Interview : "Wir sind die ersten in Europa die zeigen, dass das möglich ist"
Die Österreichische Post investiert massiv in die Logistik-Infrastruktur. Wieviel und worin genau?
Peter Umundum Wir investieren in Österreich eine halbe Milliarde bis 2023. Die Technologie ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des Investitionsprogramms. In Sachen Infrastruktur braucht es auch die Logistikzentren, Zustellbasen und das Filialnetz.
Was passiert in den Logistikzentren?
Umundum Bei unseren österreichweit sechs Brieflogistikzentren reduziert sich eher der Flächenbedarf, der Ausbau passiert vorwiegend in den Paketzentren, von denen wir mittlerweile zehn haben. Im Zuge der DHL-Übernahme 2019 haben wir auch deren Standorte übernommen, teilweise als Logistikzentren, teilweise als Zustellbasen oder etwa für spezielle Einsatzgebiete wie in Hagenbrunn für Sperrgutabwicklung. 2019 haben wir dort auch das Logistikzentrum Niederösterreich eröffnet. Der nächste Schritt war die Eröffnung des Zentrums Thalgau in Salzburg 2020 und gleich darauf haben wir in Kalsdorf in der Steiermark mitten in den Lockdown-Phasen das aktuell größte Paketzentrum hochgefahren. Dort gibt es auch bereits erste weitere Ausbauschritte, bei denen wir die Sorter beschleunigen. In diesem Jahr haben wir das Logistikzentrum in Vorarlberg mit neuen Sortern und einem Zubau versehen. Vor einigen Wochen ist das neue Paketzentrum in Tirol in Betrieb gegangen, in dem wir nach der Hochsaison auch ein Briefzentrum integrieren. Und gebaut wird aktuell in Oberösterreich in Alhaming. Hier werden wir mittels Zentrumserweiterung die Sorterleistung im Paketbereich noch einmal verdoppeln. Das wird dann mit Abstand das größte Zentrum der Österreichischen Post AG mit einer Sortierleistung von bis zu 32.000 Paketen pro Stunde. Und auch im Logistikzentrum Wien werden wir unsere Kapazitäten ab dem kommenden Jahr massiv ausbauen.
Die Umrüstung der Logistikzentren betrifft also vor allem die Sorter?
Umundum Es gibt immer zwei Engpässe: das eine ist die Sortergeschwindigkeit, das zweite sind die Ladetore. Je mehr Tore, umso mehr Pakete bringen wir raus. Deshalb auch die Zubauten: Die Sorter sind nicht so groß, da geht es eher um die Ladetore.
Gibt es weitere Innovationen in den Zentren?
Umundum Ja. Es ist ein wichtiger Faktor, wie schnell wir Be- und Entladen können. In Sachen Entladung haben wir den Rapid Unloader mit der TU Graz und zwei jungen Start-up-Gründern entwickelt. Der Rapid Unloader ist ein automatisierter Entladeteppich, mit dem die gesamte Ladung automatisch auf den Sorter gezogen wird. Da braucht es dann nur noch eine Person an zwei Ladetoren. Der Rapid Unloader ist ein Patent, das wir mit dem Spinoff PHS europaweit geschützt haben, diese Technologie wird bei unseren Zentren nachgerüstet und auch am Markt angeboten.
Warum ist es denn so notwendig, die Logistikstandorte zu erweitern?
Umundum Der Treiber ist das wachsende Paketgeschäft. 2020 sind wir um 30 Prozent auf 166 Millionen Pakete gewachsen, 2009 hatten wir dagegen nur 50 Millionen. Wir haben im ersten Halbjahr 2021 wieder 20 Prozent Wachstum gesehen. Darauf müssen wir uns vorbereiten – und das treibt die Investitionen. Außerdem gibt es eine steigende Qualitätserwartung – sowohl beim Versender als auch beim Empfänger. 2009 war es noch üblich, dass innerhalb von zwei Tagen zugestellt wird, de facto ist jetzt der übliche Standard ein Tag, teilweise gibt es auch Projekte, wo wir am selben Tag zustellen.
Was gibt es in Sachen letzte Meile Neues?
