US-Zollpolitik : "Zölle sind unser tägliches Geschäft"

Was sind die größten Herausforderungen durch die aktuelle US-Handels- und Zollpolitik aus Sicht eines internationalen Logistikers wie Gebrüder Weiss?
Lothar Thoma Die größte Herausforderung besteht in der Unvorhersehbarkeit. Niemand kann derzeit sicher sagen, wie lange Zölle in Kraft bleiben, wann sie geändert werden oder welche Produkte betroffen sein werden. Diese erratischen Entwicklungen erschweren die Planung – sowohl für uns als Logistikunternehmen als auch für unsere Kunden.
Während die Zollabwicklung technisch für uns Routine darstellt – schließlich ist dies für Nicht-EU-Länder tägliches Geschäft – liegt der Aufwand heute vor allem in der Kundenberatung. Unternehmen müssen kurzfristig entscheiden, ob sie Waren annehmen, zurücksenden oder gegebenenfalls auf andere Märkte umlenken. Besonders problematisch sind Fälle, bei denen sich Zolländerungen während des Transports ergeben – zum Beispiel bei Containern, die China Richtung USA verlassen und während der Überfahrt von neuen Zollsätzen betroffen sind. Nehmen die Empfänger die Ware an? Oder ist sie ihnen zu teuer geworden und sie schicken sie – bestenfalls – wieder zurück? Oder bleiben die Container in den US-Häfen? Bei der Evergiven, dem steckengebliebenen Schiff im Suezkanal, gab es eine ähnliche Situation. Bis dato haben wir noch keine gravierenden Fälle, aber das kann eventuell in nächster Zeit kommen.
Wie gehen Sie mit solchen Fällen um? Gibt es Kulanzangebote für die Kunden, deren Waren gerade unterwegs waren?
Thoma Man muss versuchen, eine Lösung im Dialog mit Absender und Empfänger zu finden, denn der Zoll in den USA ist wenig verhandlungsbereit. Wenn es wirklich Billigware ist, bei der sich aufgrund des hohen Zollsatzes der Verkauf nicht mehr rentiert, muss man überlegen, wie man damit umgeht. Nehmen große Handelsketten die Ware an und übernehmen einen Teil der Mehrkosten? Oder sind es kleinere Retailer und Importeure, die sich das nicht leisten können oder wollen? Es gibt auch Fälle, bei denen die Ware verschrottet wird, weil das günstiger ist als ein Rücktransport oder eine Umleitung in ein anderes Land. Denn der Transport von der Westküste USA in ein anderes Land ist in der Regel so teuer, dass das bei Billigprodukten keinen Sinn macht. Gerade die USA importiert einen hohen Anteil an günstigen Produkten aus China. Diese Waren werden jetzt sehr viel teurer. Erst wenn die Ware angekommen ist, sehen wir, ob es solche Fälle geben wird und in welcher Häufigkeit. Darauf bereiten wir uns im Moment vor.
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Was könnten Worst-Case-Szenarien sein?
Thoma Schlimmstenfalls gibt es keinen Abnehmer mehr - und auch keinen Versender, der erreichbar ist. Denn manchmal haben kleinere chinesische Firmen Ware für verschiedene Empfänger in den USA auf Schiffen, auf die nun womöglich eine Rücksendeanforderung oder eine Annahmeverweigerung durch den Käufer zukommt. Ansonsten sind Zölle für uns eben tägliches Geschäft.
Haben sich das Kundenverhalten und damit auch Auftragsvolumina verändert? Gibt es wahrnehmbare Anpassungen, die Sie bei Kunden wahrnehmen?
