Rail Cargo, Hafen Wien & Co : Das zieht junge Talente in die Logistik
In den letzten Jahren ist „die Logistik“ in den Fokus der Gesellschaft gerückt, nachdem sie jahrzehntelang als oftmals recht schmutzig definierte Branche ein Schattendasein fristete. Vor allem auch LKW-Fahrer und Fahrerinnen, die derzeit händeringend gesucht werden, können von Vorurteilen beziehungsweise mangelnder Wertschätzung wohl ein Lied singen, wie etwa auch Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums, im Gespräch mit dispo erklärt und auch darauf hinweist, wie etwa die USA dem Fahrermangel begegnen. Er widerspricht hier auch einer Idee des WKO-Spartenobmanns Alexander Klacska.
Nun hat die gesamte Logistik spätestens seit der Corona-Pandemie oder den Lieferkettenengpässen, die selbst im B2C-Geschäft deutlich zu spüren waren, viel Aufmerksamkeit erhalten: „Ich glaube, dass die Logistik nach der Pandemie eine gute Chance hat: man hat gemerkt was passiert wenn sie nicht funktioniert, und wie spannend das Berufsfeld ist. Davor hatten die Menschen eher wenig Ahnung, wie Logistik funktioniert“, sagt Franz Heißenberger gegenüber dispo. Er ist Ausbildungsleiter in der ÖBB Rail Cargo Group (RCG) und verantwortlich für über 100 Speditions- und Logistiklehrlinge im Konzern.
Trotzdem müsse man die Ansprache von Lehrlingen proaktiv gestalten, so der Lehrlingsleiter. Die RCG unterstützt etwa Lehrende mit Material und unterstützenden Fragen für den Unterricht bzw. ist via MS Teams einige Stunden digital in der Klasse, um gemeinsam mit einem Lehrling über den Lehrberuf zu informieren. Denn „die Lehrlinge selbst können eigentlich am besten erzählen, wie es hier läuft“, so Heißenberger.
Aufklärung über das Berufsbild notwendig
Überhaupt müsse man aufklären, was eine Lehre als Speditionskaufmann oder Speditionskauffrau bedeute und klar wird, was man dafür brauche: „Man sitzt nicht nur im stillen Kämmerlein am Laptop, auch wenn es ein kaufmännischer Büroberuf ist. Man braucht eine gewisse Extrovertiertheit und die Lust, Herausforderungen zu lösen.“ Und es sei wichtig, eine qualitativ gute Ausbildung zu gestalten, denn das spreche sich herum, sagt der Ausbildungsleiter. Natürlich auch vice versa, über Social Media verbreiten sich vor allem negative Erfahrungsberichte schnell. Deswegen sei auch der Ansatz der RCG, sich bei Auszeichnungen wie etwa den Top-Lehrbetrieben oder ähnlichem, im Sinne des Employer Brandings bewusst zu präsentieren.
Nisa Korkmaz ist Lehrling bei der RCG. Sie hat sich für eine Lehre nach der Matura entschieden, um „alles von Grund auf zu lernen“, wie sie im dispo-Gespräch erzählt. Und hier haben sich die ÖBB am besten geeignet – vor allem auch aufgrund der Rotationsstellen und der Ausbildungen, die intern angeboten werden. Nach der Rotation durch alle Abteilungen der RCG habe sich nun auch ihr Fach für das kommende Studium ergeben: „Meine letzte Rotationsstelle war die Sales-Abteilung, das hat mich sehr interessiert. Davor wusste ich nicht, was ich studieren will, aber hier habe ich einfach gemerkt, dass mich das reizt“, so Korkmaz.
Auch der Faktor Internationalität war Nisa wichtig, sie hat etwa bereits ein Auslandspraktikum in Budapest absolviert. „Wir haben 18 Niederlassungen weltweit, die nützen wir auch in der Lehrausbildung für ein Auslandspraktikum“, erklärt Heißenberger. Das biete die RCG bisher konkret an sechs Standorten an. „Das nehmen die jungen Leute gut an und das spricht sich auch bei Bewerbern herum. Wir finden es toll, wenn die Lehrlinge sich trauen, auch über die Grenzen zu gehen.“
Auch das helfe der RCG, Lehrlinge bzw. generell Mitarbeiter zu finden und zu binden. Denn für etwa 35 bis 40 gesuchte Lehrlinge pro Jahr erhält die RCG etwa 350 Bewerbungen. „Das klingt nach sehr viel für 35 Stellen“, sagt Heißenberger. „Wir kriegen sie aber tendenziell verstärkt in Wien. In den westlichen Bundesländern muss man hier mehr tun.“ So setzen etwa die ÖBB mit Unterstützung der Lehrlinge stark auf Social Media – vor kurzem sogar auf Tik Tok. Denn diese könnten auch Inhalte glaubhafter vermitteln.
