Künstliche Intelligenz in der Logistik : Wie man Künstliche Intelligenz in den Betriebsalltag bringt
Die Independent Logistics Society (ILS) hat zum Runden Tisch "Taste the Future" Experten und Expertinnen eingeladen, um etwa die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI), Future Skills und die Arbeitswelten von morgen zu diskutieren. Gleich zu Beginn sprach dabei Davor Sertic, Geschäftsführer und Eigentümer der internationalen Spedition Unit Cargo und Spartenobmann der WK Wien, die Notwendigkeit zu mehr Datenaustausch an: „Ich habe Gespräche mit LKW Walter geführt, also mit der schärfsten Konkurrenz am Markt. Wir stimmen überein, dass anonymisierte Daten eine absolute Win-Win-Situation für uns darstellen.“ Milliarden von Logistik-Daten stehen zur Verfügung, die bisher nicht genutzt wurden. Daraus müsse man "unbedingt etwas machen".
Er habe die Komplexität, die heute vor allem in der Zusammenarbeit mit Kunden vorherrsche, erkannt - und sich deshalb mit der Integration von KI beschäftigt: "Innovationen kommen oft von außen, etwa von Kunden, die uns Prozesse vorgeben“, so Sertic. Ein Team von 120 Mitarbeitern verlädt europaweit rund 1.200 LKWs – ein enormes Volumen. Zusätzliche Projekte würden das Tagesgeschäft zu sehr belasten. Um die Potenziale von KI in seiner Spedition zu nutzen, ohne interne Ressourcen zu blockieren, hat er vor kurzem das externe KI-Unternehmen Datasol gegründet. Derzeit werden zwei Data Stewards ausgebildet, die als Schnittstelle und Übersetzer zwischen Unit Cargo und Datasol fungieren.
KI-Hubs sollen allen Richtlinien entsprechen
Mit am Tisch saß auch Katja Maria Huber, Expertin für Innovation und Corporate Culture. Sie arbeitet mit Entwicklern an einer Enterprise-KI, die ethisch und legal korrekt operieren soll. Denn etwa Large Language Models wie ChatGPT sind bezüglich Datenqualität und Ethik mit Vorsicht zu genießen, wirft Maximilian Eberharter, Head of Product Marketing bei Transporeon mit ein. Huber sieht die Zukunft in KI-Hubs, in denen "vorrangig Startups daran arbeiten, Schnittstellen zu entwickeln, die Compliance und ethischen Richtlinien entsprechen.“
Für Huber ist das Thema KI gleichzeitig ein Bildungsthema: Je nach Reifegrad im Unternehmen müsse man das Re- und Up-Skilling der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf verschiedenen Ebenen ermöglichen, damit Innovation von außen wieder ins Unternehmen eingegliedert werden kann. Gleichzeitig plädiert sie für Eigenverantwortung und Self-Leadership. Insgesamt müssten Re- und Up-Skilling, Innovationsmanagement und Unternehmenskultur ineinandergreifen und gesamtheitlich betrachtet und gedacht werden, so Huber.
Welche Fähigkeiten - Stichwort "Future Skills" - braucht es heute?
Bei Schulungen in Unternehmen stellt die Innovationsexpertin oft psychologische Hürden fest. Ängste lähmen und frustrieren, weil sie die Entscheidungsfindung blockieren. Verantwortung für sich und seinen aktuellen Status Quo zu übernehmen, sei ein Schlüssel zur eigenen Resilienz. „Annehmen, zu sich stehen und auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, Aufgaben abzugeben – nur durch eine bewusste Entscheidung werde ich resilient“, fasst sie zusammen.
Peter Stelzer, CEO von ivii, pflichtet bei: „Um uns auf Neues einzulassen, müssen wir alte Gewohnheiten ablegen. Das erfordert Mut und Selbstvertrauen“. Er sieht in der Verarbeitung großer Datenmengen durch KI eine Unterstützung, die menschliche Interaktion bleibe jedoch unverzichtbar. „KI ist ein neues Werkzeug, das die riesigen Datenmengen, die wir in den letzten 20 Jahren produziert haben, schnell und gut verarbeiten kann. Die Entscheidung liegt aber immer noch beim Menschen, wie und wozu er welche Daten nutzt“, fügt er hinzu.
Lehrpläne an neue Technologien anpassen
Neue Technologien und die von Huber und Stelzer angesprochenen "Future Skills" sollten sich dabei auch in Lehrplänen niederschlagen. Barbara Jarka, Berufsschule für Industrie, Finanzen und Transport in Wien, erklärt dazu: „An den Lehrplänen arbeiten pädagogische Expert:innen, aber auch Leute aus dem Ministerium. Das kann etwas dauern. Derzeit wird versucht, die Lehrpläne flexibler und offener zu gestalten, um zeitgemäßen Unterricht zu ermöglichen. Dabei ist uns eine gute Basis für die berufliche Laufbahn wichtig, die Feinheiten lernt man ohnehin in der Arbeitswelt.“
Man müsse davon ausgehen, dass Pädagogen und Pädagoginnen unabhängig von Alter oder Erfahrung unterschiedlich mit dem Thema KI umgehen. Zudem werden Schulen mit Tools regelrecht überflutet – einerseits zur Unterrichtsvorbereitung und andererseits zur Nutzung im Unterricht. Das Lehrpersonal und die Schüler und Schülerinnen damit vertraut zu machen, sei eine extrem zeitaufwendige und umfassende Aufgabe.
