Lieferkette : Globale Logistik im Würgegriff: Houthi-Angriffe und chinesische Online-Händler verschärfen Frachtprobleme
Die anhaltenden Angriffe der Houthi-Miliz auf Containerschiffe haben weiterhin direkte Auswirkungen auf die globale Schifffahrt, indem sie eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt bedrohen. Dies zwingt Reedereien, längere und kostspieligere Routen zu wählen, was zu erhöhten Transportkosten und Verzögerungen in den Lieferketten führt. Hier haben wir alle Hintergründe und bisherigen Auswirkungen zusammengefasst.
Bisher seien 48 Schiffe angegriffen worden, der Anführer der Gruppe, Abdel-Malik al-Houthider, kündigte auch den Einsatz von Unterwasser-Waffen an. Die Miliz hat eigenen Angaben zufolge auch ein Schreiben an Reedereien und Versicherungen mit Bezug zu Israel, den USA und Großbritannien geschickt. Darin verbieten sie die Durchfahrt durch das Rote Meer, den Golf von Aden und das Arabische Meer, falls die Transporte mit Israel in Zusammenhang stehen. Es ist das erste formale Schreiben der Rebellengruppe an die Schifffahrtsbranche.
Durch den längeren Transport und höhere Versicherungskosten steigen sowohl die Kosten als auch die Umweltbelastungen durch die längeren Routen und weil Kapitäne schneller fahren, um Lieferpläne möglichst einhalten zu können. Auf der Strecke Singapur in Südostasien nach Rotterdam in den Niederlanden könnten höherer Spritverbrauch und schnelleres Fahren nach Schätzungen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) die Treibhausgasemissionen auf einer Hin- und Rückfahrt um 70 Prozent in die Höhe treiben.
Absender des Textes ist ein "Humanitäres Koordinationszentrum" der Houthis. "Das Zentrum wurde in Sanaa eingerichtet, um die sichere und friedliche Durchfahrt von Schiffen und Booten zu koordinieren, die keine Verbindung zu Israel haben", sagte ein hochrangiges Houthi-Mitglied zu Reuters.
Global sei der Frachttransport auch wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Schwarzen Meer und wegen tiefer Wasserpegelstände im Panamakanal beeinträchtigt. Die UNCTAD warnte vor "potenziell weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen längerer Störungen im Containerverkehr, die die globalen Lieferketten bedrohen und zu Lieferverzögerungen, höheren Kosten und Inflation führen können. Die vollen Auswirkungen der höheren Frachtraten werden die Verbraucher innerhalb eines Jahres zu spüren bekommen."
Auf der Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer sind im Jänner 42 Prozent weniger Schiffe gefahren als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres, die Container-Spotpreise von China nach Europa seien seit Dezember bis Ende Jänner durchschnittlich um 256 Prozent gestiegen, so UNCTAD.
Chinesische Onlinehändler und ihr Bedarf an Frachtraum
Parallel dazu verursacht das explosive Wachstum der chinesischen Online-Händler Temu und Shein eine beispiellose Nachfrage nach Luftfrachtkapazitäten. Diese Firmen, die täglich hunderte von Frachtflugzeugen für den Transport ihrer Billigwaren in die USA und nach Europa nutzen, führen zu Kapazitätsengpässen und steigenden Frachtraten. "Noch Mitte 2023 war die Nachfrage aus China sehr schwach, ab Ende des Jahres stieg sie jedoch plötzlich massiv an", wie ein deutscher Logistik-Experte zur Nachrichtenagentur Reuters sagte.
Shein und Temu versenden einem Bericht des US-Kongresses vom Juni 2023 zufolge zusammen 600.000 Pakete täglich nach Amerika. In Deutschland wird die Zahl inzwischen auf etwa 400.000 am Tag geschätzt. Nach Daten von Branchenexperten fliegen Shein und Temu jeweils 4.000 bis 5.000 Tonnen Waren täglich aus. Damit müssen jeden Tag allein dafür über hundert Frachter vom Typ Boeing 777 abheben. Zum Vergleich: Große Tech-Firmen wie Apple kommen allenfalls auf 1.000 Tonnen am Tag. Branchenkreise zufolge müssen sie bereits um Frachtplatz in den Maschinen kämpfen. Apple wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Zusätzliche Mengen könnten die Flieger kaum aufnehmen, falls wegen der Attacken der Houthi auf Schiffe im Roten Meer die Firmen einige Güter per Flugzeug befördern wollten. "Der größte Trend, der die Luftfracht beeinflusst, ist nicht das Rote Meer, es sind chinesische E-Commerce-Firmen wie Shein und Temu", sagt auch Basile Ricard, verantwortlich für das China-Geschäft bei Bollore Logistics.
Ein schnelles Abflauen des Fracht-Booms aus China erwarten Logistiker jedoch nicht. Zwar hätten einige Fracht-Linien ihre Kapazitäten ausgeweitet, doch auch diese seien bereits langfristig gebucht, sagt ein Schenker-Sprecher. "Wir erwarten, dass die starke Nachfrage in den kommenden Monaten anhält." Was eigentlich in der Branche für Freude sorgen sollte, wird jedoch auch kritisch gesehen. Es sei ungewiss, ob das Geschäft mit Temu und Shein dauerhaft sei, sagt der Asien-Verantwortliche eines Logistikers. Die Gefahr bestehe, dass jahrelang zuverlässige Kunden nun verdrängt würden. "Und mit Blick auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit ist das Geschäft mit Temu und Shein ohnehin eine Katastrophe".