Ausbildung in der Logistik : "Wir decken sicher 80 Prozent unseres Bedarfs über eigens Ausgebildete ab"
Frau Schlesinger, welche Ausbildungsangebote finden sich bei Dachser?
Anja Schlesinger Wir haben vor allem versucht, ein durchlässiges System zu kreieren, das, egal welcher Bildungsweg vorangegangen ist, modular ist. Das heißt wir haben die klassische dreijährige Lehre für Speditionskaufleute, Betriebslogistiker und Betriebslogistikerinnen oder Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen nach dem neunten Schuljahr. Das ist sozusagen der Rumpf. Mit der dreijährigen Lehre zum Speditionskaufmann, die auch den Bürokaufmann inkludiert, haben wir damals begonnen und sukzessive Berufe erweitert. Es gibt aber auch hin und wieder Kandidaten, die vielleicht schon Matura haben oder jedenfalls die zehnte oder elfte Schulstufe positiv abgeschlossen haben. Diesen jungen Menschen können wir ein Jahr anrechnen. Bei Lehrlingen mit Matura aus einer berufsbildenden mittleren Schule ist die Anrechnung sogar verpflichtend. Wir machen es aber auch gerne bei klassischen AHS-Maturanten. Wir bieten zusätzlich auch die Möglichkeit einer Doppellehre für alle, die Betriebslogistik oder Speditionskaufmann/ frau gelernt haben und sozusagen noch Lust haben, sich zusätzlich weiterzubilden. Hier bieten wir ein viertes Lehrjahr zum Speditionslogistiker an – das ist quasi die Schnittmenge aus beiden Lehrberufen. Da ist der große Vorteil, dass man, wenn man die Matura hat, in drei Jahren drei Berufe abschließen kann – das macht sich toll im Lebenslauf.
Es kommen auch viele Jugendliche zu uns, die die Lehre mit Matura machen wollen, das bieten wir natürlich auch gerne an. Wir haben also Kandidaten und Kandidateninnen, die bereits vorher Matura haben, jene die sie währenddessen absolvieren oder eben nach der Lehre. Aus unserer Sicht ist es am Schwierigsten, während der klassischen Ausbildung auch die Matura zu machen, weil es extrem fordernd ist. Kandidaten mit 15 Jahren haben die ersten Wochen im ersten Lehrjahr absolviert und steigen dann zusätzlich in die Matura ein. Hier haben sie nach der Berufsschule noch regulären Matura-Unterricht, sowie hin und wieder Samstag und müssen dafür auch immer wieder Urlaub nehmen und natürlich auch regelmäßig Prüfungen ablegen. Was wir empfehlen und stark unterstützen, ist eine Studienberechtigungsprüfung nach der Lehrabschlussprüfung, also individuell das auf Matura-Niveau auf zulernen, was fehlt, um sich direkt für ein ausgewähltes Studium zu qualifizieren. Denn die Frage ist, warum jemand Matura machen will. Wenn es darum geht, später studieren zu können, was ein Weg ist, den wir unterstützen, macht es viel mehr Sinn, ein Jahr in die Studienberechtigungsprüfung als vier Jahre für die Matura zu investieren. Ich glaube dieses Modell ist eher für Ausbildungsberufe interessant, die inhaltlich nicht so stark fordernd sind und viele Leerläufe entstehen, sodass sie während der Arbeitszeit gut mitlernen können.
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"Wenn man die Matura hat, kann man drei Berufe in drei Jahren abschließen. Das macht sich toll im Lebenslauf."Dachser-Ausbildungsleiterin Anja Schlesinger
Bleiben Mitarbeitenden, die studieren, eher bei Dachser oder wechseln das Unternehmen?
Es ist üblich, dass die Leute, die zu uns kommen, auch bleiben. Ich denke das liegt im Wesentlichen daran, dass wir Menschen finden, die wertemäßig ausgezeichnet zu uns passen. Darauf achten wir im Recruiting besonders genau. Wir haben starke Werte, die intensiv gelebt werden. Das Studium selbst ist berufsbegleitend. Meine Empfehlung ist es, die Arbeitszeit auf 30 Stunden zu reduzieren, der Aufwand mit dem berufsbegleitenden Studium beträgt ungefähr 15 Stunden. Der Vorteil daran ist: Man hat genug Einkommen, ist intensiv ins logistische Geschäft eingebunden und bekommt parallel Theorie-Inputs.
Wie sieht der Recruiting-Prozess aus, wie erkennen Sie recht rasch, welche Werte Bewerber mitbringen?