Thoma Die Transportnachfrage von China Richtung USA ist deutlich eingebrochen – hier gibt es zwischen 40 und 60 Prozent weniger Nachfrage nach Containern. Das versuchen die Reedereien zu kompensieren, indem sie weniger Schiffe fahren lassen. Stichwort „Blank Sailings“, also dem gezielten Aussetzen von Abfahrten, indem die Schiffe zu Wartungsarbeiten ins Dock geschickt werden. Dadurch wird die Flottenkapazität reduziert, um einen Preisverfall zu vermeiden. Sonst würde bei der niedrigen Nachfrage der Preis pro Container ins Bodenlose sinken. Das hat auch einen ökologischen Effekt, die Klimabelastung wird in dieser Phase deutlich sinken, weil weniger Schiffe unterwegs sind.
Was ändert sich durch Trumps Handelspolitik an der mittelfristigen Zukunftsplanung von Gebrüder Weiss?
Thoma Wir stellen uns darauf ein, dass es auf der Handelsstrecke China-USA weniger Volumen geben wird. Der Wettbewerb um das verfügbare Geschäft wird etwas intensiver werden. Uns als Gebrüder Weiss betrifft es etwas weniger, weil wir auf dieser Trade Lane nicht ganz so stark sind. Das war für uns ein Wachstumsfeld, das wir in den nächsten Jahren stärker entwickeln wollen. Wir sind stärker auf der Trade Lane Asien-Europa und Europa-USA. Wir können mit der Situation also relativ gut umgehen. Wir verlagern unsere Kapazitäten und den Fokus unserer Mitarbeiter auf die anderen Geschäftsfelder und in andere Trades.
Wie ist die Situation zwischen Europa und USA?
Thoma Die Zölle sind zwar ausgesetzt, aber es gibt Unsicherheiten. Wir bemerken einen Nachfrageschub, weil viele Kunden die zehn Prozent in Kauf nehmen und nochmal alles verkaufen, bevor womöglich nach dem Ablauf der 90-Tage-Frist plötzlich nochmal höhere Zölle kommen. Ein anderes Beispiel: wir haben einen Projektlogistiker als Kunden, der dieses Jahr acht US-Projekte geplant hat - die sind jetzt alle on hold. Der Kunde sucht jetzt Flächen, wo er diese Container lagern kann, weil er keine Abnehmer mehr hat. Wenn klar ist, wie viel Zoll letztendlich erhoben wird, können die Kunden kalkulieren, und dann entscheidet der Markt, ob Ware aus Europa in den US verkaufbar ist oder nicht. Ich glaube, der Markt wird dadurch etwas kleiner werden, aber nicht signifikant schrumpfen. Im Moment dämpft diese Unsicherheit das Geschäft. Wenn wieder Klarheit herrscht, werden wir im Handelsvolumen relativ schnell wieder auf ein Vor-Zoll-Niveau kommen. Insgesamt bleibt die Hoffnung, dass ein Agreement kommt, vielleicht bestenfalls die Free Trade Zone, die im Gespräch war. Alles ist besser als diese Unsicherheit.
Wie werden sich die Transportkosten entwickeln?
Thoma Seit Corona haben die Reedereien viele Schiffe bestellt. Da gibt es also auch Kapazität an Schiffen, die noch in Bau sind. Das wird, wenn nicht ein Nachfrageschub größeren Ausmaßes entsteht, zwangsläufig zu niedrigen Preisen führen. Allein der Effekt, wenn der Suezkanal aufginge, würde plötzlich acht bis zehn Prozent zusätzliche Kapazität in den Markt bringen, und das hätte natürlich auch einen Preiseffekt auf der Linie Asien nach Europa. Wenn der weltweite Handel durch die Zölle schwächelt, wenn China weniger produziert oder weniger nach USA verschifft, werden die Kapazitäten auf andere Routen umgeleitet und dann dort dazu führen, dass die Preise hinuntergehen. Wir hatten während Corona Preise von 10.000 US-Dollar für einen 40-Fuß-Container, im Moment liegen wir eher wieder bei 2.000 Dollar. Dieser Preis könnte sogar noch weiter sinken, wenn sich der Suezkanal eben wieder entspannt und die Nachfrage wieder anspringt.