Nachbericht : Logimat: Eine Intralogistik-Messe zur richtigen Zeit
Beim Eintritt am Vormittag des ersten Messetags selbst hätte man noch gar nicht vermutet, welche Menschenmassen auf dem Messegelände Stuttgart durch die zehn Hallen wandern würden. Doch der Andrang war riesig: Insgesamt nahmen 50.000 Fachbesucher an der diesjährigen Fachmesse für Intralogistik – der Logimat - teil. Mit einer Ausstellungsfläche von mehr als 125.000 Quadratmetern in allen zehn Hallen war das Stuttgarter Messegelände auch in diesem Jahr komplett ausgebucht, heißt es vom Messeveranstalter. „Ein gelungener Neustart nach fast 40 Monaten pandemiebedingter Messepause“, kommentiert Messeleiter Michael Ruchty vom Messeveranstalter Euroexpo.
Am zweiten Tag strömten in Spitzenzeiten 3.000 Fachbesucher innerhalb von zehn Minuten durch die Drehkreuze am Einlass zu den Messehallen, was auch spürbar war: Am zweiten Tag drängten sich die Besucher – vor allem vor den großen Ständen und in den Gängen – sodass ein Durchkommen teilweise schwer möglich war.
Vor allem die Produktpremieren und Weltneuheiten – wie etwa der PowerCube von Jungheinrich – zogen Besucher an. Ausstellerseitig präsentierten sich in diesem Jahr 1.571 gemeldete Aussteller aus 39 Ländern, wobei 393 Neuausteller dabei waren – und 74 Anbieter aus Übersee.
Ein Drittel der Besucher hatte konkrete Investitionsvorhaben
Euroexpo hat die Struktur der Fachbesucher nach der Logimat aufgeschlüsselt. Demnach zählte mehr als ein Viertel der Besucher zur Belegschaft von Großunternehmen mit 1.000 bis 9.999 Mitarbeitern. Nach Branchen aufgeschlüsselt sind 58,8 Prozent der Fachbesucher dem Industriesektor zuzuordnen, 12,4 Prozent sind im Groß- und weitere 4,3 Prozent im Einzelhandel tätig. 6,9 Prozent arbeiten im Speditionswesen. Das Gros des Fachpublikums (52,8 %) ist im Unternehmen Entscheider für den Einkauf. Für sie gilt die Logimat als primäre Informationsplattform über aktuelle Lösungsangebote für die Intralogistik.
Von allen Fachbesuchern kamen 55,1 Prozent, um sich über Neuheiten und Trends zu informieren, 27,7 Prozent wollten neue Geschäftsverbindungen knüpfen. Im Fokus des Interesses standen insbesondere die Neuheiten in den Produktbereichen Förder- und Lagertechnik (55,8 %), Flurförderzeuge (38,3 %) und, mit 18,3 Prozent, Fahrerlose Transport Fahrzeuge (FTF) beziehungsweise Autonome Mobile Roboter (AMR) – Mehrfachnennungen waren möglich.
36,5 Prozent des Fachpublikums kam zudem mit konkreten Investitionsvorhaben nach Stuttgart, was zahlreiche unterzeichnete Vertriebsvereinbarungen, Geschäftsabschlüsse und Kooperationsinitiativen hervorbrachte. 5,2 Prozent der Fachbesucher erteilten auf der Messe einen Zuschlag, 31,7 Prozent wollen Aufträge unmittelbar nach der Messe vergeben. Entsprechend positiv das Echo der Aussteller – auch auf dispo-Anfrage zeigten sich alle befragten Unternehmen optimistisch, von der Logimat profitiert zu haben. Vor allem nach den Pandemie-Jahren spüre man, so der Tenor, dass Kunden vermehrt auf der Suche nach Automatisierungslösungen und Flurförderzeugen, FTS und AMR seien – und auch Software zur Effizienzsteigerung sehr gut nachgefragt worden sei.
Vor allem auch die Herkunft der Fachbesucher zeigt deutlich den Stellenwert der Messe: Für die Anreise zur LogiMAT nahmen 38,5 Prozent der Besucher etwa einen Reiseweg von mehr als 300 Kilometern in Kauf. Stabil sei der hohe Zuspruch internationaler Fachbesucher und Aussteller geblieben, so Informationen von Euroexpo: Den vom unabhängigen Baseler Marktforschungsinstitut Wissler & Partner ermittelten Zahlen zufolge kam jeder fünfte Messebesucher aus dem Ausland nach Stuttgart. Das internationale Fachpublikum kam zu 73,8 Prozent aus dem EU-Ausland, zu 7,9 Prozent aus Nicht-EU-Ländern sowie zu 8,3 Prozent aus Übersee, Asien und Amerika.
