Mobile Robotik : Wie Schaeffler seine Intralogistikprozesse digitalisiert

AGV bei Schaeffler
© Synaos

2023 hat Schaeffler eine Digitalisierungsoffensive für die Intralogistik gestartet, um flexibler auf veränderte Bedingungen reagieren, Produktion nachhaltiger steuern und Effizienzpotenziale schneller realisieren zu können - und zwar standortübergreifend, werksspezifische Insellösungen kamen für das verantwortliche Schaeffler-Team um Roberto Henkel, SVP Digitalization & Operations IT bei Schaeffler, keineswegs in Frage.

Stattdessen wurde ein skalierbarer, Cloud-basierter Flottenmanager gesucht, der das standortübergreifende Intralogistik-Szenario – Automatisierung lokaler Materialflüsse mit kleinen homogenen Mobile Robot-Flotten – aus einer Hand steuert, gleichzeitig aber vor Ort auch genügend Flexibilität bietet.

"Ursprünglich haben wir zwei bestehende AGV-Pilotanwendungen definiert, die exemplarisch für die Gesamtlandschaft bei Schaeffler stehen. Damit haben wir ein Benchmarking auf dem externen Markt gestartet und uns verschiedene Marktteilnehmer angeschaut. Wir wollten keine Powerpoint-Präsentationen oder Sales Pitches. Sondern uns anschauen: Wie performt ein Anbieter in der Umsetzung im Projekt mit einer Deadline", erklärt IT Solutions Architect Tim Menapace.

Jene Proof of Concept (PoC)-Piloten wurden in den Schaeffler-Werken Homburg und Hagenau (Frankreich) mit jeweils drei und vier AGVs verprobt. An beiden Standorten steuert die Synaos Intralogistics Management Platform (IMP) noch heute verlässlich die Roboterflotten. Synaos überzeugte das Schaeffler-Team aus mehreren Gründen. Tim Menapace: „Uns hat die fachlich sehr hohe Expertise der Synaos-Kollegen überzeugt. Mit genau den richtigen Fragen haben sie ein Gespür dafür entwickelt, welche Herausforderungen wir als Großkonzern in der Intralogistik haben. Es war Kommunikation auf Augenhöhe.“  

Synaos‘ SaaS-Ansatz war ein weiteres gewinnendes Argument: „Synaos kümmert sich gänzlich um den IT-Betrieb qua Synaos IMP und wir können uns auf unsere Kernthemen und Technologien fokussieren. Dieser Ansatz der Softwareauslagerung fügt sich wunderbar in unsere Gesamtarchitektur Cloud-First ein“, und decke sich mit Schaefflers Vorstellung und Vision von der Digitalisierung der Infrastruktur.  

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Die Bedeutung von mobiler Robotik für Schaeffler

„Am Ende geht es stets um Wettbewerbsfähigkeit, Effizienzsteigerung, Produktivitätssteigerung. Die Automatisierung in der Logistik hilft uns dabei, unsere Fachkräfte von körperlich anspruchsvoller Arbeit zu entlasten. Die Intralogistik ist ein Schlüsselprozess in der Fertigung, die unmittelbar Einfluss darauf nimmt, wie robust unsere Abläufe sind. Es geht darum, Materialien und Betriebsmittel mit einer hohen Verfügbarkeit an den Ort zu liefern, an dem sie benötigt werden", erklärt dazu Christian Gladow, VP IT Productline Shopfloor Execution Solutions.

Andre Heskamp, VP IT Productline Connectivity and Process Control Solutions, ergänzt: „In der Fabrik der Zukunft bei Schaeffler werden wir weiterhin unsere Kernfelder Technologie und Manufacturing Excellence forcieren. Zentral hierfür sind Automatisierung und Effizienz in der Materialbereitstellung. Hierfür werden wir in unseren über 80 Produktionsstandorten weitere AGVs in unsere Prozesse integrieren. Das erfordert eine zentrale, skalierbare und integrierte Softwarelösung. Die Synaos IMP ist schon jetzt ein Kernbaustein in Schaefflers Lösungslandschaft.“

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Die Bedeutung des Kommunikationsstandards VDA 5050

Tim Menapace beleuchtet die hohe Relevanz jenes Standards, der das Automatisierungsprojekt überhaupt erst ermöglicht hat: „Wir benötigen unterschiedlichste Fahrzeuge, um unsere unterschiedlichen Transportbedarfe und Ladungsträger von A nach B zu bringen. Schaeffler setzt deshalb auf den von VDA, VDMA und Automobilindustrie entwickelten Standard VDA 5050. Charmant an der Sache ist, dass sich der Standard gemeinsam mit der Lösung von Synaos wunderbar in unsere Gesamtarchitektur und unser Verständnis von Digitalisierung integriert.”  

