll in den USA sei wenig verhandlungsbereit, schmunzelt Thoma. „Wenn es wirklich Billigware ist, bei der sich aufgrund des hohen Zollsatzes der Verkauf nicht mehr rentiert, muss man überlegen, wie man damit umgeht. Nehmen große Handelsketten die Ware an und übernehmen einen Teil der Mehrkosten? Oder sind es kleinere Retailer und Importeure, die sich das nicht leisten können oder wollen? Es gibt auch Fälle, bei denen die Ware verschrottet wird, weil das günstiger ist als ein Rücktransport oder eine Umleitung in ein anderes Land. Denn der Transport von der Westküste USA in ein anderes Land ist in der Regel so teuer, dass das bei Billigprodukten keinen Sinn macht. Gerade die USA importiert einen hohen Anteil an günstigen Produkten aus China. Diese Waren werden jetzt sehr viel teurer. Erst wenn die Ware angekommen ist, sehen wir, ob es solche Fälle geben wird und in welcher Häufigkeit. Darauf bereiten wir uns im Moment vor.“
Chronologie der Trump-Zölle
Jänner 2025
- 20.1.: Trump kündigt umfassende Zölle und neue Behörde an
- 26.1.: Zollandrohung gegen Kolumbien erzwingt Kooperation bei Rückführungen
Februar
- 1.2.: 25 % Zölle auf Kanada/Mexiko, 10 % auf China
- 4.2.: China reagiert mit Gegenzöllen
- 10.2.: Ankündigung von Stahl-/Aluminiumzöllen ab 12.3.
- 13.2.: Trump präsentiert Prinzip der "reziproken Zölle"
März
- 4.3.: Zölle gegen Kanada/Mexiko treten in Kraft, China-Zölle steigen auf 20 %
- 10.3.: Gegenzölle Chinas, EU bereitet Zollpaket vor
- 24.3.: Angekündigte Zölle auf Importe aus Venezuela-kaufenden Staaten
- 26.3.: 25 % Autozölle ab 3. April
April
- 2.4.: "Reziproke Zölle": bis zu 34 % für China, 20 % für EU
- 5.4.: 10 %-Mindestzoll tritt in Kraft
- 9.4.: 125 % China-Zölle verhängt
- 12.4.: Lockerung bei Laptops, Handys
- 14.4.: Autoindustrie könnte ausgenommen werden
- 24.4.: Neue Zölle in zwei bis drei Wochen angekündigt
- 29.4.: Erleichterungen für US-Autohersteller und Rückerstattungen auf bereits gezahlte Zölle.
Mai
- 2.5.: De-minimis-Ausnahme beendet: Zölle für Pakete unter 800 USD aus China und Hongkong 120 %, ab Juni 200 %.
- 6.5.: US-Finanzminister Scott Bessent: "Keine Handelsgespräche mit China"
- 8.5.: Vorläufiges US-China-Abkommen: Zölle auf 80 % gesenkt, Gegenzug bei seltenen Erden
- 8.5.: Handelsdeal mit UK: Autozölle gesenkt, Agrar- und Flugzeugteil-Zölle entfallen teilweise
- 11.5.: US-Handelsministerium bestätigt: 10 %-Mindestzoll bleibt grundsätzlich bestehen
Gebrüder Weiss erwartet „Blank Sailings“
Lothar Thoma erwartet sich auch einen ökologischen Effekt durch Donald Trumps Handelspolitik: „Die Klimabelastung wird in dieser Phase deutlich sinken, weil weniger Schiffe unterwegs sind.“ Denn die Transportnachfrage von China Richtung USA sei deutlich eingebrochen – „hier gibt es zwischen 40 und 60 Prozent weniger Nachfrage nach Containern. Das versuchen die Reedereien zu kompensieren, indem sie weniger Schiffe fahren lassen. Stichwort ‚Blank Sailings‘, also dem gezielten Aussetzen von Abfahrten, indem die Schiffe zu Wartungsarbeiten ins Dock geschickt werden. Dadurch wird die Flottenkapazität reduziert, um einen Preisverfall zu vermeiden. Sonst würde bei der niedrigen Nachfrage der Preis pro Container ins Bodenlose sinken“, so der Manager.