„Unsere Branche ist nach wie vor männerdominiert, in Sachen Chancengleichheit gibt es großen Aufholbedarf.“Doris Pulker-Rohrhofer, Geschäftsführerin des Hafens Wien
„Junge möchten Beitrag leisten“
Große Konzerne hätten vor zehn bis 15 Jahren noch geglaubt, dass man immer Mitarbeiter finden und sie auch halten werde. Der Markt habe sich zu einem arbeitnehmerzentrierten hin entwickelt, und dieses neue Mindest müsse sich in allen Fachbereichen festmachen. Die ÖBB generell habe die Strategie, eine Karriere im Konzern als „Job mit Sinn“ zu bewerben. „Gerade durch die Pandemie und die globalen Unsicherheiten suchen Junge wieder mehr Sicherheit – und viele möchten einen Beitrag leisten. Da können wir als klimafreundlicher Bahnlogistiker etwas bieten.“
Ein weiterer Versuch, um als Top-Lehrbetrieb bei jungen Zielgruppen wahrgenommen zu werden, ist ein Lehrlingsaustausch: So besteht seit etwa vier Jahren eine Kooperation zwischen der RCG und Unit Cargo. Ziel des Programms ist es, den Lehrlingen einen praktischen Einblick in den jeweils anderen Transportträger zu geben. In der aktuellen Jobrotation ist RCG-Lehrling Moritz Kalchbrenner bei Unit Cargo im Internationalen Logistikbereich eingesetzt, während Unit Cargo-Lehrling Laura Sertic eine dreimonatige Praxiseinheit bei RCG absolviert hat, in der sie Einblicke in die Internationale Bahnlogistik und die Rollende Landstraße erhielt.
„Mit unserer Ausbildungskooperation haben wir 2019 bewusst Neuland betreten. Denn auch wenn wir am Markt Mitbewerber sind, wollen wir als Branche gemeinsam umfassend kompetente Nachwuchskräfte entwickeln“, sind RCG Ausbildungsleiter Franz Heißenberger und UnitCargo CEO Davor Sertic vom Konzept überzeugt. Die Kooperation wird jedenfalls erfolgreich weitergeführt werden.
Auch Roman Sabatka ist Lehrling bei der RCG. Er wollte schon „immer zu den ÖBB. Mein Vater war bei den ÖBB und ich fand die Logistik grundsätzlich sehr interessant. Bei einer Lehrlingsmesse für Schüler habe ich das erste Mal mit dem Ausbildungsleiter Franz Heißenberger gesprochen und habe gemerkt, das könnte zu mir passen. Ich habe recherchiert und mich dann relativ früh im November beworben. Ich finde die Zusammenhänge in der Logistik sehr cool und mag es, wenn ich sie auch verstehe. In der Logistik gibt es immer etwas Neues oder etwas, was man besser machen kann, man ist nie fertig mit dem Lernen.“ Nach dem Lernen will Roman allerdings lehren: „Bei mir soll es Richtung Lehrlingsausbildung gehen. Ich interessiere mich dafür, jemand anderem etwas beizubringen, und in der Lehre hat man die beste Möglichkeit dazu. Man hat es selbst gelernt und bringt es jemand anderem bei. Ich will den nächsten Fachkräften beibringen, wie das Ganze funktioniert.“
Da könnte Roman vermutlich in seiner Rolle später viel zu tun haben, denn die RCG möchte ihre Lehrlingszahlen aufgrund der Pensionierungen in den nächsten Jahren etwas ausweiten – beziehungsweise sei man mitten drin. Bis 2027 sucht der ÖBB-Konzern 15.000 Mitarbeiter über alle Sparten hinweg. „Die Lehrlingsausbildung ist ein Teil der Nachwuchsprogramme für Einstiegsfunktionen. Das wollen wir weiterhin so forcieren. Wir wollen aber nicht, dass die Quantität auf Kosten der Qualität geht, sondern mehr Menschen wie Nisa oder Roman, die selbst spüren, welche Möglichkeiten es hier gibt“, so Heißenberger.
Die Familien Supply Chain Managerinnen
Auch am Hafen Wien werden Lehrlinge zum Speditionskaufmann bzw. zur Speditionskauffrau ausgebildet – derzeit sind es fünf. Im Hafen Wien habe man kaum Probleme, Lehrlinge zu finden, wie Birgit Novotny, die für die Lehrlingsausbildung am Hafen Wien zuständig ist, erklärt. „Die Qualität der Ausbildung ist uns sehr wichtig. Wir sind natürlich auch aktiv auf Lehrlingssuche und nehmen regelmäßig an Berufsinformationsmessen wie der BeSt, der Kinder Business Week sowie dem Töchtertag teil. Unsere Lehrlinge stellen dort ihren Lehrberuf sowie das Unternehmen vor und beantworten auch gerne Fragen zu ihrer laufenden Ausbildung.“
Milica Ognjanovic und Nazlican Boynuuzun, zwei der fünf Lehrlinge am Hafen Wien, wollten eine herausfordernde Beschäftigung für ihre Ausbildung. Nazlican hat nach einem Berufseignungstest und einer anschließenden Beratung auf die Speditions-Kauffrau gestoßen. „„Ich wollte etwas Herausforderndes und da ich sehr organisiert bin, habe ich mich für die Logistik entschieden“, beschreibt sie. Bei Milica ist es ähnlich: „Ich bin hauptsächlich organisatorisch zuständig in meiner Familie und das macht mir auch großen Spaß. Nach der Lehre habe ich großen Wert auf meine berufliche Weiterentwicklung gelegt und mir dabei meine Sprachkenntnisse und Zahlenaffinität zunutze gemacht, die in der Logistikbranche von essentieller Bedeutung sind.“ Milica ist allerdings – wie auch Nisa von der Rail Cargo – bereits nach der Matura und dem Beginn eines Studiums quer in die Lehre eingestiegen.
