Autonomes Fahren : Fahrerlose LKW als Lösung für den Fahrermangel

Der fahrerlose und elektrische LKW von Einride - der Einride Pod - unterwegs in New York
© Einride

Der LKW-Fahrermangel spitzt sich seit Beginn der Covid-19-Epidemie immer mehr zu. Dem Trend können autonome LKW gegensteuern. Fahrerlose Lastwagen dürften nach Einschätzung der Unternehmensberatung Berylls schon 2030 etwa 10 Prozent des Lkw-Absatzes ausmachen.

Doch nicht nur dem Fahrermangel könnten autonome LKW gegenwirken. Zudem würden dadurch rund ein Fünftel der Betriebskosten eingespart, schreibt der Berylls-Experte Steffen Stumpp in einer Studie. Allein in den USA dürften 2030 etwa 160.000 Lkw-Fahrer fehlen. In Europa und Deutschland sieht es nicht besser aus, hier fehlen in wenigen Jahren 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer. Zugleich machten Fahrerlöhne über 40 Prozent der Kosten aus – wenn nur jeder zehnte Schwerlastwagen in den USA autonom fahren würde, ließen sich demnach 25 Milliarden US-Dollar (24,5 Milliarden Euro) jährlich sparen.

Nun hat das schwedische Güterverkehrsunternehmen Einride vor kurzem sogar die Genehmigung der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) erhalten, seine autonomen elektrischen Transportfahrzeuge (AET) auf öffentlichen Straßen in den USA zu betreiben.

Mit dieser Genehmigung will Einride ein Pilotprojekt auf öffentlichen Straßen durchführen und damit die zweckmäßige Funktionalität des Einride Pods für eine zukünftige Vermarktung zu demonstrieren.

Auch das US-Unternehmen Kodiak ist bereits fahrerlos auf US-Highways unterwegs. Allerdings werden diese entweder von Begleitfahrzeugen kontrolliert oder es sitzt Überwachungspersonal in der Fahrzeugkabine, um im Notfall eingreifen zu können. Beim T-pod von Einride ist das anders.

© IRU
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Einride ist wirklich fahrerlos

Denn das Design des autonomen und elektrischen Einride Pods lässt keinen Platz für einen Fahrer an Bord und wird stattdessen von einem Remote Pod Operator fernüberwacht, was dieses Pilotprojekt zu einer Branchenpremiere macht.

Der Einride Pod wird auf öffentlichen Straßen mit gemischtem Verkehr eingesetzt und führt dabei reale Arbeitsabläufe aus. Dazu gehören der Transport von Waren und die Koordination mit Teams in verschiedenen Lagern für das Be- und Entladen. Ein Remote Pod Operator wird das Fahrzeug jederzeit aus der Ferne überwachen - eine einzigartige Funktion, die Einride als entscheidend für die sichere Skalierung von autonomen Fahrzeugen ansieht, da sie den Menschen in den Kreislauf einbindet und Arbeitsplätze schafft, die eine zukünftige Art des Versands ermöglichen.

"Dies ist ein Fahrzeugtyp, der noch nie zuvor auf US-Straßen zu sehen war und einen wichtigen Meilenstein für die Zukunft der Frachtindustrie darstellt", sagte Robert Falck, CEO und Gründer von Einride.

Das öffentliche Straßenpilotprojekt wird in einer Produktionsstätte von GE Appliances durchgeführt, um andere bereits bestehende gemeinsame Aktivitäten zu ergänzen. Einride war das erste Unternehmen, das in Zusammenarbeit mit GEA im Jahr 2021 eine Flotte von betriebsbereiten autonomen und elektrischen Fahrzeugen auf amerikanischem Boden einsetzte.

