Lieferketten stärken : Was kostet die „Deglobalisierung“?

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Was für ein Coup: Die USA haben den weltweit führenden Halbleiterhersteller TSMC überzeugt, gleich zwei Fabriken mit neuester Hochtechnologie in Arizona anzusiedeln. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) ist eine wahre Gelddruckmaschine, deren Umsatz seit 1994 durchschnittlich um 17,4 % pro Jahr gewachsen ist. Ihre Mikrochips sind von enormer strategischer Bedeutung und steuern einen Großteil der führenden Computer, Smartphones und anderer elektronischer Geräte.

Das kostet die Unabhängigkeit von China

Die 40-Milliarden-Dollar-Investition von TSMC in die Chipfabrik in Arizona ist eine der größten Auslandsinvestitionen in der Geschichte der USA und die größte jemals in Arizona getätigte. Um die Fabriken zu betreiben, hat TSMC 1.200 Ingenieure eingestellt und sie 18 Monate lang in Taiwan ausgebildet. Da der Fachkräftebedarf jedoch noch nicht gedeckt ist, versucht TSMC derzeit, die US-amerikanischen Visaanträge von 500 weiteren taiwanesischen Schlüsselarbeitskräften zu beschleunigen.

All das ist die Folge der Lieferketten-Schwierigkeiten durch die Pandemie sowie der Versuch, sich unabhängiger von China zu machen. Der Prozess wird noch viele Namen bekommen, abseits von Deglobalisierung. Der unangenehme Teil daran, über den niemand gerne spricht, sind die steigenden Kosten für alle Arten von Waren und Produkten. Etwas, das die anhaltende Inflation nicht gerade schmälert.

Screenshot von TSMC Arizona aus Google Maps
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So ändert sich die Lieferkette

Die Pandemie hat gezeigt, wie anfällig die USA gegenüber solchen Schlüsselprodukten, wie etwa importierten Chips, geworden sind. Aktuell werden ungefähr zwölf Prozent der Halbleiterchips in den USA hergestellt, gegenüber 37 Prozent im Jahr 1990. Wenn sich die US-Halbleiterindustrie erholt, dürften andere Schlüsselsektoren wie die Pharmaindustrie folgen. Laut einer Umfrage von Gartner unter 400 Supply-Chain-Leadern wird die globale Lieferkette seit 2021 weitreichend transformiert: 74 Prozent der befragten Lieferketten-Spezialisten haben aufgrund der Pandemie wesentliche Änderungen an Größe und Anzahl der Standorte in ihrem Liefernetz vorgenommen.

Alles aus der „Fabrik der Welt“ zu verlagern, ist allerdings unmöglich. Zu komplex ist die jahrzehntelang aufgebaute chinesische Infrastruktur aus unzähligen Fabriken und einzigartiger Produktionserfahrung. China besitzt zudem die Hälfte der größten Containerhäfen der Welt. Doch um den neuen US-Zöllen zu entgehen, haben Giganten wie Samsung, LG Electronics oder Hasbro China verlassen. Apple produziert bereits das iPhone 14s in seiner neuen Produktionsstätte im indischen Chennai. Bis 2025 soll ein Viertel aller iPhones von dort kommen. Und ein Fünftel aller iPads und Apple Watches sowie die Hälfte aller AirPods sollen in Vietnam hergestellt werden.

Mindestens 50 % Mehrkosten?

Bei der Eröffnungsfeier der TSMC-Baustelle verkündete Tim Cook unter großem Getöse, dass Apple Chips von TSMC Arizona verwenden werde. Ob die teuren iPhones und MacBooks dadurch noch teurer werden, sagte er nicht. Morris Chang, der 91-jährige Gründer des Halbleitergiganten, wurde auf der gleichen Feier dagegen deutlich konkreter. Er geht davon aus, dass die Chips von TSMC Arizona mindestens 50 Prozent mehr kosten als die von TSMC Taiwan. Denn natürlich sind in den USA die Baukosten, Löhne und Sozialleistungen höher. Wendell Huang, CFO von TSMC, sagte sogar: „Wir können Ihnen keine konkrete Kostendifferenz zwischen Taiwan und den USA nennen, aber wir können Ihnen sagen, dass der Hauptgrund für die Kostendifferenz die Baukosten für Gebäude und Anlagen sind, die vier- bis fünfmal höher sein können.“ Intuitiv wissen wir alle, dass mit fortschreitender Deglobalisierung die Kosten steigen. Aber wie genau sieht das im großen B2B aus?

Wer trägt nun diese Mehrkosten?

Außer an Apple liefert TSMC auch an den Börsenstar Nvidia und AMD, die auch jeweils ihre Redner zum Eröffnungsfest nach Arizona schickten. TSMC geht davon aus, dass diese Großkunden den höheren Preis verkraften können. Schließlich haben sie von TSMC die „geografische Flexibilität“ in ihrer Halbleiterlieferkette auch eingefordert. Außerdem waren die Bruttomargen von Apple & Co. in den letzten 5 bis 6 Jahren auch nicht ganz so übel. Wird Apple diese Kosten an die Verbraucher weitergeben? Oder doch seine Margen schmälern?

Nein, Variante zwei ist eher keine Option. Die unangenehme Wahrheit ist: Der Alltagskonsument wird diese Kosten tragen. Angesichts der wirtschaftspolitischen Realität ist es wahrscheinlich richtig, solche Schlüsselfabriken in stabilen Umgebungen anzusiedeln. Auf jeden Fall gibt es viel Diskussionsstoff darüber, inwieweit es sich lohnt, gemeinsam für eine widerstandsfähigere Lieferkette oder für eigene Fertigungskapazitäten zu zahlen, um strategische Schwachstellen zu verringern und zukünftige Katastrophen abzumildern, die noch mehr kosten würden. Hier geht es um eine folgenschwere Richtungsentscheidung und die Frage: Was ist uns die Unabhängigkeit von den billigsten Produzentenländern wert?

Der Gastautor, Peter Deutschbauer, ist Managing Director Air & Sea Logistics von Dachser Austria.

Peter Deutschbauer ist neuer Managing Director Air Sea Logistics Eastern Europe and Austria bei Dachser
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