Bei Schaeffler werden sämtliche Applikationen und Shopfloor-Assets – Produktionsmaschinen, Peripherie und Sensorik wie Brandmeldeanlagen, Türen und Ampeln – an einen zentralen Message-Broker angebunden. Die AGV docken sich ebenfalls an diesen Message-Broker an und übermitteln so ihre Informationen an die Synaos IMP. Das gelingt nur via VDA 5050, Kernelement der Visionen von Schaeffler und Synaos. „Statt Insellösungen und einzelner Flottenmanager, die ihre jeweiligen AGVs steuern, haben wir eine holistische Gesamtarchitektur geschaffen, was das Thema Steuerung und Datenanbindung angeht”, erklärt Menapace.

AGV: Auslastung von 98 Prozent

Die Effizienz der intralogistischen Prozesse ist seit Beginn der Kooperation mit Synaos gestiegen – zum Beispiel am Standort Höchstadt. Hier übernehmen insgesamt vier Forklift-AGV die notwendigen innerbetrieblichen Transporte. Ralf Fuchs, Leiter Campus Logistik im Werk Höchstadt, berichtet: „Innerhalb kürzester Zeit haben wir unser Automatisierungsprojekt hier zum Erfolg gebracht. Die AGV haben eine Auslastung von 98 Prozent und meistern zusammen Hunderte Aufträge am Tag.“

Fuchs betont die konstruktive Zusammenarbeit der Teams. „Die von Synaos initiierten Softwareschulungen haben das Verständnis der Kollegen für unser Automatisierungsvorhaben und für die Software außerordentlich gesteigert.“ Den Beteiligten wurde klar: Die monotonen Materialfahrten und körperlich belastenden Arbeiten übernehmen ab sofort die Maschinenkollegen.

Software im Mittelpunkt der Architekturentscheidung

Künftig intensivieren Schaeffler und Synaos ihre Kooperation: „Die Weichen sind klar auf Wachstum gestellt“, sagt Wolfgang Hackenberg, CEO und Co-Founder von Synaos. „Schaeffler ist das Thema AGV sehr visionär angegangen. Sie haben sehr früh eine klare Architekturentscheidung getroffen und die Themen Strukturierung, Modularität und die Rolle von Software im Kontext von Intralogistikautomatisierung in den Mittelpunkt gerückt. Unsere All-in-One und One-for-All-Lösung ist das richtige Werkzeug für einfache und komplexe Intralogistik-Automatisierungsprojekte und auch für die Integration manueller Verkehre.“

Schaefflers bewusster Ansatz, die Steuerung einzelner Mobile Robot-Flotten zu zentralisieren und Cloud-basiert mit einer Saas-Lösung zu skalieren, ist bisher nahezu einzigartig in der Industrie. „Wer die Zukunft im Bereich mobile Robotik sehen will, sollte in die Schaeffler-Werke gehen“, rät Hackenberg. „Denn dort wird wirklich deutlich, wie man einfache Prozesse, Hardware und eine gute Softwarelösung zusammenbringt und damit an die Spitze der Industrie im Bereich Digitalisierung in der Produktion kommen kann.“

Seit der erfolgreichen PoC-Phase an den Standorten Homburg und Hagenau steuert die Synaos IMP zusätzlich an den Schaeffler-Standorten Sasbach und Höchstadt die kleinen, homogenen Roboterflotten. Erweiterungen sind für Sasbach, Szombathely (Ungarn), Schweinfurt und Herzogenaurach geplant. Auch an den nordamerikanischen Standorten Cheraw und Fort Mill sowie Irapuato (Mexiko) und in Schaefflers asiatischen Werken wird Synaos’ Flottensteuerung zum Einsatz kommen.