Schiffsverkehr : Frachtkosten als Inflationsindikator
Rund 23.000 Schiffe passierten 2022 den Suezkanal. Seit Angriffen auf Schiffe durch Huthi-Rebellen - insgesamt waren es seit Ende letzten Jahres 27 - brach der Schiffsverkehr in den letzten Wochen laut Economist um 90 Prozent ein. Es ist erstaunlich, welche Kaskaden von Auswirkungen diese relativ kleine Rebellengruppe dadurch auf die Weltwirtschaft auslöst. Allein die Transitgebühren durch den Suezkanal sind seit Jahresbeginn um 40 Prozent gesunken. Mit diesen Gebühren erzielt Ägypten immerhin ein Viertel seiner Deviseneinnahmen.
Was der Umweg über Südafrika für die Container-Schifffahrt bedeutet
Containerschiffe müssen nun einen 6.400 Kilometer langen Umweg um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika fahren. Eine Fahrt von Shanghai nach Rotterdam dauert so, je nach Schiffstyp acht bis zwölf Tage länger. Das treibt die Treibstoffkosten pro Fahrt um mindestens eine halbe Million Dollar in die Höhe, auch die Versicherungskosten steigen. Transportkapazitäten sind dadurch länger gebunden, was beispielsweise bereits die Lieferkette von Tesla unterbrochen hat. Wegen fehlender Bauteile musste der Elektroautohersteller einen Großteil seiner Fahrzeugproduktion im Werk Brandenburg für zwei Wochen stilllegen. Konsumartikel wie Mobiltelefone, Haushaltswaren, Schuhe, aber auch Solarpaneele, Maschinen und Maschinenteile verzögern sich. Erste Lager leeren sich.
Lesen Sie auch den regelmäßig upgedateten Artikel: So beeinflussen die Houthi-Angriffe globale Lieferketten >>
Wie sehr treibt die aktuelle Situation im Roten Meer die Preise an?
Um die Mehrkosten für die Umfahrung Afrikas zu decken, haben die Reedereien die Preise für den Transport eines Containers von Asien nach Europa im Vergleich zum November vervielfacht. Längere Lieferzeiten und höhere Kosten für Vorprodukte könnten die Hersteller dazu zwingen, die Preise für ihre Endprodukte zu erhöhen. Ein Anstieg der Energiepreise wäre eine mögliche Folge. Dies könnte die bisherigen Fortschritte bei der Eindämmung der Inflation zunichtemachen.
Wie hängen Frachtkosten und Inflation zusammen?
Auffällig ist die Parallelität von Frachtkosten und Inflation in den letzten drei Jahren. Der sogenannte Weltcontainerindex in 1000 Dollar pro 40-Fuß-Container verläuft seit 2020 auffällig parallel zur Inflation. Derzeit trifft ein geringeres Warenangebot auf eine unveränderte Nachfrage - ein Nährboden für steigende Preise. Die Anbieter versuchen, die geringeren Absatzmengen durch höhere Verkaufspreise zu kompensieren, um den negativen Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn entgegenzuwirken. Darüber hinaus ist der Suezkanal nicht der einzige globale Schifffahrtsengpass, der unter Druck steht. Der Panamakanal arbeitet derzeit mit reduzierter Kapazität, da der Wasserstand aufgrund einer historischen Dürre niedrig ist und die Anzahl der Schiffe, die den Kanal passieren kann, begrenzt ist. Derzeit können ihn nur 18 Schiffe pro Tag passieren statt durchschnittlich 36.
Je länger der Konflikt, desto größer die Auswirkungen
Da die Angriffe auf die Schiffe laut Huthi-Sprechern so lange andauern werden wie die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen, scheint ein baldiges Ende nicht in Sicht. Sollte der Konflikt noch Monate andauern, wird dies vor allem die europäischen Verbraucher treffen.
Etwa ein Fünftel des Verkehrs durch den Suezkanal entsteht durch den Transport von Rohöl und raffinierten Öl-Produkten, entweder auf Schiffen oder über die Sumed-Pipeline durch Ägypten. Eine vollständige Unterbrechung der Öllieferungen durch den Kanal würde eine erhebliche Störung darstellen und wahrscheinlich die Rohölpreise und damit die Energiepreise in die Höhe treiben.
Neue Schiffe dämmen Frachtkosten
Während der Pandemie, als die Frachtraten in die Höhe schnellten, bestellte die Schifffahrtsindustrie eine große Anzahl von Schiffen. Viele davon verlassen nun die Werften. Vor dem Konflikt mit den Huthi führte dies zu einem Einbruch der Frachtraten. Im vergangenen Jahr gab es bereits Überkapazitäten. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem die Kapazitäten ausreichen, aber nur knapp. Obwohl die letzten fünf Wochen zu einem deutlichen Anstieg der Frachtraten geführt haben, sind wir noch weit von den Frachtraten während der Pandemie entfernt.
Diplomatie ist die beste Lösung
Letztlich dürfte eine militärische Antwort allein nicht ausreichen. Solange Israel Krieg führt, werden auch die Huthis ihre Angriffe fortsetzen. Die Huthis sitzen in Bergfestungen und verfügen über reichlich Geld. Sie sind gut mit Waffen ausgerüstet, die vom Iran geliefert wurden, darunter präzise Drohnen, Anti-Schiff-Marschflugkörper und ballistische Raketen, die ein fahrendes Schiff in Hunderten von Kilometern Entfernung treffen können. Da sie über große Vorräte verfügen, können sie diese Kampagne über einen langen Zeitraum aufrechterhalten. Eine wirkliche Lösung liegt in der diplomatischen Lösung der Probleme in dieser Region. Das ist es, was der Markt sehen will.
Peter Deutschbauer ist Managing Director Air & Sea Logistics von Dachser Austria.