Immobilien : Logistik-Immobilien: Ein Markt im Wandel
Die Logistikmärkte in ganz Europa – und somit auch in Österreich – sind von zahlreichen Neuerungen und Änderungen geprägt. Vor allem die neue EU-Taxonomie und die gesamte ESG-Thematik bringen viele Veränderungen für die Logistikbranche. „Die Zahl der Unternehmen, die Logistikimmobilien, die nicht der EU-Taxonomie entsprechen nutzen wird zukünftig noch weiter eingeschränkt“, erklärt Jörg Kreindl, Head of Industrial & Logistics EMEA beim Immobilien-Dienstleister CBRE.
„ESG – also Environmental, Social und Governance – sind die zentralen Kriterien bei der Entwicklung, aber auch bei der Vermietung von Logistikimmobilien. Ein erster wichtiger Richtwert ist dabei die Energieeffizienz der Immobilie“, erklärt Franz Kastner, Logistikexperte bei CBRE. Georg Vallaster, Geschäftsführer von Goldbeck Rhomberg, bestätigt das im Interview.
Weitere Änderungen ergeben sich aus der UVP-Novelle, die seit März 2023 auch für bestimmte Logistikimmobilien eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht. „Noch ist offen, welche Auswirkungen das auf die Flächenproduktion im Logistikbereich haben wird“, ergänzt Kastner. Er ist mit seinem Team für etwas mehr als die Hälfte aller Logistikvermietungen in und um Wien verantwortlich.
Europa: Strukturelle Unterversorgung von modernen Logistikflächen
Bis Ende letzten Jahres konnte der europäische Logistikimmobilienmarkt ausschließlich Wachstumsraten verzeichnen. Die Situation hat sich allerdings seit dem vierten Quartal 2022 verändert, in einigen Märkten ist ein deutlicher Einbruch bei Neuvermietungen zu verzeichnen.
In Deutschland etwa gingen die Vermietungen im ersten Quartal 2023 verglichen mit einem extrem starken ersten Quartal 2022 um über 60 Prozent zurück, in etlichen anderen großen europäischen Märkten um bis zu 40 Prozent. „Auslöser für diese Entwicklung ist zum einen die Normalisierung im Onlinehandel, der sich zu den Wachstumsraten von vor der Pandemie zurückbewegt, zum anderen die Zurückhaltung beim Treffen von Entscheidungen. Zudem gibt es nach wie vor zu wenige Flächen“, analysiert Kreindl den europäischen Markt.
„Die Jahre 2023 und 2024 werden gegenüber den Rekord-Vermietungsvolumina von 2021/22 zurückfallen - allerdings noch immer auf sehr hohem Niveau bleiben. Die strukturelle Unterversorgung Europas mit modernen Logistikflächen drückt sich ganz klar in nach wie vor in extrem geringen Leerstandsraten und stark gestiegenen Mietniveaus aus.“
Nachdem nach Ende der Pandemie die E-Commerce Entwicklung in ganz Europa wieder auf das Niveau der vor-pandemischen Wachstumskurve zurückkehrt, spielt dieser Treiber bei der Nachfrage von Logistikflächen aktuell eine untergeordnete Rolle. In der Zeit der Pandemie wurden sehr großzügig Flächen angemietet, die aktuell nicht gebraucht oder nicht übernommen werden.
E-Commerce ist und bleibt ein Wachstumsmarkt, allerdings wird das Wachstum langsamer erfolgen als während der Pandemie. „CBRE wurde gerade von einem Fashion E-Commerce Unternehmen mit der Suche nach sehr großen Logistikflächen in Österreich, Schweden und der CEE-Region beauftragt“, blickt Kreindl in die Zukunft.
Ein neuer Treiber am Logistikmarkt sind Produktionsbetriebe bzw. B2B-Unternehmen, die Flächen für ihre Logistik nachfragen. „Da sprechen wir von Flächen für Solarpaneele, Wärmepumpen, Klimaanlagen oder Batterien für E-Autos. Wir sind aber auch mit der Suche nach Produktions- bzw. Logistikflächen für E-Lokomotiven beschäftigt“, beschreibt Kreindl die neue Vielfalt am Logistikmarkt.
Der Logistik-Immobilienmarkt in Österreich im Detail
Lange waren mit dem Logistikmarkt Österreich die Standorte Wien, Graz und Linz gemeint. Nun rückt das auf der baltisch-adriatischen Achse liegende Bundesland Kärnten zusätzlich in den Fokus. Zwischen dem Logistik Center Austria Süd in Fürnitz bei Villach und dem Hafen Triest wurde ein in Europa einzigartiger Zollkorridor geschaffen. Der Regelbetrieb wird noch 2023 aufgenommen, weitere Projekte am Standort sind bereits in Planung.
„Mit dem Abkommen zwischen dem Logistik Center Austria Süd und dem Hafen Triest wurde der Grundstein für einen neuen Logistikstandort im Süden Österreichs gelegt. Wir erwarten, dass sich der Standort binnen kurzer Zeit etablieren wird“, so Jörg Kreindl, Head of Industrial & Logistics Occupier EMEA.