Gebrüder Weiss stellt sich grundsätzlich darauf ein, dass es auf der Handelsstrecke China-USA weniger Volumen geben, und der Wettbewerb um das verfügbare Geschäft intensiver werden wird. „Uns als Gebrüder Weiss betrifft es etwas weniger, weil wir auf dieser Trade Lane nicht ganz so stark sind. Das war für uns ein Wachstumsfeld, das wir in den nächsten Jahren stärker entwickeln wollen. Wir sind stärker auf der Trade Lane Asien-Europa und Europa-USA. Wir können mit der Situation also relativ gut umgehen. Wir verlagern unsere Kapazitäten und den Fokus unserer Mitarbeiter auf die anderen Geschäftsfelder und in andere Trades.“

„Es gibt auch Fälle, bei denen die Ware verschrottet wird“Lothar Thoma, Geschäftsführer Luft- und Seefracht bei Gebrüder Weiss
Nachfrageschub bei Exporten von Europa in die USA
Gebrüder Weiss verzeichne einen „Nachfrageschub“ in Europa, „weil viele Kunden die zehn Prozent in Kauf nehmen und nochmal alles verkaufen, bevor womöglich nach dem Ablauf der 90-Tage-Frist plötzlich nochmal höhere Zölle kommen“, erklärt er. „Ein anderes Beispiel: wir haben einen Projektlogistiker als Kunden, der dieses Jahr acht US-Projekte geplant hat - die sind jetzt alle on hold. Der Kunde sucht Flächen, wo er diese Container lagern kann, weil er keine Abnehmer mehr hat. Wenn klar ist, wie viel Zoll letztendlich erhoben wird, können die Kunden kalkulieren, und dann entscheidet der Markt, ob Ware aus Europa in den US verkaufbar ist oder nicht.“ Cargo-Partner-Manager Schenzel ergänzt: „In Österreich konnten wir wöchentlich leichte Schwankungen feststellen, je nachdem welche Tarife der US Präsident zu jeweiligen Zeitpunkt ausgerufen hat.“ Generell könne man jedoch festhalten, dass die Automotive-Branche ganz unabhängig von der US-Zollpolitik auf dem Prüfstand steht.
Hoffnung auf Klarheit
Zusammenfassend sind die Zölle – ob eingehoben oder ausgesetzt – kein Problem für Logistiker wie Gebrüder Weiss oder Cargo-Partner. „Zollabwicklung stellt technisch für uns Routine dar – schließlich ist dies für Nicht-EU-Länder tägliches Geschäft“, so Lothar Thoma. Und auch Schenzel sagt: „Unabhängig von der Höhe der Zolltarife bleibt unser zollrechtliches Know-how ein verlässlicher Faktor – wir stehen unseren Kundinnen und Kunden mit Expertise und Erfahrung bei allen Fragen rund um die Zollabwicklung zur Seite.
Diese seien zwar derzeit abwartend, aber wir „versuchen wo es geht, sie zu beraten und sehr rasch auf die sich immer wieder verändernden Bedingungen zu reagieren“, erklärt Schenzel abschließend.
Lothar Thoma versucht, optimistisch in die Zukunft zu schauen: „Im Moment dämpft diese Unsicherheit das Geschäft. Wenn wieder Klarheit herrscht, werden wir im Handelsvolumen relativ schnell wieder auf ein Vor-Zoll-Niveau kommen. Insgesamt bleibt die Hoffnung, dass ein Agreement kommt, vielleicht bestenfalls die Free Trade Zone, die im Gespräch war. Alles ist besser als diese Unsicherheit.“