Automatisierung im Transport : Autonom fahrende LKW: Nun auch in Österreich unterwegs

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Laut FreightWaves, einem Unternehmen für Branchenanalysen, entfallen 43 Prozent der gesamten Logistikkosten weltweit auf den Lkw-Verkehr, mit einem Gesamtwert von 4,1 Billionen Dollar, eine Summe, die bis 2027 voraussichtlich 5,5 Billionen Dollar erreichen wird. In den USA transportieren LKW etwa 70 Prozent der Fracht, in Österreich sind es über 80 Prozent.

Nun könnten autonome LKW mit Level 4 - sprich selbstfahrend, ohne weiteren Fahrer in der Kabine - einige aktuelle Herausforderungen adressieren. Sie gelten etwa als Lösung für überlastete Straßengüterverkehrsnetze und ineffiziente Logistikketten. In einer Zeit des akuten Fahrermangels versprechen autonome Lkw auch einen 24/7-Betrieb, eine Optimierung der Ressourcennutzung und einen ununterbrochenen Warenfluss. Mit den L4-Automatisierungsfunktionen könnten die Gesamtkosten im Fern- und Regionalverkehr durch geringere Fahrerkosten, höhere Produktivität, effizientes Energiemanagement und bessere Sicherheit erheblich sinken.

Laut einer Marktstudie für die Europäische Union könnten in Europa bis zum Jahr 2040 rund 30.600 km Straßenlänge autonom befahrbar sein, fast 206 000 fahrerlose Langstrecken-Lkw könnten auf europäischen Straßen eingesetzt werden.

Aktuell gibt es in Australien und Japan neue Projekte, um selbstfahrende LKW mit Level 4 weiterzuentwickeln und zu testen. Auch in Nordamerika sind zahlreiche Start-ups und Projekte damit beschäftigt, Güter via selbstfahrenden LKW zu transportieren.

Grundsätzlich arbeiten mehr als ein Dutzend Technologieunternehmen und Start-ups aktiv an der Lösung der unzähligen technischen und geschäftlichen Herausforderungen, die mit der Markteinführung und dem breiten Einsatz von selbstfahrenden Lkw in der Lkw-Branche verbunden sind. Dabei arbeiten wenige Unternehmen - etwa wie Waymo - seit mehr als zehn Jahren an der Technologie für autonome Fahrzeuge. Der Großteil der Unternehmen, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind Start-ps, die vor vier bis sieben Jahren gegründet wurden.

Im Gespräch mit dem us-amerikanischen Medium Transport Topics meint dazu etwa Richard Bishop von Bishop Consulting, ein Berater für automatisierte Fahrzeuge, dass die Entwicklung von autonomen Lkw erheblich vorangekommen ist, seit sie Mitte des letzten Jahrzehnts zum ersten Mal zu einem wichtigen Thema in der Branche wurde. "Damals, im Jahr 2015, war das eine wilde und verrückte neue Idee. Wenn man die letzten sieben Jahre betrachtet, ist die autonome Lkw-Branche sehr gereift."

Die Entwicklungsarbeiten gingen dabei weit über die anfänglichen Versuche hinaus, die sich auf den Nachweis der Machbarkeit der Technologie konzentrierten, sagte er. In den letzten Jahren haben sich die Technologieentwickler und ihre Partner unter den Spediteuren und Verladern mit den Details befasst, wie autonome Lkw in den realen Betrieb integriert werden könnten, einschließlich der Fahrzeugwartung und der Interaktion mit den Strafverfolgungsbehörden.

Die Einführung autonomer Fahrtechnologie in der Lkw-Branche werde sich nicht über Nacht durchsetzen, prophezeit Stephan Olsen, General Sales Manager bei Kenworth Truck Co. während einer Podiumsdiskussion im August auf der jährlichen Anwenderkonferenz von Trimble Transportation in den USA. "Autonomie ist ein Marathon. Es ist kein Sprint", sagte er. "Es wird in einem sehr gemessenen Tempo über definierte Fahrspuren, definierte Szenarien mit bestimmten Flotten, in denen das autonome Modell in ihren Betrieb integriert werden kann, eingeführt werden."

Was sind autonome Fahrzeuge der Stufe 4?