Vor allem auch die Pandemie hat dabei gezeigt, wie krisensicher ein Job in der Logistik sei, so Milica: „Ich habe vor allem bemerkt, wie empfindlich unsere globalisierte Weltwirtschaft ist. Da waren wir Logistiker besonders gefordert. Es ging um die Versorgungssicherheit von Wien und da haben wir unseren Beitrag geleistet.“
„Ich glaube, dass die Logistik nach der Pandemie eine gute Chance hat.“Franz Heißenberger, Ausbildungsleiter ÖBB Rail Cargo Group
Logistikbotschafterinnen unterwegs
Doch nicht nur in der Lehrlingsausbildung ist der Hafen Wien stark bestrebt, vor allem junge Menschen für die Logistik zu begeistern. So sind etwa Milica und auch Eva Burjan, die ebenfalls am Round Table zum Thema Ausbildung am Hafen Wien teilgenommen hat und selbst Teamleiterin bei der Hafen Wien-Tochter Terminal Sped ist, so genannte Logistikbotschafterinnen.
Dieses Projekt wurde 2016 von Davor Sertic, Spartenobmann Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Wien, mit dem Slogan „Möge die Fracht mit Dir sein“ ins Leben gerufen. Die zehn Logistikbotschafter und -botschafterinnen sollen dabei ihre Branche in den Vordergrund rücken und dafür Schulklassen besuchenoder sie bei Betriebsbesichtigungen begleiten. Das soll jungen Menschen die Möglichkeit bieten, in eine internationale Branche zu schnuppern. In kaum einer anderen Branche sei ein Migrationshintergrund so von Vorteil wie in der Logistik, heißt es in der Erklärung.
„Ich hatte vor meinem Job am Hafen Wien wenig Vorstellung von der Vielfältigkeit der Branche. Das war auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe als Logistikbotschafterin der WKO ehrenamtlich tätig zu sein. Ich habe die Chance gesehen, jungen Menschen neue Perspektiven zu eröffnen und ihnen zu zeigen, wie divers und spannend die Logistik sein kann. Ich erzähle dann oft davon, dass man viele verschiedene Karrieremöglichkeiten hat und diese gerade für Frauen sehr interessant sind“, erklärt Milica.
Die TerminalSped-Teamleiterin wiederum könne sich noch gut erinnern, wie es damals bei ihr war: „Im Zuge meines Studiums bin ich der Logistik immer einen Schritt nähergekommen und dadurch war klar, dass ich in dieser Branche arbeiten möchte. Heute bin ich stolz darauf als Logistikbotschafterin andere über dieses Berufsfeld informieren zu dürfen. Zudem leite ich heute mit Begeisterung mein eigenes Team am Hafen Wien“.
Unterstützung „von oben“
Schlussendlich ist es dabei nicht nur wichtig, Menschen auf dieses Berufsfeld aufmerksam zu machen , sondern sie auch darin zu halten. Hier sind etwa Frauen – vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels – eine bisher eher vernachlässigte Zielgruppe für die Branche. Hier setzt etwa der Damen Logistik Club (DLC) an, in deren Vorstand unter anderem Doris Pulker-Rohrhofer, technische Geschäftsführerin des Hafen Wiens, sitzt. Und das ist kein Zufall, engagiert sie sich klar für mehr Frauen in der Logistik – auch in ihrer Funktion als Geschäftsführerin (der Hafen Wien hat etwa im letzten Jahr den Amazone Award für die Frauenförderung erhalten).
Der DLC hat etwa kürzlich wieder einen neuen Durchgang des Mentoring-Projekts gestartet, das in Kooperation mit der FH des BFI Wien junge Frauen in der Logistikbranche beim Berufseinstieg und Aufstieg in Führungspositionen unterstützt. Denn: „Unsere Branche ist nach wie vor männerdominiert, in Sachen Chancengleichheit gibt es großen Aufholbedarf. Hier setzen wir an – und helfen jungen Frauen, ihre Kompetenzen zu erkennen, zu entwickeln und bei der Berufsplanung gezielt einzusetzen“, so Doris Pulker-Rohrhofer beim Kick-off-Event.