Wir führen ein sehr ausführliches Gespräch und erfragen auch sehr intensiv Familiengeschichten und das freundschaftliche Umfeld. Da achten wir darauf, wie etwa geschwisterliche Beziehungen sind, wie sie miteinander umgehen, welche Werte ihnen mitgegeben wurden und wichtig sind. Das ist jetzt mein 17. Jahrgang, ich erkenne das mittlerweile ganz gut. Nach den ersten Sätzen weiß ich eigentlich schon, ob der Bewerber oder die Bewerberin zu uns und unseren Werten passt.
Welche Kooperationen gibt es im Ausbildungsbereich?
Wir waren immer sehr offen, etwas Neues zu probieren. Wir haben sukzessive mit überbetrieblichen Lehrausbildungen begonnen – da gibt es unterschiedlichste Konzepte, wie etwa Frauen in technischen Berufen, die Aqua-Ausbildung, in Oberösterreich haben wir auch Stiftungskonzepte und so weiter – und wenn etwas in einer Saison gut geklappt hat, haben wir uns an das nächste Projekt ran getraut. Und auch hier war die Auswahl der Kandidaten das Zünglein an der Waage. In der Steiermark und in Oberösterreich setzen wir auch auf die Zusammenarbeit der WKO – und der Dualen Akademie. Auch die Kollegen vom AMS sind ein toller Sparring-Partner für uns, hier gibt es unterschiedliche Konzepte, bei denen Kandidaten - mit meist eher verkürzten Modellen - bei uns in der Ausbildung sind. Gerade bei der Berufskraftfahrerausbildung setzen wir auf diese alternativen Konzepte fast noch lieber, als auf die reguläre Lehrzeit, weil wir hier immer wieder das Thema mit dem Mindest-Alter haben. Auch mit der Polytechnischen Schule haben wir eine lang bestehende Kooperation, die für beide Seiten sehr fruchtbar ist. Das Poly profitiert davon, dass die Schüler hier Praxiserfahrung sammeln und mit Betrieben und Kollegen in Kontakt kommen. Für uns ist es günstig, die Kandidaten über mehrere Monate näher kennenzulernen und eben das Thema der Werte genauer betrachten zu können.
"Wir waren immer sehr offen, etwas Neues zu probieren"Dachser-Managerin Anja Schlesinger über Kooperationen mit Ausbildungsstätten
Dachser ist auch in Volksschulen aktiv. Warum?
Wir gehen einmal im Jahr kurz vor den Ferien in die Volksschulen. Da gibt es im dritten Schuljahr das Thema Verkehrserziehung, und gemeinsam mit der WKO haben wir eine Doppelstunde, in der wir Risiken und Möglichkeiten mit dem LKW zeigen und auch besprechen, wozu Logistik und LKW überhaupt gut sind. Alle Schüler und Schülerinnen sitzen dann auch in einem LKW, um zu sehen, was man als LKW-Lenker alles sieht - oder eben nicht sieht. Wir schaffen es oft, eine ganze Schulklasse in den toten Winkelecken zu verstecken, um klarzumachen, dass nicht der LKW selbst sieht, sondern der Mensch im LKW sehen muss. Das machen wir sehr spielerisch, und es ist immer ein sehr schönes Event. Grundsätzlich sind wir aber an unterschiedlichen Touchpoints im Zuge der Schulzeit unterwegs: Volksschule, auch das Poly habe ich schon genannt, und wir sind auch an Handelsakademien und Handelsschulen, um zu zeigen, welche logistischen Berufe es gibt, warum sie im Welthandel wichtig sind und welche Kompetenzen es dazu braucht. Wir brauchen im Gegensatz zu Berufen wie Friseur, Mechaniker, etc. länger, um unsere Berufsbilder verständlich zu machen, deshalb ist es gut, Schüler/innen in den LKW, ins Büro zu holen oder zu erklären, dass wir dafür sorgen, dass im Lebensmittelregal keine Gummistiefel stehen oder umgekehrt.
Dachser scheint kein Problem zu haben, geeignete Lehrlinge oder überhaupt Mitarbeiter zu finden.
Die meisten unserer Mitarbeiter sind ehemalige Lehrlinge. In diesem Jahr haben zehn Kandidaten gestartet, letztes Jahr zwölf. Damit können wir im Wesentlichen unsere normale Fluktuation, aber vor allem auch unser Wachstum abdecken. Ich würde sagen, wir decken sicher 80 Prozent unseresBedarfs über eigens Ausgebildete ab. Wir sind auch ein recht komplexes Unternehmen, es sind viele Rädchen, die im Hintergrund ineinander greifen, da brauchen wir eine gewisse Zeit, um diese Komplexität verständlich zu machen. Insofern ist es für Quereinsteiger auch oft herausfordernd nachzuvollziehen, wie alle Stellschrauben wie ineinander greifen. Je nach Bundesland tun wir uns leichter oder schwerer, geeignete Kandidaten zu finden. Viele unterschiedliche Wege zu gehen hat sich jedenfalls als hilfreich erwiesen. So auch unser Empfehlungsmanagement, in dem Mitarbeiter - oft selbst Lehrlinge - künftige Kollegen vorschlagen.