Fahrzeuge der Stufe 4 können unter bestimmten Umständen ganze Fahrten durchführen, z. B. auf vorher festgelegten Routen bei günstigen Wetterbedingungen. Fahrzeuge der Stufe 4 verfügen über ein hohes Maß an Autonomie, auch wenn ein menschliches Eingreifen weiterhin erforderlich sein kann. Hardware für diesen Eingriff, wie ein Lenkrad sowie Gas- und Bremspedale, wird weiterhin zur Standardausrüstung eines Fahrzeugs der Stufe 4 gehören.

Wo sind autonome LKW unterwegs?

Während der gängigste Ansatz die Automatisierung von Hub-to-Hub-Autobahnrouten ist, konzentrieren sich einige Entwickler stattdessen auf die Automatisierung von Kurzstreckenlieferungen, den Einsatz automatisierter Folgefahrzeuge in Lkw-Konvois oder auf unbemannte Transporte in Logistikhallen oder Industrieanlagen.

In Österreich wird der eben gängigste Ansatz derzeit in Gunskirchen getestet: Dabei verkehrt ein automatisierter, elektrisch betriebener LKW zwischen dem Unternehmen BRP-Rotax und dem Logistikstandort von DB Schenker - und das auch auf öffentlichen Straßen. Dafür wurde auch eine intelligente Ampellösung integriert, um den Verkehr auf Anforderung durch das Fahrzeug anzuhalten.

Es sei die erste wirklich intelligente Ampellösung in ganz Österreich, erklärt Digitrans-Geschäftsführer Alexander Barth. Die zwei Ampelanlagen mit C-ITS-Schnittstelle (C-ITS bedeutet Cooperative Intelligent Transport Systems) ermöglichen erstmalig in Österreich eine bidirektionale Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der Infrastruktur. Damit kann sich das Fahrzeug, noch bevor es zur Kreuzung mit der Ampelregelung kommt, anmelden und Bescheid geben, wo es sich befindet und wann es die Kreuzung erreichen wird. Der Informationsaustausch zwischen Infrastruktur und Fahrzeug ermöglicht es komplexe Verkehrssituationen vorherzusehen und darauf rechtzeitig und sicher zu reagieren.

Insgesamt führt die Teststrecke über Landstraßen mit ungeregelten Kreuzungen, Seitenstraßen und teilweise Straßen ohne Bodenmarkierungen. „Alles in allem eine sehr komplexe Umgebung, in der dieses Fahrzeug getestet wird“, erklärt Projektleiter Hannes Watzinger. Der automatisierte Elektro-LKW ist mit Testzulassung und Sicherheitsfahrer oder Sicherheitsfahrerin in realen Einsätzen unterwegs.

In einigen Fällen hat auch schon die kommerzielle Einführung von autonomen Lkw bereits begonnen. So hat Gatik im August 2021 in den USA den vollständig fahrerlosen Betrieb auf einer Kurzstrecken-Lieferroute für Walmart aufgenommen und Fracht auf öffentlichen Straßen in Arkansas zwischen einem Logistikstandort und einem Supermarkt transportiert.

In Japan hat TuSimple Holdings mit autonomen Testfahrten der Stufe 4 auf einem Frachtkorridor in Japan, dem Tomei Expressway, begonnen. Er ist eine der wichtigsten Verbindungen für den Güterverkehr und verbindet Tokio, Nagoya und Osaka.

"Die selbstfahrende Technologie ist eine vielversprechende Lösung für das Problem des Fahrermangels in der japanischen Logistikbranche", so Cheng Lu, CEO von TuSimple. "Wir sind bestrebt, aktiv Geschäftspartnerschaften mit lokalen Unternehmen aufzubauen und eine Technologie zu entwickeln, die den lokalen Kundenanforderungen gerecht wird."

Das japanische Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation berichtete im Jahr 2022, dass 45,2 Ürpuemt der Lkw-Fahrer im Land 50 Jahre oder älter sind. Berichten zufolge plant die japanische Regierung, bis 2024 auf einigen Abschnitten des Tomei Expressway eine selbstfahrende Fahrspur einzurichten und 2026 den kommerziellen Betrieb von autonomen Lkw der Stufe 4 zu erlauben.

Saudi-Arabien wiederum plant den Bau der intelligenten Stadt Neom, in der die Bewohner auf autonome Fahrzeuge der Stufe 4 angewiesen sein werden, die sie an ihre Ziele bringen. Dies betrifft allerdings den Personen- und nicht den Güterverkehr.