Der Remote Pod Operator zur Fernüberwachung des Einride Pods
Der Remote Pod Operator fernüberwacht den Einride Pod zu jeder Zeit - © Einride

Erste und letzte Meile als Problem

Bei Kodiak gibt es in einer ersten Stufe mehrere Autobahnkorridore , in denen man vollautomatisiert fährt. "Gerade in Nordamerika mit seinen langen Überlandstrecken macht das Sinn", so der Österreicher Andreas Wendel, der Kodiak mitgegründet hat, in einem Interview mit dem Standard. Diese würden Transfer-Hubs, Umschlagplätze unmittelbar neben Autobahnen verbinden. Bis dorthin und ab dort führen die menschlichen Fahrer die erste und letzte Meile manuell. Später solle es dann möglich sein, verschiedene Logistikzentren zu verbinden – auch wenn diese im urbanen Bereich liegen.

Die Technologie werde bald auch in Europa verfügbar sein, so Wendel gegenüber dem Standard.

Diese Hersteller sind die größten Player am Markt von autonomen LKW

2009 hat Google mit einem Projekt für selbstfahrende Autos gestartet, 2016 wurde das Projekt unter dem Namen Waymo ausgegliedert. Während selbstfahrende Shuttles und Robotaxis die häufigsten frühen Prototypen und Anwendungsfälle des autonomen Fahrens waren, galten schwere Lastwagen anfangs als nur eine Nischenkategorie.

Heute hat der autonome Lkw-Verkehr inzwischen Milliarden von Dollar an Risikokapital angezogen und mehrere vielversprechende Start-ups hervorgebracht.

Laut der Studie "Trucking 2030" von Berylls ist Waymo wieder einer der Hauptakteure im Bereich des autonomen Fahrens für Lastwagen. Die Erprobung der selbstfahrenden Technologie von Waymo auf Sattelschleppern der Klasse 8 begann 2017, und im März 2020 wurde die Lkw-Sparte Waymo Via offiziell gestartet wurde. Waymo hat die sogenannte Waymo Driver Technologie an die Anforderungen von Schwerlastkraftwagen angepasst.

Im Oktober 2020 kündigte Waymo eine globale strategische Partnerschaft mit Daimler Truck an, um den Waymo Driver in eine Flotte von Freightliner Cascadia-Sattelschleppern zu integrieren.

Der zweitgrößte Akteur im Bereich des autonomen Lkw-Verkehrs, gemessen an der Gesamt
Finanzierung, ist Aurora Innovation. Aurora wurde 2017 vom ehemaligen CTO von Googles Abteilung für selbstfahrende cars unit, Chris Urmson, gegründet. Seine Mitbegründer waren Sterling Anderson, ehemaliger Direktor von Tesla Autopilot, und J. Andrew Bagnell, ehemaliger Leiter des Autonomieteams von Uber Autonomy Team. Im Dezember 2020 investierte Uber 400 Millionen Dollar in einer Finanzierungsrunde in Aurora. Seit 2019 konzentriert sich Aurora auf das Segment der schweren Nutzfahrzeuge und kündigte eine strategische Partnerschaft mit PACCAR im Januar 2021 an.

Die Nummer drei in Bezug auf die Finanzierung ist TuSimple aus San Diego, Kalifornien.
TuSimple wurde bereits 2015 gegründet und hat elf Finanzierungsrunden abgeschlossen, mit den Lkw-Herstellern Navistar und Traton Group als Investoren. Ihr autonomes Frachtnetzwerk betreibt 50 Schwerlastfahrzeuge für Kunden wie UPS und U.S. Express und verbindet Drehkreuze in Phoenix und Tucson, Arizona, mit El Paso, Dallas und Houston, Texas. Anders als Waymo und Aurora verfolgt TuSimple einen Ökosystem-Ansatz mit
Terminals und autonome Betriebsüberwachung. Seit Februar 2021 wird die selbstfahrende Technologie als erstes Unternehmen in Europa in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Lkw-Hersteller Scania (einer Marke von Traton) getestet.

Es gibt noch zwei weitere Akteure im Bereich des autonomen Lkw-Verkehrs mit einer Gesamtfinanzierung von jeweils über 100 Millionen Dollar: Embark in San Francisco, ein Unternehmen, das SAE Level 4 autonomen Lastwagen zwischen Los Angeles und Arizona befördert. Außerdem Plus in Cupertino, das als erstes Unternehmen ein Joint Venture mit einem chinesischen Lkw-OEM (FAW Jiefang) gegründet hat.