Interview : „Wir gehen unkonventionelle Wege, um zu Arbeitskräften zu kommen“
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Wie reagieren LogServ und CargoServ auf aktuelle Herausforderungen?
Christian Janecek Da gibt es mehrere Themen: Der Druck in den Supply Chains, die Ukraine-Krise und Personalengpässe. Die Ukraine-Krise hat speziell im näheren Umfeld - Donauschifffahrt, Schwarzmeer-Transporte, Türkei-Belieferungen etc. - Auswirkungen und verursacht Engpässe. Natürlich ist auch die gesamte Infrastruktur im Umfeld stark belastet. Die Verfügbarkeiten sind extrem beschränkt, außerdem musste und muss man die Supply Chains verändern: Wenn es etwa keine Kohlelieferungen aus Russland gibt, sondern Ersatz aus Südafrika beschafft werden muss, der dann Richtung Westen gebracht werden muss, gibt es Probleme: Denn die Infrastruktur ist nur eingeschränkt verfügbar, Waggonmaterial ist nicht vorhanden etc., und das führt zu einer zusätzlichen Verschärfung.
Die Rohstoffverkehre sind also ebenso problematisch?
Markus Schinko Ja, die Rohstoffströme sind massiv gestört. Man muss aber auch sagen, dass wir schon vor Corona und der Ukraine-Krise massiv Probleme in der Logistik hatten – Personalprobleme oder fehlende Ressourcen hinsichtlich der Infrastruktur. Schon vor Corona hat die Bahn nicht so performt wie wir das gerne gehabt hätten. Wir wollen ja Verlagerungseffekte zum klimafreundlichen Verkehrsträger der Schiene erzielen – mit solch eingeschränkten Ressourcen kann man diese nicht begleiten. Es sind viele Baustellen an der Bahninfrastruktur gestartet – das ist gut, sie belasten aber auch die Infrastruktur. Und das letzte Glied in der Kette sind oft die Anschlussbahnen, die müssen vieles abfangen, weil eben die Züge dann nicht geordnet zulaufen. Das führt zu Problemen durch eine teilweise Überlastung der Infrastruktur.
Wie ist es denn um die Infrastruktur in Österreich bestellt?
Schinko Bei Österreichs Bahninfrastruktur ist in den letzten Jahren viel passiert, aber stark fokussiert auf den Personenverkehr. Damit hat man meiner Meinung nach den Güterverkehr etwas nach hinten gedrängt. Es ist ja nach wie vor so, dass der Güterverkehr dem Personenverkehr folgt, das heißt wenn Sie heute auf einer gemeinsamen Trasse unterwegs sind, stellen Sie sich als Güterzug immer hinten an, der Personenzug hat aufgrund der Pünktlichkeitsvorgaben immer Vorrang. Es braucht verstärkt Güterzugtrassen für die Korridore. Das rückt jetzt wieder stärker in den Fokus. Man muss auch auf die Verschiebebahnhöfe schauen, das sind die Zugbildeknoten für den Güterverkehr, da ist in den vergangenen Jahren gerade bei den Hotspots in Österreich wenig bis gar nichts passiert. Es gibt aber bereits sehr konstruktive Gespräche mit der ÖBB Infrastruktur, wie diese Themen zukünftig bearbeitet werden können. Ich denke es wird schon eine Dekade dauern, bis man wirklich von einer Erholung reden kann.
Letztes Jahr haben Sie über das Fehlen von Fachkräften gesprochen. Hat sich die Situation verbessert?
Janecek Nein. Aus dem war for talents ist ein war for workforce geworden – man findet auch einfachste Hilfskräfte nicht mehr. Wir versuchen aber sehr unkonventionelle Wege zu gehen, um zu Arbeitskräften im Blue-Collar-Bereich zu kommen.
Die da wären?
Schinko Wir haben uns entschlossen, nicht nur in Österreich nach Personal zu suchen, sondern gehen auch ins Ausland, nach Bosnien oder Kroatien etwa. Das ist mit einigen Hürden verbunden, in Bosnien geht es etwa um Arbeitserlaubnis, Rot-Weiss-Rot-Karte etc. Wir suchen die Leute gemeinsam mit einem Partnerunternehmen direkt vor Ort und wählen sie gemeinsam aus. Zuerst beginnt der Sprachkurs, um sich die Sprachkenntnisse noch im eigenen Land anzueignen. Dann in Österreich begleiten wir die Integration. Professionelle Peers, die auch die Sprache sprechen, unterstützen bei Wohnungssuche oder Behördengängen bis hin zur Integration ins Vereinsleben in Österreich. Damit schaffen wir eine erste Vertrauensbasis und stärken die Mitarbeiterbindung. So haben wir im ersten Schritt 15 Mitarbeiter beschäftigt, die nächsten Mitarbeiter stehen schon zur Auswahl.