Wie wird sich die Ausbildung bei Dachser verändern, wie adressieren Sie neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Elektromobilität in der Ausbildung?
Elektromobilität ist natürlich ein Thema für die Lehre bei unserem Berufskraftfahrer-Ausbildungsberuf. Es gibt viele neue Kompetenzen zu erlernen. Grundsätzlich wollen wir den klassischen Abteilungsrundlauf modularer aufbauen und “Business Capabilities”, also Grundfähigkeiten, die das Unternehmen braucht, vermitteln und erkennen, in welchen Abteilungen ich sie lernen kann und wie lange ich vermutlich dafür brauchen werde. Ich gehe quasi mit einem Paket an Forschungsthemen in die Abteilung und habe einige Tage Zeit, um sie zu erlernen, bevor ich die Abteilung wechsle. So kommen die Kandidaten häufiger in jede Abteilung, aber immer mit anderen Forschungsthemen. Da sind wir gerade am Ausprobieren. Wir sehen, dass dieser modulare Ansatz auch in akademischen Ausbildungen funktioniert: Es gibt Basics und Spezialisierungen – modular aufgebaut, je nachdem, was die Kandidaten interessiert bzw. worauf sie sich spezialisieren möchten. Da entwickeln wir uns sukzessive hin, denn es gibt viele Tätigkeiten, die wir heute häufiger machen als in fünf Jahren. Denken wir etwa an Bots oder Prozessautomation, wo ein angelernter Algorithmus repetitive Tätigkeiten übernimmt. Das berücksichtigen wir natürlich in neuen Ausbildungskonzepten. Damit müssen sich jetzt alle Ausbildungsbetriebe sukzessive befassen, die eine gewisse Dynamik haben – ein Neudenken oder ein Umbau ist sozusagen für alle dran. Unser Ansatz ist es eben, in Richtung Unternehmensfähigkeiten zu gehen und weg von der klassischen Abteilungssicht. KI selbst testen und implementieren wir in unterschiedlichen Unternehmensbereichen aktuell. Gerade im Wissensmanagement gehen wir gerade wichtige Schritte.
"Grundsätzlich wollen wir den klassischen Abteilungsrundlauf modularer aufbauen und “Business Capabilities”, also Grundfähigkeiten, die das Unternehmen braucht, vermitteln und erkennen, in welchen Abteilungen ich sie lernen kann und wie lange ich vermutlich dafür brauchen werde."Dachser-Ausbilungsleiterin Anja Schlesinger über Weiterentwicklungen bei der Lehrausbildung.
Lehrling Aleksandar Radosavljevic über seine Lehrausbildung bei Dachser
Was war Dein Berufs- bzw. Lehrwunsch, Aleks?
Nach meinem 8. Schuljahr habe ich das 9. Schuljahr im Poly fertig gemacht und war die ersten Tage in der Büroklasse, mein Wunsch war aber die Elektro-Klasse. Dort und auch nach einem Praktikum habe ich bemerkt, dass ich mich nicht in einem solchen Job sehe. Ich habe dann mit einer Lehrerin gesprochen und ihr gesagt, dass ich eventuell doch einen Bürojob anstreben, und sie mir vorgeschlagen, mich bei Dachser zu bewerben. Einige Kollegen kannten Dachser schon, und Freunde meiner Eltern arbeiten bei LKW Walter, mit denen habe ich darüber gesprochen, wie es ist, in einer Spedition zu arbeiten. Dabei habe ich nur Positives gehört. Das war alles Hintergrund für meine Entscheidung, eine Bewerbung bei Dachser abzugeben. Beim Bewerbungsgespräch war ich sehr nervös, und ich war auch überrascht über die Fragen. Aber das zeichnet Dachser aus: Wir sind sehr familiär und verstehen uns alle gut. Seitdem ich bei Dachser bin, habe ich viele neue Freunde im Betrieb kennengelernt, erst letztens habe ich mit zwei Kollegen aus der Firma Urlaub gemacht.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ich habe die Lehrabschlussprüfung geschafft und mich für das vierte Lehrjahr entschieden, weil es mich weiterhin enorm interessiert und ich mich immer weiterbilden möchte. Was danach passiert, kann ich jetzt noch nicht sagen. Aktuell sitze ich im Service und betreue direkt unsere Kunden, hier gibt es sehr viel Abwechslung, es ist viel zu tun. Das mag ich an dem Lehrberuf sehr. Auch der Verkauf und das Disponieren im Nahverkehr haben mir sehr gut gefallen.