Interview : „Weltpolitische Ereignisse haben österreichische Rahmenbedingungen einfach überholt“
Goldbeck Rhomberg hat im Geschäftsjahr 2020/21 vom Boom im Onlinehandel profitiert und das bisher beste Ergebnis eingefahren. Wie ist das Unternehmen seither aufgestellt?
Georg Vallaster Wir haben Ende März das Geschäftsjahr 2021/22 abgeschlossen, da haben wir mit einer nochmaligen Steigerung im Vergleich zu 2020/21 einen absoluten Rekordumsatz erreicht. Wir sind also noch einmal mehr gewachsen – und das hauptsächlich im Logistikbereich.
Ist der große Treiber nach wie vor E-Commerce?
Vallaster Ein Treiber ist E-Commerce, der andere ist die Veränderung der Lieferketten. Unternehmen investieren wieder vermehrt in die eigene Lagerhaltung und schaffen dafür Platz. Das geht durch alle Branchen. Jeder versucht eine gewisse Menge greifbar zu puffern.
Wie betroffen ist denn Goldbeck Rhomberg von den Lieferengpässen?
Vallaster Der Rohstoffmangel und die Lieferproblematik stellen die gesamte Branche vor große Herausforderungen. Da wir zu großen Teilen industriell vorfertigen, ordern wir die benötigten Rohstoffe weit im Voraus und in großen Mengen. Preiserhöhungen und Engpässe können wir deshalb bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Die Situation ist jedoch enorm dynamisch. Material, das heute gut lieferbar ist, kann morgen knapp werden. Mit großem Aufwand haben wir es aber bisher geschafft, alle Projekte zum Termin fertigzustellen.
Welche zusätzlichen Maßnahmen haben Sie dazu ergriffen?
Vallaster Unsere Kolleginnen und Kollegen im Einkauf haben statt mit drei Lieferanten, mit 15 telefoniert. Auch von unserer üblichen „just-in-time“- und „just-in-sequence“-Logistik sind wir wo nötig abgewichen. So haben wir etwa ein Dachtrapezblech schon vor dem Spatenstich aufs Grundstück geliefert und es dort bis zur Montage gelagert. Mit Dachdämmung haben wir dasselbe gemacht. Letztlich kann man sagen: Wir haben einfach alle Möglichkeiten, die sich uns geboten haben, ausgenützt.
Wie sieht es denn mit Stahl aus?
Vallaster Schwierig, aber es gibt auch hier spannende Entwicklungen. Blech wurde beispielsweise wieder besser verfügbar, weil die Automobilindustrie keine Chips bekommen hat und dadurch weniger Blechbedarf hatte. Insgesamt haben wir in Österreich auch eine etwas bessere Versorgungslage mit Baustahl als beispielsweise Deutschland oder die Schweiz, da wir ihn aus Italien beziehen und nur das Vormaterial aus der Ukraine stammt. Besonders herausfordernd ist aber die Preisentwicklung. Der Materialpreis hat sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht.
Wie sehen Ihre die Auftragsbücher aktuell aus – und können Sie bei diesen Materialengpässen noch reale Bauzeiten angeben?
Vallaster Die Auftragsbücher sind noch sehr gut gefüllt. Doch die Baubranche ist bekanntermaßen ein Spätzykliker. Wir spüren bereits, dass die Anfragen für 2023/24 etwas zurückgehen. Um die dynamischen Einkaufspreise auszugleichen, arbeiten wir in unseren Verträgen inzwischen mit einer Preisindexierung.
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Wir spüren bereits, dass die Anfragen für 2023/24 etwas zurückgehenGeorg Vallaster
Warum stagnieren die Aufträge für 2023/24?
Vallaster Gerade im Industriebereich ist eine große Unsicherheit da. Im reinen Logistikbereich bewegt sich schon noch
Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass es heuer einen ganz anderen rechtlichen Rahmen in Sachen Nachhaltigkeit geben wird. Was hat sich hier getan?
Vallaster Inzwischen ist der neue rechtliche Rahmen schon fast wieder überholt. Da Gas und Öl schwierig lieferbar sind und gar ein Lieferstopp als Drohung im Raum steht, beschäftigen sich Unternehmen stärker denn je mit alternativer Energieerzeugung. Da haben die weltpolitischen Ereignisse die österreichischen Rahmenbedingungen einfach überholt.
Um wieviel mehr kostet Nachhaltigkeit bei einem Neubau denn im Vergleich?