AMR-Markt boomt
Wie auch schon aus den Zahlen von Euroexpo hervorgeht, war das Interesse an Autonome mobile Roboter (AMR) groß. Die Halle 2 war nahezu ausschließlich mit autonomen Transportrobotern belegt. Continental hatte mit dem Transportroboter „AMR IL 1200“ seine erste Eigenentwicklung im Gepäck – der Autozulieferer hatte kurz vor der Messe seinen Einstieg in das AMR-Segment bekanntgegeben. BlueBotics, Anbieter von Navigationssoftware, konnte hingegen bereits auf elf in Stuttgart ausstellende Referenzkunden verweisen, die die Lösungen des Unternehmens in ihren AMR einsetzen – von Asti über Movigo bis SEW Eurodrive.
Das chinesische Jungunternehmen Geek+ wiederum hat in der Halle 7 eine der größten Ausstellerflächen gebucht und präsentierte dort unter anderem den RoboShuttle 8. EK Robotics, bisher vor allem für Fahrerlose Transportsysteme bekannt, stellte als „Weltneuheit“ auf der Messe die Transportplattform „X Move“ vor, die sich flexibel als AGV oder AMR nutzen lässt. Gleichzeitig gab das Unternehmen auch eine Kooperation mit Otto Motors bekannt, das auf die Steuerungssoftware für AMR spezialisiert ist - X-MOVE ist die erste Gemeinschaftsentwicklung.
Mobile Industrial Robots (MIR) war laut MIR-Manager Jörg Faber „besonders stolz darauf, dass unsere Roboter ab sofort auch mit der neuen Mobilfunktechnologie 5G laufen.“ Das Netz biete stabile, schnelle und verlässliche Verbindungen, die gerade für den Aufbau von größeren AMR-Flotten nützlich seien.
Das waren die „besten Produkte“ der Logimat
Auf jeder Logimat zeichnet eine unabhängige Jury aus Wissenschaftlern und Journalisten drei Preisträger für das „beste Produkt“ aus. In diesem Jahr waren das ein autonomer mobiler Roboter-Allrounder, eine hocheffiziente Intralogistik-Management-Plattform zur Synchronisation ganzer Fahrzeugflotten und ein System zur eindeutigen Identifikation von Paletten.
Diese erfüllten in „herausragender Weise“ die Wettbewerbsbedingungen, heißt es: Produktivitätssteigerung, Kostenersparnis und Rationalisierung. Die ausgezeichneten Unternehmen leisteten mit ihren Produkten einen Beitrag zu sicheren Prozessen, zur flexiblen Anpassung bei Veränderungen sowie zur Effizienzverbesserung und somit letztlich zur Steigerung der Produktivität in der Logistik.
In der Kategorie „Kommissionier-, Förder-, Hebe-, Lagertechnik“ ging der Preis an Bosch Rexroth AG, Geschäftsbereich Assembly Technology, für die Intralogistik-Lösung mit dem autonomen mobilen Roboter ActiveShuttle.
Das fahrerlose Transportfahrzeug automatisiert und standardisiert den innerbetrieblichen Material- und Warenfluss und schafft transparente und effiziente innerbetriebliche Abläufe. Bodenroller, die mit Kleinladungsträgern (KLT) beladen sind, werden von ActiveShuttle aufgenommen und hochflexibel und sicher transportiert. Durch das vollautomatische Auf- und Abladen gehören manuelle Handlingsaufgaben der Vergangenheit an. Das integrierte Sicherheitskonzept ermöglicht ein rechtzeitiges Abbremsen und sicheres Vorbeifahren an auftretenden Hindernissen im Fahrweg. Zusätzlich zum Sicherheits-Laserscanner erfassen Stereokameras den Raum in 3D – so werden zum Beispiel auch in den Fahrweg hereinragende Objekte erkannt. Im 24/7-Dauereinsatz transportiert das fahrerlose Transportfahrzeug mit Hilfe der robusten Lasernavigation (SIL2, Pld) und einer Geschwindigkeit von bis zu 1 m/s Waren von bis zu 260 kg sicher ans Ziel. Herzstück des Gesamtsystems ist das ActiveShuttle Management System (AMS).Es übernimmt die zentrale Steuerung der gesamten ActiveShuttle-Flotte. Als Steuerungssoftware stellt das AMS den Live-Zustand der Flotte dar, weist den zur Verfügung stehenden Fahrzeugen die anstehenden Transportaufträge zu und dient dem Nutzer zur Steuerung und Konfiguration der Logistikszenarien. Es ermöglicht ein hochflexibles Auftragsmanagement, bei dem Aufträge manuell eingegeben oder automatisch über Drittsysteme eingespeist werden können. Das in die Fahrzeugkonsole neu integrierte Touchscreen-Display sorgt dabei für mehr Effizienz vor Ort, weil das Bedienpersonal nun direkt und intuitiv mit dem mobilen Roboter interagieren kann. Das schafft mehr Transparenz durch Job- und Statusinformationen, spart Zeit bei Diagnose und Fehlerbehebung und vereinfacht das sogenannte Boarding, die Anmeldung des mobilen Roboters am übergeordneten Managementsystem. Das ActiveShuttle ist ohne Anpassung der bestehenden Fabrikinfrastruktur schnell implementiert, intuitiv bedienbar, rundum vernetzt und personensicher im Einsatz.
