Ausbildung im Schienengüterverkehr : Wie Loklöwen den Lokführermangel im DACH-Raum bekämpft

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Loklöwen bildet Lokführer aus und stellt sie an. Ihr seid ein typischer Arbeitskräfteüberlasser, oder?  
Unser Unternehmen kümmert sich in der Tat zu einem großen Teil um Personalbeschaffung, generell beraten wir aber auch bei allen Personalfragen. Wir sehen uns also nicht nur als Arbeitnehmerüberlassung, denn davon gibt es sehr viele in Deutschland. Als wir 2019 mit Loklöwen losgelegt haben, sind wir zunächst mit  fünf Lokführern gestartet und haben dann erst einmal einen Kunden gesucht, der wirklich zu uns passt. Jetzt sind wir fünfeinhalb Jahre alt und haben uns seit der Gründung jedes Jahr verdoppelt. 
Im Moment beschäftigen wir 100 Mitarbeiter und haben circa 50 Schüler, die gerade unsere Akademie durchlaufen, um Lokführer, Wagenmeister oder Disponent zu werden. Das sucht in Deutschland schon seinesgleichen. Der große Platzhirsch MEV hat – glaube ich – eine Personalstärke von 500 bis 700 Mitarbeitern. Für Platz 1 reicht es für uns also noch nicht, aber danach kommt auch wenig – die meisten Anbieter liegen bei etwa 30 Lokführern.

In Deutschland habt ihr also ganz gut Fuß gefasst. Wie sieht es denn in Österreich bzw. im gesamten DACH-Raum aus?
Dadurch, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz deutschsprachig sind, verschwimmt das immer ein bisschen, was unsere Aktivitäten betrifft. Grundsätzlich sind wir im gesamten DACH-Raum noch nicht so bekannt, aber wir haben Unternehmen als Kunden, die unsere Lokführer auch in Österreich und der Schweiz grenzüberschreitend einsetzen. In Deutschland sind wir mittlerweile gut bekannt, hier zählen die größten Eisenbahnverkehrsunternehmen zu unseren Kunden, inklusive europäischer Staatskonzerne. In Österreich etwa ist das die Salzburger Eisenbahn Transport Logistik oder TX Logistik, die zur italienischen Staatsbahn gehört. So kommen auch Aufträge aus dem gesamten DACH-Raum zu uns nach Deutschland.

Warum gibt es so wenige Lokführer bzw. einen so großen Mangel in diesem Bereich?
Zum Ersten liegt es daran, was politisch und geografisch gerade passiert. Wir haben meiner Beobachtung nach den größten Fachkräftemangel, den es jemals gab. Deshalb können sich Arbeitskräfte heute mehr denn je aussuchen, was sie machen wollen. Wenn man beispielsweise früher im Solarium gearbeitet hat und in einen Bürojob wechseln wollte, war das nahezu utopisch. Das ist heute nicht mehr so. Unternehmen müssen quasi um die Ressource Mensch kämpfen. 
Der zweite Faktor ist: Die Ausbildung zum Lokführer ist eine sehr schwierige, die nicht jeder schafft. Es ist nicht so wie beim Führerschein fürs Auto – hier hat die Politik ein Interesse, dass man den besteht, damit Autos verkauft werden. Bei der Eisenbahn ist es nicht so. Man kauft ja keine Lokomotive, wenn man Lokführer wird. Entsprechend haben Sicherheitsbehörden sehr große Auflagen. Die Ausbildung dauert zwölf Monate, was Disziplin erfordert, um durchzuhalten – und man muss mitunter auch das Lernen erst wieder lernen. 
Dann gibt es noch einen dritten Punkt: Ich selber bin gelernter Speditionskaufmann und habe in der Ausbildung die Bereiche Straße, Seeschifffahrt und Luft abgedeckt. In meiner Prüfung, die ich nach drei Jahren absolviert habe, war der Eisenbahn-Teil jedoch komplett gestrichen, weil er einfach nicht relevant war. Viele haben daher vielleicht als Kind den Traum, Lokführer zu werden – wissen aber gar nicht, wie sie dieses Vorhaben auch tatsächlich umsetzen können. Es gab und gibt quasi keine Werbung für diesen wichtigen Beruf.