Vallaster Schwierige Frage, da der Begriff Nachhaltigkeit natürlich sehr breit gefächert ist. Mit wenigen Mitteln kann man bereits sehr viele Maßnahmen treffen, die einen positiven Effekt auf Mensch und Umwelt haben – darunter etwa Photovoltaik-Anlagen oder begrünte Dächer, Heizen über Fernwärme oder Wärmepumpenanlagen, mehr Isolierung oder renaturierte Grünflächen in den Außenanlagen. Das Gute ist: Die meisten dieser Investitionen rentieren sich in der Betriebsphase.
Mitarbeiter kehren nun vermehrt in ihre Arbeitsstätten zurück. Merkt man bei Neuaufträgen für Bürogebäude eine Veränderung bei der Planung?
Vallaster Da gibt es eine ganz große Dynamik in der Entwicklung. Einerseits kehren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Home Office zurück, ein anderer wichtiger Punkt ist die geringe Verfügbarkeit von Fachkräften. Die Konsequenz ist, dass Firmen daran arbeiten, durch attraktive Büroarbeitsplätze, durch Gemeinschaftsräume und zusätzliche Benefits ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem Menschen nicht nur gut arbeiten können, sondern sich auch wohlfühlen. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Bürogebäuden, die „New Work“ den passenden Raum geben.
Tut Goldbeck Rhomberg das auch?
Vallaster Ja, an unserem Hauptstandort in Wolfurt erweitern wir um 700 Quadratmeter. Im Zuge dessen machen wir einen kompletten Relaunch der bestehenden Büroarbeitsplätze in moderne Open Space Büros. Unsere Architekten haben gemeinsam mit Büroeinrichtern unterschiedliche Konzepte erarbeitet, mit denen sich alle Anforderungen an Bürogebäude umsetzen lassen. Wir selbst haben uns dafür entschieden, vor allem großzügige Allgemein- und Aufenthaltsräume zu schaffen. Die erste Hälfte werden wir im Juni beziehen, die zweite Hälfte im Frühherbst.
Finden Sie genügend Fachkräfte?
Vallaster Es ist sehr schwierig. Uns geht es wie allen anderen auch: Die Anzahl der offenen Arbeitsplätze ist viel größer als die Anzahl der Arbeitssuchenden.
Wie begegnen Sie diesem Problem?
Vallaster Wir begleiten die Studierenden schon an der Universität, wir halten Gastvorträge, wir schreiben Stipendien für Studierende aus und begleiten HTL-Klassen als so genannte Patenklassen über fünf Jahre. So kommen wir schon früh in Kontakt mit den jungen Fachkräften und können sie für unser Unternehmen begeistern. Als Ferialpraktikanten oder Werksstudenten erhalten sie die Möglichkeit, für uns arbeiten, wir lernen uns kennen, bilden sie aus und entwickeln sie weiter. Damit machen wir gute Erfahrungen.
Wie verändern neue Einflüsse oder neue gesetzliche Rahmenbedingungen Ihre Mitarbeiterstruktur?
Vallaster Durch den immer höheren Technologisierungsgrad müssen auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter technologisch immer besser ausgebildet werden. An der Universität oder HTL wird ein guter Grundstock geschaffen. Wenn sie dann ihre Arbeit bei uns beginnen, begleiten wir sie mit speziellen Ausbildungsprogrammen die ersten zwei, drei Jahre.
Wie sieht es denn mit dem Platz für neue Logistikimmobilien aus? Der ist doch sehr rar geworden?
Vallaster Es gibt noch Platz, aber es wird immer schwieriger. Deshalb werden Brownfield-Entwicklungen, also das Bauen auf alten Industriearealen, in Zukunft weiter an Relevanz gewinnen. Bisher war ihr Anteil in Österreich eher gering, da es ausreichend Grundstücke auf der grünen Wiese gab und der Rückbau und die Sanierung von Brownfields teuer ist – anhängig davon, ob etwa der Boden konterminiert ist oder es andere Verschmutzungen gibt. Das Angebot der Greenfields geht aber immer weiter zurück während gleichzeitig das Bewusstsein für nachhaltige Immobilienrealisierungen steigt. Auch mehrgeschossig befahrbare Logistikimmobilien können in Zukunft einen Teil des Flächendrucks lösen und den Anteil der versiegelten Bodenfläche reduzieren. Es ist also viel in Bewegung – und wir sind für die Herausforderungen gewappnet.