Auch Knapp-Lehrling Nikolaus Hofmann Nikolaus Hofmann stellt Unterschiede in der Bereitschaft der Lehrkräfte fest, KI in den Unterricht zu integrieren: „Die jüngere Lehrergeneration, die frisch aus den Unternehmen kommt, beschäftigt sich eher mit KI als die ältere Generation in den Berufsschulen, die strikt nach Lehrplan unterrichtet. Ein Beispiel: Wir lernen, wie man Briefe an Firmen schreibt, aber nicht, wie man E-Mails verfasst.“ Dazu kommt das ständige Abwägen: Kann ich meine Hausaufgabe mit KI machen, ist es erlaubt oder nicht? Kann ich KI im Zuge meiner Recherche sinnvoll verwenden? Und wie überprüfe ich, ob die generierten Daten stimmen?
Davor Sertic arbeitet als Wirtschaftskammer-Spartenobmann stark mit der Lehrausbildung zusammen und stellt fest, dass Schulen in der Vergangenheit geschlossene Organisationen waren, sie heute aber Kooperationen mit der Wirtschaft bilden und offen für enge Zusammenarbeit seien. „Wir haben eine Direktor:innen-Konferenz ins Leben gerufen und laden alle, die mit Logistik zu tun haben, zum Austausch ein. Intermodalität zum Beispiel kommt in den Lehrplänen noch nicht vor. Wir erklären, was wir an Skills in den Schulen brauchen und adaptieren mit dem IWW die Lehrpläne.“
Mitarbeiter müssen mit Künstlicher Intelligenz arbeiten können - und wollen
Für ihn sei es vor allem auch wichtig, dass seine Mitarbeiter mit KI umgehen können. „Das Berufsbild meiner Mitarbeiter hat sich im Laufe der Jahre vom Kommunikator und Allrounder zum Administrator gewandelt. Digitale Modelle und ChatGPT nehmen die Komplexität aus der Administration.“
Dazu passend beschrieb Maximilian Eberharter die Einführung eines sicheren AI-Assistenten bei Transporeon, der auch im Vertrieb genutzt wird. „Nach dem Hype um ChatGPT, kamen erste Sicherheitsbedenken auf. Wir füttern öffentlich zugängliche Modelle, möglicherweise mit sensiblen Firmeninformationen. Aus diesem Sicherheitsgedanken heraus ist bei uns ein interner, in sich geschlossener und geschützter AI-Assistent entstanden“, so Eberharter. Der Assistent sei speziell auf die jeweiligen Anforderungen trainiert und liefere deutlich bessere Antworten.
Es sei zu beobachten, dass seine Kollegen und Kolleginnen sogar Konversationen mit der künstlichen Intelligenz führten und sie damit auch als Brainstorming- und Sparring-Partner nutzten. Man müsse diese Tools auch nutzen, so Eberharter. Die Herausforderung liege dabei in der Umsetzung: „Wir sehen das als iterativen Prozess, bei dem ein Projekt, Produkt oder Vorhaben ständig weiterentwickelt, optimiert und verbessert wird."
Bei Unit Cargo treffe sich das Management mehrmals im Jahr zum Review. Welche Herausforderungen dabei auf sie zukommen, erfahre das Unternehmen von ihren Kunden. Als einer von 380 Teilnehmern am World Supplier Day von Palfinger erfuhr sein Team etwa, wo das Unternehmen mit Hilfe von Digitalisierung und KI hinmöchte und welche Automatisierungsmaßnahmen von den Lieferanten mitgetragen werden sollen. „Das zeigt, dass unsere Beteiligung an Datasol richtig war. Nur so können wir uns zielgerichtet weiterentwickeln“, ist Davor Sertic überzeugt.
Fehler machen um Innovationen zu fördern
Ivii erlebe derzeit "einen starken Wandel in der Innovationskultur", wie CEO Peter Stelzer erklärt. Ivii habe eine holokratische Organisation aufgebaut, in der Mitarbeiter Eigenverantwortung übernehmen. Stelzer wird oft eingeladen, darüber zu referieren: „Die erste Frage, die mir gestellt wird, ist: Können Mitarbeiter überhaupt Entscheidungen treffen? Kann man ihnen diese Verantwortung zumuten? Ich sage: Das kann ich jedem zumuten, der einen Sinn darin sieht. Denn Neues entsteht, wenn man Hinterfragen und Fehler machen darf.“
Auch Barbara Jarka weist auf die Notwendigkeit einer Kultur des Vertrauens hin, um Innovationen zu fördern: „Es gibt Jugendliche, die in ihrer Schullaufbahn nie gelernt haben, sich etwas zuzutrauen – in der Schule herrscht leider immer noch eine Fehlerkultur“, resümiert sie. Das erfordert ein Umdenken und ist in weiterer Folge auch für die berufliche Laufbahn in der Wirtschaft wichtig.