"Der Beruf des Lokführers ist nicht so einfach. Da braucht es intensivere Führung als etwa in einem Büro."
Dennis Leonidis, Gründer und Geschäftsführer von LokLöwen

- © LokLöwen

War das auch der Hintergrund, Loklöwen zu gründen? 
Ich habe jahrelang in Eisenbahnverkehrsunternehmen gearbeitet, sowohl als Arbeitnehmer als auch als Selbständiger. Ich habe beobachtet, dass es in dieser Branche eine hohe Fluktuation gibt – und es gleichzeitig ein zukunftsweisender Markt ist. Ich habe oft erlebt, dass bisherige Personalvermittler nicht immer professionell agiert haben und auch gesehen, wie mit den Menschen teilweise umgegangen wurde. Der Beruf des Lokführers ist nicht so einfach – du bist Tag und Nacht europaweit unterwegs, hast keinen Schlafrhythmus, siehst deine Familie tagelang nicht. 
Da braucht es intensivere Führung als etwa in einem Büro, denn wir sind als Management manchmal der einzige Ansprechpartner während der Arbeit. Dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein. In unserem Fall ist es so, dass mein Mitgründer und Geschäftspartner Artur sich primär um alle wirtschaftlichen Themen kümmert und mir auf der administrativen und geschäftlichen Seite den Rücken freihält, damit ich mich voll um unser Personal kümmern kann.

Das erinnert mich ein bisschen an den Status von LKW-Fahrern: Sie sind essenziell für die Wirtschaft, aber das beste Standing haben sie auch nicht.
Das stimmt. Wenn man überlegt, wie man LKW-Fahrer wird und wie man Lokführer wird, gibt es doch große Unterscheide. Vor einigen Jahrzehnten war Lokführer ein sehr anerkannter Beruf. Man musste eine dreijährige Ausbildung absolvieren und wurde sogar verbeamtet. Heute ist das stark verkürzt, manche Schulen bieten die Ausbildung in einem halben Jahr an – da kann doch gar nicht alles vermittelt werden. Meiner Meinung nach wird operatives Personal ohnehin oft belächelt, wir haben – nicht nur in dieser Branche – ein sehr großes Führungsproblem. 
Die meisten Führungskräfte können nicht führen, sie müssen zugleich verkaufen, disponieren, planen – sie sind meistens gar nicht acht Stunden dafür verfügbar, um sich um ihre Mitarbeiter zu kümmern. In meinem Training sage ich immer, eine gute Führungskraft kann nicht mehr als 20 Leute führen, weil man sonst nicht die Zeit hat, sich um jeden einzelnen zu kümmern. Zusammengefasst wird der Beruf also einerseits ein bisschen belächelt, und andererseits haben wir ein sehr großes Führungsproblem, zumindest in Deutschland.