Bewegung auf den Logistikmärkten Wien, Graz, Linz
Es entsteht aktuell nicht nur ein neuer Logistik Hotspot in Kärnten, auch die bestehenden Standorte wachsen und werden erweitert. „Die Erweiterung und der Ausbau des Logistikmarktes sind zurzeit beinahe ausschließlich auf die stabile Nachfrage des B2B-Sektors zurückzuführen. Die Nachfrage aus dem B2C-Bereich hat unter anderem aufgrund des rückläufigen Onlinehandels zuletzt nachgelassen.“, so Kastner.
Alleine am rund 2,9 Millionen Quadratmeter umfassenden Logistik Hotspot in und um Wien sollen bis 2024 weitere 700.000m² Logistikflächen entstehen. „Immer wichtiger wird – auch mit Blick auf den Flächenverbrauch – die Revitalisierung von bestehenden Flächen und Gebäuden. Hier sehen wir weiterhin großes Potenzial“, so Kastner. Die angespannte Marktsituation, die unter anderem durch den geringen Leerstand verschärft wird, hat zu steigenden Mieten geführt. Im vergangenen Jahr ist die Spitzenmiete um rund zwölf Prozent auf 6,50 pro Quadratmeter und Monat gestiegen. Auch für 2023 werden weitere Mietsteigerungen erwartet.
Der Logistikmarkt Graz wird 2024 die 1-Million-Quadratmeter-Marke überschreiten, wenn zu den aktuell rund 980.000m² noch weitere 100.000m² dazukommen. „Graz ist der Logistik Hotspot mit dem modernsten Bestand in Österreich, rund 70% der Flächen entsprechen der Klasse A, die bisher primär von Eigennutzern belegt sind“, so Kastner, der in Aussicht stellt, dass mit der Fertigstellung der neuen Flächen auch die Fremdnutzerquote in Graz steigen wird, da zunehmend spekulativ errichtet wird. Aktuell entsteht das Projekt des amerikanischen Logistikimmobilien-Entwicklers Panattoni in Leibnitz; der rund 60.000m² große Technologie- und Gewerbepark wird von CBRE begleitet und vermietet. Panattoni ist dabei neu in den österreichischen Markt eingestiegen und konzentriert sich derzeit auf die „Logistik Hotspots“ Wien, Graz und Linz.
Der Logistikmarkt Linz wächst langsamer als die anderen Hotspots in Österreich, 2022 sind zu den bestehenden 1,8 Millionen m² Fläche 43.000m² dazu gekommen. „Ein großer Teil des Bestandes in Linz ist veraltet, so entsprechen rund 58% der Flächen nur den Klassen B & C“, analysiert Kastner den Markt und weist darauf hin, dass diese Flächen nicht den modernen Standards entsprechen und es vor allem im Bereich Nachhaltigkeit noch Aufholbedarf gibt. Aufgrund der angespannten Situation weichen Nutzer immer mehr nach Osten oder auf Flächen entlang der A1 wie etwa in Amstetten oder Herzogenburg aus.
Logistikinvestment unter den Top3
Weiterhin großes Interesse gibt es von Investoren an Logistikimmobilien. Mit einem Rekordvolumen von 670 Millionen Euro im Jahr 2022 befand die Assetklasse sich erneut unter den Top 3 bei österreichischen Immobilieninvestments.
„Das Investoreninteresse ist groß, allerdings werden immer mehr Parameter bei der Bewertung der Investments herangezogen: Der Zustand der Immobilien wird genauer überprüft, ebenso die ESG-Konformität. Prinzipiell prüfen die potenziellen Käufer und die finanzierenden Banken jedes Investment sehr intensiv“, so Laura Holzheimer, Head of Research bei CBRE.
„Wir wissen aus unseren Studien, dass Logistikimmobilien nach wie vor zu den bevorzugten Assetklassen der Investoren zählen. Insgesamt gehen wir 2023 von einem niedrigeren Transaktionsvolumen aus, in Logistikimmobilien könnte aber ähnlich viel investiert werden wie im Vorjahr“, erklärt Holzheimer Anfang 2023.
Nun hat eine aktuelle Studie von Ernst&Young aufgezeigt, dass es nun eine deutliche Eintrübung der Preisentwicklung von Immobilien gibt – einzig bei Logistikimmobilien in Bestlage würden noch tendenziell steigende Preise erwartet. Auf Nachfrage, wie die Lage nun nach dem ersten Halbjahr 2023 aussehe, antwortet Stephan Größ, Leiter des Immobiliensektors bei EY Österreich: „Wir haben einen Transaktionsstillstand, weil sich die Preiserwartungen von Angebot und Nachfrage nicht decken. Wir erwarten ehrlicherweise eine Seitwärtsbewegung und eine leichte Preiskorrektur nach unten. Diese wird erst wieder zu Nachfrage führen, wenn durch Mieterhöhungen aufgrund der Inflation hier wieder vernünftige Renditen darstellbar sind.“
Irgendwann werde man aber wieder verkaufen müssen, deshalb werde es auch gewisse Preiseinbrüche geben, so Größ. Er rechnet dabei mit Abschlägen bis zu etwa 15 Prozent; das sei ein realistisches Szenario, auf das man sich einstellen müsse. Bis sich die Situation normalisiert habe werde es aber noch „sicher ein, zwei Jahre dauern“, sagt Größ, „Was jedenfalls sein muss: die Rendite wird höher werden müssen.“