In der Kategorie „Identifikation, Verpackungs- und Verladetechnik, Ladungssicherung“ ging der Preis an Sick für das Deep-Learning basierte System PACS zur Klassifizierung von Palettentypen.
Das Identifikationssystem PACS erkennt anhand des Brandings auf den Palettenfüßen den Palettentyp und ordnet diesen mittels eines trainierten neuronalen Netzwerks einer Klasse zu. Auf Basis dieser Zuordnung wird eine automatische Bepfandung der Paletten durchgeführt. Es vereinfacht damit einen oft manuell durchgeführten, ressourcenintensiven Prozess und kann als kompaktes System mit geringem Platzbedarf in die Logistikkette integriert werden. Der modulare Aufbau des PACS besteht aus einer Kombination von Hard- und Softwarekomponenten von Sick. Projektspezifisch werden dabei, je nach Bedarf, ein oder mehrere Farbkameras für die Bildaufzeichnung eingesetzt. Die Softwaretools SICK Appspace und dStudio unterstützen eine schnelle Erstellung der Lösung auf Basis von Standard Hardware. Dank des Appspace Eco-System kann die Lösung vor Ort kundenspezifisch angepasst werden. Auf Basis intuitiver User-Interfaces sind bei der Bedienung des Systems keine Vorkenntnisse im Bereich Programmierung oder maschinelles Lernen erforderlich. Optional kann das System mit zusätzlichen Sensoren in seiner Funktionalität schnell und einfach erweitert werden, z. B. um eine Barcodelesung oder eine Vermessung der Palette.
In der Kategorie „Software, Kommunikation, IT“ ging der Preis an das Start-up Synaos für die Intralogistik-Management-Plattform Syna.os Logistics zur Orchestrierung von Fabriken und Logistikzentren unter Nutzung von künstlicher Intelligenz und neuester Cloud-Technologie.
Das Software Operating System Syna.os Logistics synchronisiert Fahrzeuge, Gabelstapler und mobile Roboter auf Basis ihrer Echtzeit-Daten und nutzt so die Komplexität als Vorteil. Funktionalitäten wie Order & Process Management, Asset Control, Storage Management, Vehicle & Operator Management und Vehicle Localization optimieren die Prozesse mit KI-basierten Algorithmen im Sekundentakt und steigern dadurch die Effizienz. Aus Milliarden Möglichkeiten findet die Software dank der Rechenpower aus der Cloud immer die beste Lösung.
Autonome Fahrzeuge und Gabelstapler in Logistikzentren stammen oftmals von verschiedenen Hardware-Herstellern und werden nicht zentral gesteuert. Das führt zu einem intralogistischen Chaos, das exakte Planungen erschwert sowie Probleme und Kosten nach sich ziehen. Mit einer nach VDA und VDMA standardisierten Schnittstelle VDA 5050 vernetzt Syna.os Logistics herstellerübergreifend alle Fahrzeuge untereinander. Aufgrund der Skalierbarkeit der Plattform lassen sich Flotten mit bis zu 1000 Fahrzeugen steuern. Die Software reagiert unverzüglich auf etwaige Störungen oder Bedienfehler. Durch eine kluge Warenverteilung werden u.a. Verspätungen um bis zu 60 Prozent reduziert. KI-basierte Algorithmen und Prozesse verkleinern die Flottengröße aufs Nötigste, wodurch hochfrequentierte Hallen entlastet und auch Kosten eingespart werden.
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