Wie stellt ihr sicher, dass euer überlassenes Personal gut geführt wird? 
Die Kunden, mit denen wir arbeiten, sind sorgfältig ausgewählt. Wir sind auch nicht ausschließlich monetär incentiviert, das ist ein großes Geheimnis unseres Werdegangs als Unternehmen. Das heißt, wenn wir einen neuen Kundenvertrag abschließen, und nach einem Monat merken, dass das benötigte und von uns bereitgestellte Personal “verheizt” wird oder man respektlos mit ihnen umgeht, dann ziehen wir die Handbremse und sagen: “Es tut uns leid, aber das passt nicht – wir können nicht das liefern, was ihr sucht.” Wir können unsere Mitarbeiter in dem Fall nicht in so einer Situation lassen, sonst sind sie irgendwann alle weg. Das macht kaum ein Unternehmen in unserer Branche. Wir machen das jedoch, denn wir wollen gesund und nicht um jeden Preis wachsen. Das Personal ist auch immer in Korrespondenz mit uns und hat z.B. auch die Whatsapp-Nummer von Artur und mir. Sie können sich also Tag und Nacht direkt bei uns Gründern melden. Das ist auch nicht unbedingt typisch bei einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern, dass man jederzeit die Geschäftsführung kontaktieren kann. 
Zudem kümmert sich eine eigene Personalplanerin um die Probleme unserer Mitarbeiter. Wir treffen uns darüber hinaus alle drei Monate zu einem Teamevent wie zum Beispiel unserem Sommerfest oder zur Weihnachtsfeier. Darüber hinaus haben wir regelmäßige Zoom-Meetings, wo es darum geht, wie sich das Unternehmen entwickelt. Dadurch schaffen wir Nähe, obwohl unser Team eben beim Kunden vor Ort ist und dort tagtäglich arbeitet.

Was macht ihr, wenn ihr den Bedarf nicht decken könnt?
Wir haben neben unseren Mitarbeitern noch via einem Netzwerk an Selbstständigen Zugang zu einem erweiterten Kreis von Lokführern. Derzeit starten wir alle drei Monate einen neuen Kurs in Hamburg, der hybrid ist, sodass auch Menschen aus anderen Teilen des Landes oder auch aus Österreich teilnehmen können. Ein Kurs umfasst in der Regel etwa 20 Leute, wo etwa die Hälfte nach einem Jahr den Abschluss feiert. Wir haben für 100 Mitarbeiter fünf Jahre gebraucht, jetzt haben wir in einem Jahr fast 50 neue potenzielle Lokführer in Ausbildung.

Artur Penkala und Dennis Leonidis haben LokLöwen 2019 gegründet.

- © Loklöwen

Was ist euer Ziel für die nächsten fünf Jahre?
Ich würde gerne einerseits die Marktführerschaft des einen oder anderen Players in unserer Branche ankratzen, andererseits möchte ich aber eigentlich gar nicht so sehr signalisieren, dass wir diese irgendwie verdrängen müssen  – denn ich denke, wir sind auf eine Art und Weise schon besser. Wir sind nur quantitativ betrachtet noch nicht besser.
Wir vergrößern uns aktuell auch von unseren firmeneigenen Flächen her stark und wollen u.a. Workshops anbieten. Wir gründen dafür eine neue Firma, weil wir mit dem Konzept, mit dem wir Loklöwen gegründet haben, auch in anderen Bereichen nach außen gehen wollen. Wir wollen der Wirtschaft vermitteln, wie man richtig führt und gute Teams bildet. Denn das, was wir mit Loklöwen machen, funktioniert in jedem Business,  nicht nur in der Eisenbahnbranche. Außerdem wollen wir Afterwork-Events anbieten, um in Hamburg das Unternehmertum zusammenzubringen – gerade zum Thema Führung. Am Ende möchte ich gerne, dass wir die Nummer 1 sind, wenn es um die Themen Eisenbahn und generell Personalentwicklung in Deutschland geht. 

Wie steht es um eure Pläne, Niederlassungen in Österreich oder der Schweiz zu gründen?
Mit unserer Loklöwen Akademie haben wir den Anspruch, eine Schulungsmöglichkeit in Präsenz zu haben, zu der man in maximal zwei Stunden anreisen kann. Wir sind in der Hinsicht dabei, uns mit Loklöwen auch in Österreich zu erweitern und haben zudem bereits Gespräche in der Schweiz und den USA geführt. Wir versuchen immer wieder strategische Partner zu finden, die den Markt und die größten Player sowie alle relevanten Regeln und Gesetze vor Ort kennen. In der Zukunft wird es definitiv ein Ziel sein, quasi überall in Europa einen Standort zu haben. Wir wollen es jedoch nicht erzwingen und haben parallel viele andere Projekte in der Pipeline, aber es ist definitiv ein Wunsch von uns.