Was sagen Sie zu den Klimaschutzplänen Österreichs und der EU?
Janecek Wir beobachten speziell im Bereich des Transports, dass die Nachfrage nach CO2-neutraler oder CO2-reduzierter Logistik stärker anzieht. Das heißt wir sprechen über Verkehrskonzepte, die im Hauptlauf auf jeden Fall auf der klimafreundlichen Bahn stattfinden. Die Frage der Dekarbonisierung ist aber auch - und das haben wir erst schmerzlich gelernt in den letzten Wochen - eine Frage von Energieverfügbarkeiten. Wenn man weiß, dass die Energieversorgung weltweit betrachtet zu einem Gutteil aus Gas-Kraftwerken kommt - wir wollen so schnell wie möglich raus aus dem Gas - da frage ich mich wo kommt das Alternativ-Drittel her? Und da rede ich noch nicht über Mehrbedarf wie Elektromobilität und solche Dinge. Dieses Thema muss man aus meiner Sicht gesamthafter betrachten, mir fehlen ein bisschen die Maßnahmen in dieser politischen Diskussion, die wird oft sehr plakativ geführt.
Schinko Ich würde mir wünschen, dass die Wirtschaft hier wesentlich tätiger ist. Unser Konzern ist hier sehr gut aufgestellt und erarbeitet wirtschaftlich darstellbare Lösungen gemeinsam mit anderen Unternehmen. Das brauchen wir auch in der Logistik. In der Politik werden manchmal Gesetze auf die Reise geschickt, die an der Realität vorbeischießen. Wir müssen zuerst die Schwerpunkte in der Logistik definieren und danach konkrete und effektive Maßnahmen ableiten.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
An welchen strategischen Zukunftsthemen abseits von Dekarbonisierung und Arbeitskräftemangel arbeiten Sie zurzeit?
Schinko Wir setzen stark auf Digitalisierung, weil wir damit mehrere Dinge in den Griff bekommen. So können wir mit weniger Ressourcen- und Personaleinsatz trotzdem unsere Leistung erbringen. Durch Digitalisierung wird eine Produktivitäts- und in vielen Fällen auch eine Qualitätsverbesserung erreicht – doch zum Selbstzweck darf Digitalisierung niemals werden. Wir haben im Moment mehrere Digitalisierungsprojekte laufen, wo wir überzeugt sind, dass wir damit noch einige Optimierungspotenziale heben werden.
Um welche Projekte geht es?
Schinko Zum Thema autonomes Fahren haben wir konkrete Projekte laufen, wo wir am Standort versuchen, autonomes Fahren umzusetzen - sei es auf der Straße oder auf der Schiene. Das ist schwierig, weil wir die Infrastruktur realistisch betrachtet nie zu 100 Prozent abgrenzen können, wodurch ein gewisses Gefahrenpotenzial für die im Umfeld tätigen Personen immer bleibt. Hier wird uns zukünftig die Sensorik unterstützen, die sich stetig weiterentwickelt. Projekte wie dieses werden uns auch helfen, Personalressourcen zu optimieren.
Janecek Das sind auch oft kleinere Themen wie die digitale Unterstützung beim Personaleinsatzplan. Oder in der Distribution die Digitalisierung des gesamten Versandprozesses. Da bedarf es aber auch oft Änderungen im Servicemodell des Kunden. Damit können wir auch bessere Auslastung in den Zügen erzielen und dadurch wird es erst möglich, Rundlaufkonzepte stärker zu gestalten. Für so ein Konzept haben wir mit der deutschen Bahn im letzten Jahr den deutschen Logistikpreis gewonnen. Auf die Optimierung der eingesetzten Ressourcen fokussieren wir sehr stark, denn es ist beispielsweise nicht egal, ob ein Waggon 10, 15 oder 20 Tage unterwegs ist, weil bei 20 Tagen brauchen Sie für dieselbe Menge doppelt so viele Waggons, weil er doppelt so lange weg ist. Und die Ressourcen gibt es nicht, das heißt Sie müssen das eingesetzte Material schnell drehen. Das sind die Stellschrauben an denen wir arbeiten. Wir selbst müssen unsere Prozesse und Abläufe zu den Kunden und retour optimieren. Sie bekommen dann auch Ineffizienzen, die in diesen Systemen vorhanden sind durch mehr Planung, durch mehr digitale Verfolgung aus dem System raus und damit werden Sie effizienter.
Logistik Service (LogServ) wurde 2001 als Tochtergesellschaft der voestalpine Stahl gegründet. Sie ist das Mutterunternehmen der Cargo Service (CargoServ). CargoServ führt als privates Eisenbahnverkehrsunternehmen Gütertransporte auf der öffentlichen Schieneninfrastruktur durch. Derzeit werden jährlich vier Millionen Tonnen an Rohstoffen und Fertigprodukten transportiert.