Umundum Unser zentrales Ziel ist es, dass wir die gesamte letzte Meile in Richtung CO2-Freiheit ausrichten. Wir haben das Leuchtturmprojekt Graz, wo wir schon heuer zu 100 Prozent CO2-frei zustellen. Das ist für uns so wichtig, weil es ein Proof of Concept ist und wir hier die ersten in Europa sind, die zeigen, dass das bereits jetzt mit bestehenden Fahrzeuggrößen und Ladeinfrastruktur möglich ist. Wichtig ist uns aber auch die Erstzustellquote. Die liegt - gemessen über Track and Trace – bei 94 Prozent. Am Land sind wir fast bei 100 Prozent aufgrund von rund 800.000 Abstellgenehmigungen. Der nächste Schritt, den wir gerade testen, ist die Vorzimmer-Zustellung, wo wir erstmalig auch in die Wohnung unserer Kunden dürfen. Dazu haben wir 100 Kunden in Wien, Graz und Teilen Niederösterreichs gesucht, die das bis Jahresende ausprobieren.
Wir haben auch das größte Filialnetz mit 1.800 Postgeschäftsstellen und ergänzend dazu 24/7-Lösungen, mit knapp 500 Abholstationen und Versandboxen, die sind vor allem auch für Retouren gut geeignet, und rund 55.000 Empfangsboxen in den größeren Wohnhäusern in Städten. Es gibt auch Landabgabekästen im ländlichen Raum, die wir zusätzlich mit Empfangsboxen ausgestattet haben. Die werden im nächsten Jahr auch via NFC retourenfähig sein.
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Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit: Welche Ökologisierungsmaßnahmen setzt die Österreichische Post?
Umundum Wir sehen Nachhaltigkeit mehrdimensional, auch wirtschaftlich und menschlich-sozial. Das ist zentraler Bestandteil unserer Strategie. Und in Sachen Umwelt und Klima verfolgen wir ein Langfristziel – bis 2030 wollen wir auf der letzten Meile gänzlich CO2-frei sein, die CO2-Belastung im Vergleich zu 2009 um 70 Prozent reduzieren und die absolute CO2-Emission um 40 Prozent. Das baut auf unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die wir unter dem Namen „CO2-neutral zugestellt“ seit 2011 umsetzen – ein dreistufiges Konzept mit hunderten Maßnahmen, von Routenoptimierungen über Bündelungen bis hin zu LED-Beleuchtungskonzepten. Wir kaufen auch nur grünen Strom zu und arbeiten beim Thema Heizung/Kühlung auch mit Luft- oder Bodenwärme. Zudem produzieren wir unseren eigenen Strom mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Und wir führen Tests mit Pufferspeichern durch, um die erzeugten Stromreserven speichern zu können.
Wie sieht es beim Fuhrpark aus?
Umundum Wir haben bei rund 10.000 Fahrzeugen etwa ein Viertel auf Elektromobilität umgestellt und haben damit die größte E-Flotte Österreichs. Wir versuchen auch mit der Bahn Schritte zu gehen, vor allem bei internationalen Zulieferungen. Auch beim Schwerverkehr gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Da wollen wir technologieoffen bleiben. Als Überbrückungstechnologie haben wir bereits einen Flüssiggas-LKW in Betrieb, alleine dadurch erreichen wir im Vergleich eine jährliche Einsparung von rund fünf Tonnen CO2.
Gibt es in Sachen Wasserstoff Kooperationen oder Projekte?
Umundum Wir haben mit OMV und Verbund eine Kooperation geschlossen und arbeiten zusätzlich in einem Konsortium an einem Pilotprojekt – ähnlich wie in der Schweiz. Mit dem Konsortium könnte - realistisch bis 2023 – ein Tankstellennetz in der Größenordnung von etwa zehn Tankstellen und eine maßgebliche Flotte umgesetzt werden. Wir sind bereit, mit den Partnern in Vorleistung zu gehen, aber es braucht auch die Unterstützung der öffentlichen Hand. Das wollen wir im heurigen Jahr noch ausdiskutieren. Es wird sich viel bewegen in den nächsten Jahren, aber nur zuzuschauen was sich im Ausland tut, halte ich nicht für zielführend.
Wie entwickeln sich die Auslandsmärkte?
Umundum Sehr positiv. Wir sind in neun Auslandsmärkten und haben Paketnetze in der Slowakei, in Ungarn, Kroatien, Serbien, Bosnien, Montenegro, Bulgarien und Türkei. Dort gibt es ein ähnliches Wachstum wie in Österreich – teilweise noch stärker. Wir hatten in Österreich und den Auslandsmärkten im Vorjahr in Summe rund 420 Millionen Pakete und gehen heuer davon aus, dass wir die 500 Millionen knapp erreichen werden. Allein in der Türkei rund um den Ramadan transportierten wir etwa zwei Millionen Pakete pro Tag. All unsere Pakettöchter schreiben Gewinne, das gibt uns ein stabiles Rückgrat in der Geschäftsentwicklung.