Lieferkettensicherheit : Wie die G20 zu resilienteren Lieferketten beitragen kann

Lieferkettengesetz EU Container Hafen
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Angesichts der jüngsten globalen Krisen – des Konflikts im Nahen Osten, der Störungen im Suezkanal und der Covid-19-Pandemie etwa – sind die Anfälligkeiten weltweiter Lieferketten sichtbarer denn je geworden. Durch den Klimawandel und seine Auswirkungen werden Herausforderungen im Zusammenhang mit Liefernetzwerken und Versorgungssicherheit voraussichtlich noch größer werden. Störungen dieser globalen Liefernetzwerke bedrohen daher nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen weltweit, heißt es vom Complexity Science Hub.

Deshalb hat sich die Forschungseinrichtung gemeinsam mit anderen Partnern in einem Policy Brief an die G20 gewandt, um sie aufzufordern, eine Vorreiterrolle bei der Erhebung umfassender Lieferkettendaten zum Schutz der Weltwirtschaft zu übernehmen.

Die Forschenden geben dabei drei zentrale Empfehlungen ab:


Kartierung der Lieferketten auf nationaler Ebene:

Für die G20-Länder ist es von entscheidender Bedeutung, granulare Daten über Liefernetzwerke zu sammeln und zu verwalten – wie z. B. Mehrwertsteuer- und Zahlungsflussdaten –, um Klimarisiken auf nationaler Ebene zu bewerten und abzumildern.

Globale Zusammenarbeit bei der Risikoüberwachung:

Die G20-Länder sollten einen internationalen Rahmen für die Zusammenarbeit schaffen, der es den Ländern ermöglicht, ihre Liefernetzwerkdaten zu verknüpfen und globale Klimarisiken effektiver zu bewerten.

Datengestützte Resilienz-Politik:

Die G20-Länder sollten diese Informationen nutzen, um eine solide, datengestützte Politik zu entwickeln, die darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der globalen Versorgungsnetze gegenüber den wachsenden Bedrohungen des Klimawandels zu erhöhen.

CSH-Präsident Stefan Thurner hat im Gespräch mit dispo detailliert erläutert, wie die standardisierte Erhebung von Mehrwertsteuerdaten, die alle inländischen B2B-Geschäfte erfassen, das europäische Lieferkettengesetz mit einem Schlag obsolet machen könnte: "Es wird noch die ein oder andere Supply-Chain-Krise brauchen, um wachgerüttelt zu werden"

Klimawandel und globale Wertschöpfungsketten

Globale Wertschöpfungsketten sind komplexe Netzwerke von über 300 Millionen Unternehmen, die durch zwölf Milliarden Lieferkettenbeziehungen miteinander verbunden sind, so der Policy Brief. Auf diese Netzwerke entfallen nicht weniger als 63 Prozent des weltweiten BIP, wodurch sie für moderne Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung sind.

Da jedoch die globalen Temperaturen bis 2050 voraussichtlich um 2,9°C steigen dürften, werden die durch den Klimawandel verursachten Störungen – einschließlich extremer Wetterereignisse, Ressourcenknappheit und regulatorischer Änderungen – tiefgreifende Auswirkungen auf diese Lieferketten haben.

Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren können die Infrastruktur schwer beschädigen und wichtige Handelsrouten blockieren, was zu Kaskadeneffekten führt, die sich auf die Versorgungsnetze weit über die unmittelbar betroffene Region hinaus auswirken. Zudem können politische Veränderungen im Zusammenhang mit dem Grünen Wandel, wie beispielsweise CO2-Steuern oder die rasche Einführung grüner Technologien, die Lieferketten weiter destabilisieren, insbesondere jene, die stark von kohlenstoffintensiven Prozessen abhängig sind.

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Einzigartige Position für Vorreiterrolle

„Die G20 sind in einer einzigartigen Position, um bei diesen Bemühungen die Federführung zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass das globale Versorgungsnetz für die durch den Klimawandel verursachten Störungen gerüstet ist“, sagt Christian Diem vom Complexity Science Hub (CSH). „So ist es beispielsweise von entscheidender Bedeutung, dass die Länder gemeinsame Anstrengungen zur Überwachung der Versorgungsketten kritischer und wichtiger Güter und Dienstleistungen unternimmt. Die Lebensmittelsicherheit und die medizinische Versorgung sind besonders anfällig für den Klimawandel.“

Darüber hinaus betont Stefan Thurner, Präsident des CSH, dass datengestützte politische Maßnahmen von entscheidender Bedeutung sind, um die wichtigsten Schwachstellen in den globalen Versorgungsnetzen zu identifizieren und Investitionen in den Aufbau von Resilienz zu priorisieren. Durch die Identifizierung von Unternehmen oder Produktionsknotenpunkten, die „zu relevant sind, um zu scheitern“, und durch die Abschwächung systemischer Risiken können die führenden Politiker:innen der Welt einen wirtschaftlichen Zusammenbruch angesichts künftiger Klimaschocks verhindern, so Thurner, der ebenfalls einer der Autor:innen des Policy Briefs ist.

Der Policy Brief „A Call for Granular Supply Network Data for Navigating the Climate Transition“ ist ein gemeinsames Projekt von Expert:innen des Complexity Science Hub, der Wirtschaftsuniversität Wien, der Frankfurt School of Finance & Management, des DIW Berlin und des ETH-Lehrstuhls für Wetter- und Klimarisiken.

Das Dokument wurde von der T20 im Rahmen der brasilianischen G20-Präsidentschaft veröffentlicht. Die T20 ist eine Gruppe von Think Tanks und Forschungszentren aus G20-Mitgliedern und Gastländern.