Auch im Vereinten Königreich werden autonome Fahrzeuge der Stufe 4 auf öffentlichen Straßen getestet. In Deutschland läuft hingegen das Projekt Atlas L4, an dem auch etwa der deutsche Zulieferer Knorr-Bremse beteiligt ist. In einem Interview mit NFZ-Messe.com erklärt Vorstand Bernd Spies etwa, dass sich automatisiertes Fahren regional unterschiedlich entwickle: "Der Trend ist vor allem in Nordamerika ungebrochen. Der hohe Aufwand der OEMs in Europa im Bereich der Emissionsreduktion reduziert den Fokus beim Automatisierten Fahren derzeit etwas. Das steigende Transportvolumen und der weltweite Fahrermangel wirken dennoch als Treiber. Wir werden das Automatisierte Fahren voraussichtlich in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre zuerst in Nordamerika und Asien bei Nutzfahrzeugen sehen – vorerst im Hub-to-Hub-Verkehr oder in geschlossenen Bereichen."

Das Projekt Atlas L4 bündle etwa "in bisher einzigartiger Weise", so Spiehs, die Expertise von Industrie, Wissenschaft und Infrastrukturbetreibern zu einem ganzheitlichen Ansatz für den Betrieb autonomer Fahrzeuge auf öffentlichen Autobahnen und Schnellstraßen. Atlas-L4 soll zeigen, dass der Einsatz von Level-4-automatisierten und damit von fahrerlosen Fahrzeugen auf der Autobahn machbar ist, und so die Basis für innovative Transport- und Logistikkonzepte legen.

TuSimple testet autonome LKW seit 2023 auf einer Schnellstraße in Japan.

- © TuSimple

"Menschengesteuerte Autonomie"

Dabei würden automatisiert fahrende LKW vorerst nicht zur Gänze ohne Fahrer auskommen, so der Knorr-Bremse-Vorstand: "Der Fahrer wird nebenher andere Tätigkeiten ausführen können, beispielsweise Dispositionsaufgaben. Die Fahrer bleiben somit auch zukünftig ein wesentlicher, unverzichtbarer Bestandteil des Systems – die Aufgabenstellung wird sich allerdings wandeln."

In eine solche Richtung geht das Unternehmen Locomation und verfolgt dabei das Konzept der "menschengesteuerte Autonomie". Dabei verbindet ein System des Unternehmens, "Autonomous Relay Convoy", zwei Lkw elektronisch zu einem automatisierten Konvoi. Der Fahrer des führenden Lkw lenkt den Konvoi, während der zweite Lkw autonom folgt - allerdings auch mit Fahrer. In weiterer Zukunft könnte der nachfolgende Lkw unbemannt werden, während ein menschlicher Fahrer weiterhin den führenden Lkw steuert.

Ein anderer Entwickler, Plus, will den Weg für den vollständig autonomen Lkw-Verkehr ebnen, indem er mit einem automatisierten Fahrsystem beginnt, das die Beschleunigung, das Bremsen und die Lenkung automatisiert, bei dem der Fahrer jedoch weiterhin aufmerksam und aktiv bleiben muss.

Plus hat außerdem kürzlich eine Partnerschaft mit dem Mautstraßenbetreiber Transurban angekündigt. Nach Tests von Transurban mit selbstfahrenden Lkw wollen die Partner nun untersuchen, wie die autonome Level-4-Fahrtechnologie von Plus in Verbindung mit einer intelligenten Straßeninfrastruktur dazu beitragen kann, den Lkw-Verkehr in Australien sicherer, effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Seit 2017 hat Transurban für sein CAV-Testprogramm („Connected and autonomous vehicles“) elf Versuche mit voll- und teilautomatisierten Fahrzeugen auf Autobahnen in Australien und Nordamerika durchgeführt, um deren Reaktion auf die Straßeninfrastruktur zu testen. Der Versuch von Transurban im Jahr 2022 war das erste Mal, dass ein hochautomatisierter selbstfahrender Lkw unter realen Verkehrsbedingungen auf öffentlichen Autobahnen in Australien getestet wurde.

Die Partnerschaft zwischen Transurban und Plus wird die Software für autonomes Fahren und die weltweite Erfahrung von Plus im kommerziellen Einsatz nutzen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit dem Nutzfahrzeughersteller Iveco bei der gemeinsamen Entwicklung selbstfahrender Lkw in Europa. Hochautomatisierte Lkw, die mit der Technologie von Plus ausgestattet sind, liefern in den USA bereits Fracht aus und werden in Deutschland von Iveco auf öffentlichen Straßen getestet. Hochautomatisiert bedeutet in diesem Fall Level 2+.